Die Veröffentlichung der Energy Watch Group ‚Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft‘ dokumentiert die fatalen Entwicklungen der EPR-Bauprojekte unter den Augen der Europäischen Union.

Energy Watch Group: Neue europäische Atomreaktoren sind finanziell und technisch ein Desaster

(EWG) Der European Pressurized Reactor (EPR), ein Druckwasserreaktor der in den 1990er Jahren als der Anstoss zur Renaissance der europäischen Atomwirtschaft galt, erweist sich als finanzielles und technisches Desaster. Ein neuer Bericht der Energy Watch Group zeigt, dass die von der Nuklearindustrie versprochenen wirtschaftlichen und energetischen Gewinne bei Weitem nicht realisiert wurden.


Bei seinem Staatsbesuch in Indien vereinbarte Frankreichs Präsident Macron mit Indiens Regierungschef Narendra Modi letzte Woche den Verkauf von sechs französischen EPR-Reaktoren für das grösste Atomkraftwerk, geplant in Jaitapur. Unbeachtet bleibt, dass Indien bisher den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben hat. Das Plutonium aus den Reaktoren könnte vollständig, ohne internationale Kontrolle, für den Bau von Atomwaffen eingesetzt werden. Auch energiewirtschaftlich sind alle EPR-Bauprojekte der letzten Jahre hochproblematisch.

Finanzielles und technisches Desaster
Der European Pressurized Reactor (EPR), ein Druckwasserreaktor der in den 1990er Jahren als der Anstoss zur Renaissance der europäischen Atomwirtschaft galt, erweist sich als finanzielles und technisches Desaster. Ein neuer Bericht der Energy Watch Group zeigt, dass die von der Nuklearindustrie versprochenen wirtschaftlichen und energetischen Gewinne bei Weitem nicht realisiert wurden.

Die nach wie vor unvollendeten EPR-Reaktorbauten in Flamanville (Frankreich), Olkiluoto (Finnland) und Hinkley Point C (Grossbritannien) stehen exemplarisch für die Verfehlungen der Atomindustrie. Jahrelange Verzögerungen der Inbetriebnahmen, gravierende Sicherheitsmängel sowie explodierende Baukosten in Milliardenhöhe sind wiederkehrende Merkmale aller bisherigen EPR-Bauprojekte. Nur durch milliardenschwere staatliche Rettungspakete konnte der Weiterbau bisher sichergestellt werden. In Folge dessen erhöht sich der Druck und das Risiko für einen Bankrott vor allem für die französischen Atomkonzerne Areva und EDF. Eine Entwicklung, deren Auswirkungen man bereits beim US-japanischen Atomunternehmen Westinghouse beobachten konnte.

Enorme Last für europäische Steuerzahler
“Die Versprechen von ‚inhärent sicheren‘ EPR-Reaktoren haben sich nicht bewahrheitet, vielmehr wandelte sich die Technologie zu einer enormen Last für europäische Steuerzahler. Es ist höchste Zeit die Atomenergie zu einem Ende kommen zu lassen, sowohl durch einen wirksamen Ausstieg aus laufenden Projekten, als auch durch die Verweigerung von neuen Investitionen.”, äusserte sich Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Co-Autor der Übersichtsstudie. “Erneuerbare Energien sind die sicherste und kostengünstigste Lösung heutzutage. Das Festhalten an Nuklearen Energieträgern entbehrt jeglicher rationaler Argumentation.”

Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung
“Die Sicherheitsrisiken des alternden europäischen Atomkraftwerksparks wachsen stetig. Die neue Generation der EPR-Reaktoren erhöht sogar noch die Bedrohung für die Sicherheit und Finanzen der Bevölkerung. Die nukleare Dreieckbeziehung Fessenheim-Flamanville-Hinkley Point demonstriert eindrücklich die verheerende Verflechtung aus bestehenden und neuen Mängeln.” So Eva Stegen, Co-Autorin der Informationsschrift und Energiereferentin der genossenschaftlichen Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft
Die Veröffentlichung der Energy Watch Group ‚Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft‘ dokumentiert die fatalen Entwicklungen der EPR-Bauprojekte unter den Augen der Europäischen Union:

Fertigstellung lässt auf sich warten
Bisher lässt die Fertigstellung der EPR-Bauprojekte in der EU auf sich warten. So verschob sich die prognostizierte Inbetriebnahme des Hinkley Point C (GB) zu Weihnachten 2017 zuletzt auf 2027. Gleichsam rückte der Termin für Flamanville bereits von 2012 auf 2020. Das finnische AKW Oulkilouto liegt inzwischen 12 Jahre hinter dem geplanten Beginn der Energieproduktion.

Massive Kostenüberschreitungen und Schulden
Massive Kostenüberschreitungen kennzeichnen die EPR-Projekte. Die ursprünglichen Kosten haben sich von jeweils 3 Mrd. Euro auf ca. 10,5 Mrd. Euro bei Flamanville und 8.5 Mrd. Euro bei Olkiluoto, mehr als verdreifacht. Mittlerweile haben sich Schulden in Höhe von 61 Mrd. Euro bei EDF sowie bei AREVA eine Summe von 10 Mrd. Euro angesammelt. Der französische Staat musste AREVA mit 4.5 Mrd. Euro subventionieren. EDF konnte nur noch durch 3 Mrd. Euro Kapitalerhöhung gerettet werden.

70 Mrd. Pfund für Reinigung Sellafield
Im Februar 2013 wurde bekannt, dass die nukleare Reinigung des Atomstandortes Sellafield bis zu diesem Zeitpunkt bereits fast 70 Mrd. Pfund gekostet hatte. Jedes Jahr kommen etwa 1.6 Mrd. Pfund dazu.

Wind- und Solarstrom um die Hälfte günstiger
Die britische Regierung hält am Bau des neuen EPR-Atomreaktors Hinkley Point C fest, obwohl eine nicht veröffentlichte Regierungsstudie belegt, dass Wind- und Solarstrom im Vergleich zu dem geplanten AKW Hinkley Point C um die Hälfte günstigeren Strom erzeugen würden.

Ziviles Atomprogramm entlastet Verteidigungshaushalt
Die treibende Kraft hinter der regierungsseitigen Affinität zur Atomtechnologie ist in der Quersubventionierung des militärischen Atomprogramms zu suchen. Die Wissenschaftler Emily Cox, Phil Johnstone und Andrew Stirling (SPRU, Universität Sussex) haben in einer umfassenden Studie detailliert nachgewiesen, was von militärischer Seite offen kommuniziert, von der Energiepolitik jedoch vehement geleugnet wird: die Aufrechterhaltung des zivilen Atomprogramms entlastet den Verteidigungshaushalt.

Weit entfernt von inhärenter Sicherheit
Von der durch die Atomindustrie beschworenen ‚inhärenten Sicherheit‘ sind die EPR-Projekte weit entfernt. Die entstandenen technischen Problematiken der EPR sind inzwischen irreversibel. Durch schwere Mängel in Boden und Deckel des Reaktordruckbehälters in Flamanville kann ein sicherer Betrieb nicht gewährleistet werden. EU-weite Forschungsprojekte zur vierten Generation von Atomreaktoren sind ein indirektes Eingeständnis für die fehlende inhärente Sicherheit von Atomreaktoren, einschliesslich der EPR.

Gefahr von Terroranschlägen und Cyber-Angriffen
Die Wahrscheinlichkeit für Terroranschläge und Cyber-Angriffe auf Atomkraftwerke wächst zunehmend. Im Atomkraftwerk Hinkley Point C ist die gesamte Reaktorsicherheit über ein digitales Kontrollsystem geregelt. Dies führt nicht nur zu einer hohen Fehleranfälligkeit, sondern macht das System auch extrem empfänglich für digitale Angriffe.

Erneuerbare wesentlich günstiger
Erneuerbare-Energien-Technologien sind wesentlich günstiger, schneller zu installieren und fähig, unschädliche und sichere Energie zu liefern. Eine unlängst veröffentlichte Studie der Energy Watch Group und Lappeenranta University of Technologie (siehe ee-news.ch vom 14.11.2018 >>) belegt nachdrücklich, dass erneuerbare Energien zusammen mit Speichersystemen die völlige Versorgungssicherheit auch ohne Grundlast schaffen können und das zu wettbewerbsfähigen Kosten.

Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft >>

Le désastre de l'industrienucléaireeuropéenne >>

The disasterofthe European nuclearindustry >>

Text: Energy Watch Group

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert