Die drei Zapfsäulen des „move“-Projekts an der Empa stellen unterschiedliche Treibstoffe bereit: Methan (vorne), ein Methan-Wasserstoff-Gemisch (Mitte) und Wasserstoff (hinten). Foto: Empa

Wird Solarstrom zum Antrieb eines Wasserstoff-Autos eingesetzt, werden 24.4% der Ausgangsenergie in Bewegungsenergie umgesetzt, wie dieses Sankey-Diagramm veranschaulicht. Grafik: Empa

rs Cabalzar liess sich an der ETH Zürich zum Maschineningenieur ausbilden und erforscht heute an der Empa in Dübendorf unter anderem den Einsatz von Wasserstoff für Mobilitätsanwendungen. Foto: B. Vogel

Bei der Verdichtung des Wasserstoffs auf 700 bar entsteht Lärm. Durch eine geeignete Schallisolationsvorrichtung kann dieser abgeschirmt werden. Im Bild rechts: Vorrichtung für eine Schallmessung. Foto: Prose

Die Grafik zeigt zehn Lecktests, die während einer halben Stunde an der Empa durchgeführt wurden. In den ersten sieben Tests ist während der Betankung kein Druckabfall im Füllschlauch festzustellen – es ist also kein Leck vorhanden. Grafik: Empa

Die mobile Eichvorrichtung für die Wasserstoff-Zapfsäulen. Schwarz: die beiden Wasserstofftanks. Blau: Die Waage, mit der das Gewicht des Wasserstoffs in den beiden Tanks exakt bestimmt werden kann. Illustration: Metas

P+D-Projekt: Wie Wasserstoff-Autos sicher tanken können

(©BV) Auf Schweizer Strassen verkehren erst einige Dutzend Personenwagen, die Wasserstoff als Treibstoff nutzen. Damit Wasserstoff-Autos weiter Verbreitung finden, braucht es ein landesweites Netz aus Tankstellen. Die Empa untersucht gegenwärtig technische und rechtliche Fragen, um den Bau von Wasserstoff-Tankstellen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Erste Lösungskonzepte liegen auf dem Tisch.


Elektroautos mit Batterie gehören unterdessen zum gewohnten Strassenbild. Wasserstoff-Fahrzeuge hingegen sind noch eine Rarität. Nur wenige Dutzend Personenwagen sind auf Schweizer Strassen unterwegs. In guter Erinnerung ist der Feldversuch mit Wasserstoff-Postautos, der 2016 nach fünf Jahren zu Ende ging. Weiterhin im Einsatz ist ein Lkw von Coop. Gründe für die geringe Verbreitung sind der Mangel an verfügbaren Fahrzeugen sowie das Fehlen von öffentlich zugänglichen Wasserstoff-Tankstellen. In der Schweiz existieren davon nur gerade zwei: die eine in Hunzenschwil (AG), die andere an der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf (ZH).

Länder wie Japan und Südkorea, aber auch Kalifornien, skandinavische Staaten oder Deutschland treiben die Entwicklung der Wasserstoff-Technologie voran. Auch die Schweiz ist in diesem Bereich aktiv, indem sie innovative Projekte unterstützt. Das hat gute Gründe: Die entsprechenden Fahrzeuge fahren nämlich CO2-frei, sofern sie mit Wasserstoff betankt werden, der mit erneuerbarem Strom hergestellt wurde. Der gasförmige Treibstoff wird im Fahrzeug mit einer Brennstoffzelle in Strom rückverwandelt und treibt einen Elektromotor an. Das einzige, was aus dem Auspuff des Fahrzeugs entweicht, ist Wasserdampf. Wasserstoff hat eine hohe Energiedichte. Die Autos erreichen mit einer Tankfüllung problemlos eine Reichweite von 500 und mehr Kilometern im Realbetrieb. Das neue Modell von Hyundai ('Nexo'), welches ab Sommer 2018 in der Schweiz verfügbar sein soll, steigert diesen Wert dank verbesserter Brennstoffzellentechnik um weitere 30%.

Fokus auf Betankung von Pkw
Soll Wasserstoff-Autos der Durchbruch gelingen, ist eine sichere Tankstellen-Infrastruktur unabdingbar. Vor drei Jahren haben Wissenschaftler auf dem Empa-Campus in Dübendorf eine Demo-Anlage mit dem Namen «move» in Betrieb genommen. Diese Forschungs- und Entwicklungsplattform stellt Wasserstoff bei einem Nenndruck von 350 bar bereit, wie er für die Betankung von Wasserstoff-Lkw und -Bussen verwendet wird (vgl. Fachartikel 'Sonnen- und Windtreibstoff tanken', abrufbar unter www.bfe.admin.ch/CT/H2). Ein aktuelles Projekt befasst sich nun mit Pkw. Diese werden bei einem Nenndruck von 700 bar betankt. Zu diesem Zweck wurde die «move»-Anlage mit einem zusätzlichen Verdichter und einem Vorkühlsystem für den Wasserstoff aufgerüstet. „Unser Projekt will verschiedene technische und rechtliche Fragen für den zuverlässigen und sicheren Betrieb der Tankstellen für Pkw klären“, sagt Urs Cabalzar, bei der Empa verantwortlich für den Forschungsbereich synthetische bzw. strombasierte Kraftstoffe. Das Vorhaben, an dem die H2 Energy AG (Glattpark/Opfikon) und Hyundai als Technologiepartner beteiligt sind, wird vom Bundesamt für Energie im Rahmen seines Pilot- und Demonstrationsprogramms finanziell unterstützt.

Aus technischer Sicht stehen dem Bau von Wasserstoff-Tankstellen keine grösseren Hürden entgegen. Bei den Tankstellen an der Empa und in Hunzenschwil traten seit der Inbetriebnahme in der zweiten Hälfte 2016 zwar die eine oder andere Kinderkrankheit auf (z.B. Lärmbelastung durch Verdichterkolben und das hochfrequente Pfeifen von dessen elektrischem Antriebmotor). Diese Mängel liessen sich aber mit wenig Aufwand beseitigen. Ein Problem, an dessen Behebung die Wissenschaftler noch arbeiten, ist die Vereisung. Bei kaltem und feuchtem Wetter kommt es in seltenen Fällen vor, dass die Zapfpistole am Einfüllstutzen des Fahrzeugs festfriert. Der Grund: Der Wasserstoff muss für die Betankung auf -40 °C vorgekühlt werden (vgl. Textbox 1). Nach Auskunft der Forscher könnten hier verkürzte Schmierintervalle für die Zapfpistole oder geeignete Abdeckungen Abhilfe schaffen.

Sicherheit dank Leckanalyse
Zwecks Anwenderfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit ist es wünschbar, Wasserstoff-Zapfsäulen in bestehende Tankstellen zu integrieren. Das ist bisher nicht ohne Weiteres möglich, weil aus Sicherheitsgründen rund um Wasserstoff-Tanksäulen ein Sicherheitsabstand eingehalten werden muss, in dem sich keine Zündquelle und auch keine zweite Zapfsäule z.B. für Benzin befinden darf. Fachleute bezeichnen diesen Sicherheitsbereich als 'Explosionsschutzzone', kurz 'Ex-Zone'. Empa-Forscher arbeiten nun in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) an einem alternativen Sicherheitskonzept. Die Grundidee: Tritt während der Betankung Wasserstoff in die Umwelt aus, wird der Tankvorgang dank Leckanalyse sofort gestoppt. Technisch funktioniert die Leckanalyse wie folgt: Zu Beginn des Tankvorgangs wird im Innern des Füllschlauchs im Abstand von wenigen Sekunden der Druck zweimal gemessen. Ist der ermittelte Druckunterschied grösser als ein vorgegebener Toleranzwert (z.B. 5 bar), ist ein Leck anzunehmen – der Tankvorgang stoppt automatisch.

Bestehende Zapfsäulen für Wasserstoff sind schon serienmässig mit dem beschriebenen Leckanalysesystem ausgerüstet. Die Empa-Forscher wollen nun mit einer eigens entwickelten Lecktestvorrichtung den von der SUVA geforderten Nachweis erbringen, dass die Leckanalyse robust funktioniert. Gelingt dieser Nachweis, könnten die Ex-Zonen reduziert oder gar abgeschafft werden – damit entfiele ein wichtiges Hindernis zur Integration der Wasserstoff-Zapfsäulen in bestehende Tankstellen.

Messungen mit Eichvorrichtung
Die Arbeit der Empa-Forscher geht über technische Fragen hinaus: So wollen die Wissenschaftler Abklärungen zu rechtlichen Fragen in einem Leitfaden zusammenfassen. Dieser soll in Zukunft Herstellern von Tankstellen, aber auch kantonalen Bewilligungsbehörden als Arbeitsgrundlage dienen. Ein Augenmerk der Empa-Forscher ruht ferner auf der Zuverlässigkeit der Zapfsäulenanzeigen. Damit der Autofahrer nur soviel Wasserstoff bezahlt, wie er getankt hat, muss die Zapfsäule geeicht sein. Zu dem Zweck hat das Eidgenössische Institut für Metrologie (METAS) 2017 eine Eichvorrichtung entwickelt. Diese besteht im Kern aus zwei Hochdruckbehältern, mit denen sich die Masse des getankten Wasserstoffs durch Wiegen (gravimetrische Methode) überprüfen lässt. Die Messungen mit dieser Eichvorrichtung sind für das laufende Jahr geplant.

2019 wollen die Wissenschaftler der Empa und ihre Partner das Forschungsprojekt zu den Wasserstoff-Tankstellen für Pkw abschliessen. Mit ihrer Arbeit stellen sie wichtige Grundlagen für die künftige Nutzung von Wasserstoff-betriebenen Fahrzeugen in der Schweiz bereit. Ob bzw. in welchem Mass sich die Antriebstechnologie am Ende durchsetzen wird, hängt von zusätzlichen Einflussgrössen ab. Elektromobile setzen erneuerbaren Strom über den Elektromotor direkt in Antriebsenergie um und erreichen je nach Ladegeschwindigkeit und Berücksichtigung der Nebenverbraucher im Fahrzeug einen hohen Wirkungsgrad von 50% bis 75% (Well-to-Wheel Betrachtung). Für Wasserstoff-Autos wird der Strom in Wasserstoff verwandelt und dann in Strom rückverwandelt, wobei im Realbetrieb am Rad noch zirka 25% der ursprünglich eingesetzten elektrischen Energie verfügbar sind. „Ein Elektromobil fährt mit derselben Strommenge – abhängig von der Ladezeit – zwei bis dreimal so weit wie ein Wasserstoff-Auto“, sagt Cabalzar. „Trotzdem hat die Wasserstofftechnologie grosse Vorzüge: Mit Wasserstoff kann man viel Energie bei wenig Gewicht speichern, das begünstigt Lösungen bei Langstrecken, Schwerlastverkehr, Flugzeugen oder Schiffen, für welche sich rein batterieelektrische Antriebssysteme nicht eignen.“

  • Die Empa bietet interessierten Gruppen Führungen durch die «move»-Demonstrationsanlage an. Anmeldung bei Urs Cabalzar (urs.cabalzar@empa.ch)
  • Auskünfte zu dem Projekt erteilen Dr. Yasmine Calisesi (yasmine.calisesi[at]bfe.admin.ch), verantwortlich für Pilot- und Demonstrationsprojekte in der BFE-Sektion Cleantech, und Dr. Stefan Oberholzer (stefan.oberholzer[at]bfe.admin.ch), Leiter des BFE-Forschungsbereichs Wasserstoff.

Mit Wasserstoff unterwegs

Sie heissen Hyundai ix35 FCEV, Toyota Mirai oder Honda Clarity Fuel Cell und haben eines gemein: Ihre Antriebsenergie stammt aus Wasserstoff, den sie in einem Tank mitführen und der über eine Brennstoffzelle in Strom verwandelt wird, der den Elektromotor des Autos antreibt. Ein Hyundai ix35 FCEV – um ein Beispiel zu geben – kann bis zu 5,6 kg Wasserstoff tanken und erreicht damit gemäss Herstellerangaben eine Fahrleistung von bis zu 600 km (entspricht der Reichweite von 30 l Diesel bei einem Mittelklassewagen). Da der mitgeführte Wasserstoff gasförmig ist, ist der Tank mit 140 l deutlich grösser als jener eines Dieselautos mit gleicher Reichweite. Der Tank ist auch schwerer, da er einem hohen Druck von 700 bar standhalten muss. Rechnet man das Gewicht von Energiespeichervorrichtung und Antriebsstrang zusammen, schneidet das Elektroauto am schlechtesten ab, gefolgt vom Wasserstoff-Auto und dem Auto mit klassischem Verbrennungsmotor.

Bei der Betankung von Wasserstoff-Autos wird der Treibstoff im Tank auf hohen Druck (abhängig von Umgebungstemperatur und Betankungsmenge über 700 bar) gebracht; dabei entsteht Kompressionswärme. Unter anderem aus diesem Grund würde der Tank ohne Vorkehrungen sehr stark erhitzt und könnte Schaden nehmen. Um dies zu verhindern, wird der Wasserstoff vor der Betankung auf -40 °C abgekühlt. Damit hält sich die Wärmeentwicklung während der Betankung in Grenzen und erreicht je nach Betankungsbedingungen 40 bis 50 °C. Mit der Zeit klingt die Temperatur ab.

Bei der Coop-Wasserstofftankstelle in Hunzenschwil kostet ein Kilogramm Wasserstoff 10.90 Fr.. Damit kommt der gefahrene Kilometer etwa gleich teuer wie mit Benzin oder Diesel. Bei der Empa wurden 2017 1100 kg/Jahr Wasserstoff getankt, in Hunzenschwil waren es 3000 kg/Jahr (ohne Wasserstoff-LkW). Kommerziell interessant wird eine Anlage bei den heutigen Kosten bei 200 bis 300 kg/Tag, schätzen Experten. Dank Skaleneffekten kann diese Zahl in Zukunft allerdings deutlich sinken. 


BFE unterstützt Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturm-Projekte
Das Empa-Projekt zur Klärung technischer und rechtlicher Fragen rund um Wasserstoff-Tankstellen für Pkw gehört zu den Pilot- und Demonstrationsprojekten, mit denen das Bundesamt für Energie (BFE) die Entwicklung von sparsamen und rationellen Energietechnologien fördert und die Nutzung erneuerbarer Energien vorantreibt. Das BFE fördert Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte mit 40% der nichtamortisierbaren, anrechenbaren Kosten. Gesuche können jederzeit eingereicht werden.


©Text: Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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1 Kommentare

Max Blatter

Ein wichtiges Projekt! Dessen Erfolg oder Misserfolg wird wohl mitentscheidend sein in der Frage, ob sich Wasserstoff oder Methan als Energieträger durchsetzen wird (natürlich beides "erneuerbar" erzeugt, z.B. nach dem "Power-to-Gas"-Konzept).

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