Die EIA (Energy Information Administration der US Regierung) prognostiziert im Gegensatz zur IEA (International Energy Agency) eine Stagnation der US-Erdölförderung ab 2020. Grafik: EIA

Glaubt man dem World Energy Outlook 2017 der IEA, so ist die US-Schieferölförderung die Lösung für den Peak Oil.

Seit Juli 2017 ist der Ölpreis um über 60 % angestiegen und steht Ende April 2018 zwischen US$ 74 und 75 pro Fass. Grafik: ICE BRENT CRUDE FUTURES

ASPO: Kann Fracking die sinkende Förderung aus konventionellen Erdölfeldern ausgleichen?

(©ASPO) Die Fördermengen des Erdöls aus konventionellen Feldern sind seit über zehn Jahren rückläufig. Gemäss dem WEO 2017 wird die Erdölförderung aus existierenden Feldern bis 2040 um bis zu 65 % zurückgehen. Inwieweit werden Erdölprodukte, die mittels Fracking aus dem Boden extrahiert werden, die sich abzeichnende Lücke füllen können?


Beispiel Megaölfeld
Ghawar
Illustrieren möchte ich das am Megaölfeld Ghawar in Saudi Arabien. Entdeckt wurde es 1948. Erdöl gefördert wird dort seit 1951. Bis etwa ins Jahr 2000 entsprach die geförderte Menge 60 bis 65 % der gesamten saudischen Erdölförderung. Das Fördermaximum (Peak Oil) wurde um das Jahr 2005 erreicht. Aber nach wie vor liefert das Ghawar-Feld etwa 5 Mio. Fass Erdöl pro Tag, was etwa 5 % der weltweiten Erdölförderung entspricht. Bei den ge-schätzten verbleibenden Reserven von 70 Mrd. Fass kann noch etwa 40 Jahre lang Erdöl aus Ghawar bezogen werden. Gemäss neuesten Angaben nimmt die Fördermenge jedoch um bis zu 8 % pro Jahr ab. Gewaltige Investitionen wären notwendig, um die Förderrate zu stabilisieren oder wenigstens deren Abnahme zu bremsen. Die meisten konventionellen Erdölfelder befinden sich in einer ähnlichen Situation. Daher sind Zweifel angebracht, ob deren zurückgehende Förderkapazitäten durch die nicht konventionelle Erdölförderung kompensiert werden kann.

Ausweg Schieferölförderung?
Glaubt man dem World Energy Outlook 2017 der IEA, so ist die US-Schieferölförderung die Lösung für den Peak Oil. Die IEA erwartet, dass die USA in naher Zukunft zum weltweit unangefochtenen Erdöl- und Erdgasförderer aufsteigen werden. Laut IEA wird die Öl- und Gasförderung in den USA bis 2030 bis zu 30 Mio. Fass pro Tag betragen. Darin sind allerdings auch Natural Gas Liquids (NGL) und andere Raffineriebeiprodukte enthalten.

Nachdem der Ölpreis Ende 2017 wieder auf US $ 60 pro Fass stieg – die magische Grenze, ab der Fracking wirtschaftlich betrieben werden kann – konnte die Schieferölförderung in den USA kräftig zulegen. Dabei profitierte die Frackingindustrie allerdings von einer Vielzahl sogenannter DUC (drilled but not completed)-Bohrlöchern, deren Inbetriebnahme die Förder-rate rasch steigen liess. Schieferölbohrungen müssen jedoch nach zwei bis drei Jahren „re-fracked“ oder ersetzt werden, damit sie weiter wirtschaftlich betrieben werden können. So prognostiziert denn auch die EIA (Energy Information Administration der US Regierung) im Gegensatz zur IEA (International Energy Agency) eine Stagnation der US-Erdölförderung ab 2020, die dann bei etwas über 10 Mio. Fass pro Tag liegen soll, wovon etwa 6 Mio. Fass pro Tag durch Fracking gewonnen werden sollen.

Zusätzliche Felder erforderlich
Unkonventionell gefördertes Erdöl, allen voran das Schieferöl, kann aller Wahrscheinlichkeit nach den Rückgang bei der Förderung von konventionellem Erdöl nicht kompensieren. Bis 2040 müssen laut WEO 2017 35 % des Bedarfs aus zusätzlichen Feldern gefördert werden. Dieser Anteil wäre höher als die gesamte Fördermenge aller Staaten am Persischen Golf zusammen. Zudem müssten die Felder zuerst noch entdeckt und in Rekordzeit in Betrieb genommen werden. Gemäss Berechnungen der IEA aus dem Jahr 2015 müssten nämlich jährlich US$ 900 Mrd. in die Erdölförderung gesteckt werden, allein um die Förderraten halten zu können. Nach dem Einbruch des Erdölpreises im Jahr 2014 sind aber Finanzmittel in dieser Grössenordnung nicht mehr vorhanden.

Immerhin räumt die IEA ein, dass schon heute Wind- und Solarenergie vor allem bei der Stromproduktion wirtschaftlicher sind als die fossilen Energien. Zudem werden sie beim Zubau von neuen Kapazitäten die Nase vorne haben. Trotz dieser Konkurrenz geht die IEA nicht davon aus, dass schon heute der Nachruf auf das Erdöl geschrieben werden sollte. Gemäss IEA wird der Anteil der fossilen Energien bis 2040 immer noch bei 75 % (heute: 81 %) des Weltenergieverbrauchs liegen.

Umweltfragen links liegen gelassen

Bei der ganzen Fracking-Euphorie werden Fragen wie Wasserverbrauch, Sandverbrauch, Entsorgung des Frackingwassers, Landverbrauch und Bau von Zugangsstrassen selten thematisiert. Immerhin wies die IEA Ende März darauf hin, dass eine ungenügende Pipelinekapazität ein Problem werden könnte. Es ist viel einfacher, Bohrlöcher niederzu-bringen, als ein dichtes Netz an Pipelines zu verlegen, und die erst noch alle paar Jahre an neue Förderanlagen anzuschliessen. Auch sind die meisten Raffinerien in den USA auf zum Beispiel schwereres Erdöl aus Venezuela und Teersande aus Kanada ausgelegt und müssten für das mittels Fracking gewonnene Light Tight Oil umgerüstet werden.

Erreichen der Klimaziele in weiter Ferne
Während die IEA der Kohle nicht zutraut, im künftigen Energiemix mithalten zu können, wird das Erdgas im WEO 2017 als Exit-Strategie aus den fossilen Energien angepriesen, da bei seiner Verbrennung weniger CO2-Emissionen entstehen als bei der Verbrennung von Kohle. Allerdings müsste die Erdgasindustrie die Methan-Verluste, die bei der Förderung von Erd-gas auftreten, noch in den Griff bekommen, denn Methan ist 30-mal klimaschädlicher als CO2. Ein weiterer Bremsfaktor für das Erdgas sind die schnell fallenden Kosten bei den Erneuerbaren wie Solar- und Windenergie. Im Sustainable Development Scenario des WEO 2017 peilt die IEA folgende Ziele an: Stabilisierung des Klimas, saubere Luft und universeller Zugang zu modernen Energien. Bei einer Zunahme der Energienachfrage um 30 % und einem Anteil der fossilen Energien am Weltenergieverbrauch von 75 % im Jahr 2040 liegt das Erreichen der Klimaziele von Paris in weiter Ferne. Zudem sind die Fortschritte bei „Carbon capture, utilization and storage“ (CCUS) nur bescheiden bis inexistent.

Die zunehmende Elektrifizierung der Energieversorgung, die durch die Verbilligung der Erneuerbaren und der Batterien begünstigt wird, wird die Zunahme des Bedarfs an Erdöl verlangsamen. Hier spielt vor allem der Ausbau der Elektromobilität im Personenverkehr eine Rolle. Die IEA rechnet jedoch mit einer Zunahme des Erdölbedarfs bei petrochemischen Produkten, Lastwagen sowie in der Luftfahrt und der Seefahrt.

Rolle des Erdölpreises

Bei der Entwicklung der Erdölförderrate kommt dem Erdölpreis eine wichtige Rolle zu. Nach dem Absturz des Erdölpreises im Jahr 2014 gelang es der OPEC in Zusammenarbeit mit Russland im Juli 2017 Förderbeschränkungen in der Grössenordnung von über 1 Mio. Fass pro Tag durchzusetzen. Die Förderbeschränkungen wurden Ende 2016 beschlossen. Die „Förderdisziplin“ der OPEC Staaten wurde erst 6 Monate später erreicht. Seit Juli 2017 ist der Ölpreis um über 60 % angestiegen und steht Ende April 2018 zwischen US$ 74 und 75 pro Fass.

Dies wiederum hat Präsident Trump auf die Palme getrieben. So twitterte er: “Looks like OPEC is at it again, oil prices are artificially very high! No good and will not be accepted!” Dabei denkt Trump vor allem an die Wahlen zum Repräsentantenhaus in diesem Herbst und seine Wähler, die bei den aktuellen Benzinpreisen etwa US$ 132 Mio. pro Tag verlieren. Die US-Energiepolitik steckt aber in einem Dilemma: Für die Konsumenten braucht es einen tiefen Erdölpreis. Gleichzeitig sind die USA aber auch einer der wichtigsten Erdölproduzen-ten, und um die vorwiegend unkonventionellen Erdölreserven nutzen zu können, wird ein hoher Erdölpreis benötigt.

USA weiterhin Netto-Importeur von Erdöl

Seit dem rasanten Anstieg der Schieferölförderung in den Jahren nach 2006 konnte die Rohölförderung in den USA verdoppelt werden, sie entspricht momentan dem Stand der Förderung in den 1970er Jahren, als beim konventionellen Erdöl der Peak Oil erreicht wurde. Obwohl die USA zusammen mit Saudi-Arabien und Russland zu den grössten Fördernatio-nen gehören, entspricht die aktuelle Förderrate nur etwas mehr als 10 % der weltweiten Förderung. Auch wenn die USA zunehmend Erdöl und Erdgas exportieren, bleiben sie weiterhin ein Netto-Importeur beim Rohöl, und das wohl noch einige Jahre lang.

Gründe für hohen Erdölpreis

Der hohe Erdölpreis hat natürlich auch noch weitere Gründe als die von der OPEC und Russland beschlossenen Förderbeschränkungen. So ist aufgrund politischer Turbulenzen die Erdölförderung in Venezuela markant zurückgegangen und könnte infolge der Sankti-onen, die die USA angedroht haben, weiter fallen. Libyen, das seit dem Arabischen Frühling versucht, die Förderraten zu stabilisieren, geht erneut unsicheren Zeiten entgegen, nachdem der Kriegsherr im Osten des Landes schwer erkrankt ist. Die Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien tragen auch nicht zu einer Beruhigung an den Erdölmärkten bei. Zudem könnte die Drohung der USA, das Nuklearabkommen mit Iran zu kündigen, einen Einfluss auf die Erdölförderung in der Golfregion haben.

Selbst Rekord-Schieferölförderung reicht nicht aus

Die US-Fracking-Industrie war zwar kurzfristig die grosse Gewinnerin des rasanten Preisanstiegs beim Erdöl über die letzten 10 Monate. Denn ab einem Preis von US$ 60.00 pro Fass konnte die Erdölindustrie wieder Gewinne einfahren, nachdem zwischen 2014 und 2016 hunderte Bohrplattformen (1500) stillgelegt und zehntausende Mitarbeiter (60‘000) entlassen werden mussten. Einige grosse US-Erdölfirmen haben sich kürzlich wieder in das Fracking-Geschäft eingekauft, in der Hoffnung dadurch als „Swing Producers“ flexibler agieren zu können. Die Annahmen im WEO 2017 legen allerdings dar, dass selbst eine Schieferölförderung in den USA auf Rekordhöhe nicht ausreichen wird, um die wegfallende Förderung von existierenden konventionellen Erdölfeldern zu kompensieren. Zudem scheint Saudi-Arabien nicht mehr ausreichend Kapazitäten zu besitzen, um die Förderraten beliebig erhöhen und somit den Erdölpreis auf einem nicht zu hohen Niveau stabilisieren zu können. Saudi-Arabien könnte die über die Förderbegrenzungen erreichten Preise jetzt dazu nutzen, die wirtschaftliche Transition in das nach Öl-Zeitalter vorzubereiten.

Text: Walter Stocker, Präsident ASPO Schweiz

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1 Kommentare

Max Blatter

Die Frage ist nicht: KANN Fracking die Abnahme der konventionellen Erdölförderung ausgleichen, sondern SOLL es das? Aus meiner Sicht Nein! Genau so wie die Nuklearenergie in Deutschland, der Schweiz und anderen Ländern zum "Auslaufmodell" erklärt wurde (wohinter ich seit Fukushima voll und ganz stehe), genau so muss man sich auch defintiv von den fossilen Energien verabschieden, insbesondere von Erdöl und Kohle. Wäre ich Investor, ich würde schon längst keinen Rappen oder Cent mehr in nicht-erneuerbare Energieressourcen stecken, sondern alle Anstrengungen (sowohl Finanzen wie auch Man- und Womanpower) dem Jahrhundertprojekt "100% erneuerbar bis spätestens 2100" widmen.

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