"Doch hier, wo es in manchen Jahren meiner Kindheit über Wochen eine geschlossene Schneedecke gab, ist der Schnee praktisch verschwunden." Anita Niederhäusern

November: Von fehlender Dämmung, Heizkörperthermostaten und seltsamen Fördergeldern

(AN) Der November meinte es gut mit Pellet-, Schnitzel-, Stückgut-, Heizöl- und Gaslieferanten: Temperaturen um den Gefrierpunkt – auch im Mittelland – steigerten die Umsätze. Aber nicht nur die tiefen Temperaturen, auch fehlende Wärmedämmung und Heizkörperthermostate tragen ihr Teil zur Umsatzsteigerung bei.


In unserer Mietwohnung verströmen die Radiatoren wohlige Wärme. Das über 100-jährige Mietshaus wurde vor rund 15 Jahren sanft renoviert, die Fenster ersetzt, die meisten Heizkörper ebenfalls. Und sie sind selbstverständlich auch mit einem automatischen Heizkörperthermostat versehen. Dass einer der alten – ein wahres Schmuckstück – im Eingang nicht entfernt wurde, ist architektonisch begrüssenswert, er muss fast so alt sein wie das über 100-jährige Haus. Doch sobald die Aussentemperaturen unter 10 Grad fallen, heizt er 24 Stunden am Tag munter vor sich hin. Sinken die Aussentemperaturen gegen null Grad, glüht er 24 Stunden. Erdgas sei Dank. Dasselbe gilt für sein Pendant im Badezimmer, dem jede Ästhetik abgeht, sowie einem dritten in einem der Zimmer. Alle drei werden dann so heiss, dass ich mir ab und zu überlege, ob ich wohl mein Halstuch, meine Jacke oder meinen Schal guten Gewissens darauf ablegen soll, könnten sie doch bei diesen Temperaturen Schaden nehmen. Wenn ich daran denke, stelle ich die Klimasünder abends ab und morgens wieder an. Doch eben, daran denken müsste frau. Und überhaupt, da es keine separate Heizabrechnung gibt, nützt diese Tat „nur“ dem Klima und nicht meinem Portemonnaie. Mal abgesehen davon, dass es ab und zu auch vorkommt, dass die Radiatoren auch schon im Sommer bei über 20 Grad warm werden. Sie sehen, il y a du pain sur la planche, wie man auf Französisch sagt, da gibt es noch Spielraum für Verbesserungen …

Ab nächstem Jahr verlegen wir unsere Geschäftsräume in einen sogenannten Co-Working Space, oder etwas einfacher ausgedrückt, in Büroräume mit festen Arbeitsplätzen, die von verschiedenen Kleinfirmen genutzt werden. Durch die ganze Etage verlaufen entlang der Aussenwände knapp über dem Boden schwarze Heizungsrohre mit einem Durchmesser von rund 20 cm. „Die sind leider auch im Sommer ab und zu mal heiss“, erklärte mir der Vermieter. Er sei aber nur für die Vermietung der Räume und nicht für die Haustechnik zuständig, fuhr er fort. Sollten die Energiepreise rasant ansteigen, das ist heute schon klar, wird er seine günstigen Mieten nach oben anpassen müssen und wir werden neue, besser gedämmte Räume mieten. Auf den Charme der alten Räume müssten wir dann schweren Herzens verzichten …

Kürzlich war ich bei Freunden eingeladen, die in einem rund 100-jährigen Stadt-Mehrfamilienhaus wohnen. Die fünf Stockwerkeigentümer haben das Dach und die Heizung saniert, vorbildlich: Eine Pelletheizung unterstützt von einer Kollektoranlage sorgt nun für Wärme. Bei den Fenstern sind sie jedoch einen besonderen Weg gegangen: Ein Handwerker ersetzte ihnen in mühsamer Handarbeit alle einfachen Gläser durch doppelverglaste Scheiben, die er sehr wohl in die dünnen alten Holzrahmen einpasste. Dazu kommen die alten Vorfenster. Für die Bewohner ist der Unterschied zu den einfachen Fensterscheiben deutlich spürbar. Für uns, die wir besser gedämmte Fenster gewohnt sind kaum: Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt überlegen wir uns, wenn wir bei diesen Freunden eingeladen sind, auch mal Skiunterwäsche anzuziehen, um beim Nachtessen nicht zu frieren. Natürlich sind die Hausbewohner frei, sich für eine solche Lösung zu entscheiden. Dass sie aber für diese Art der Fenstersanierung vom kantonalen Amt für Denkmalschutz noch Förderbeiträge erhalten haben, finde ich persönlich schon erstaunlich. Denn das Haus ist nicht mehr denkmalgeschützt. Zumal die Bewohner mit zeitgemässen Fenstern ihren Pelletverbrauch sicher deutlich senken könnten. Ich wurde übrigens in das Vorhaben der Fenstersanierung eingeweiht. Meine Empfehlung für eine bessere Lösung stiess allerdings auf taube Ohren.

Die Liste der Beispiele liesse sich unendlich weiterführen. Ein Zeuge der Auswirkungen der geschilderten Fehlentwicklungen steht ebenfalls in unserer Wohnung: Mein alter Holzschlitten aus meiner Kinderzeit. Nicht, dass der nicht mehr zu gebrauchen wäre. Ein bisschen Fett auf die Kufen und ab in den Schnee. Doch hier, wo es in manchen Jahren meiner Kindheit über Wochen eine geschlossene Schneedecke gab, ist der Schnee praktisch verschwunden. Und so stelle ich meinen Saxophonkoffer auf den Schlitten, der passt da perfekt drauf. Während mein Schlitten von Schneemengen träumt, die er nie mehr unter die Kufen kriegen wird.

Ja, wir haben die Probleme des Klimawandels am Hals. Und gleichzeitig haben wir die Lösungen zur Hand, um diese Problem anzugehen. Warum wir das nicht ernsthafter tun, bleibt mir schleierhaft.

Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin und Herausgeberin von ee-news.ch

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert