Die Klima-Allianz Schweiz lehnt deshalb die Verknüpfung des EU-Emissionshandelssystems mit jenem der Schweiz ab, so wie die Ausgestaltung heute angedacht ist.

Umwelt Allianz: EU-Emissionshandelssystem bringt Bürokratie statt Klimaschutz

(PM) Die am 23.11.17 in Bern von der EU und der Schweiz unterzeichnete Abkommen über die Verknüpfung der beiden Emissionshandelssysteme gibt Anlass zu drei Fragen: Hilft das dem Klimaschutz? Schützt dies die Investitionen der betroffenen Unternehmen? Geben wir damit das Heft an die EU und Emissions-Händler ab?


Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz stellt klar: «Das EU-Emissionshandelssystem bewirkt keine CO2-Reduktionen. Denn der Preis für Emissionsrechte liegt mit unter 10 Euro/t CO2 zu tief und es ist unwahrscheinlich, dass sich dies bis 2030 ändert». Patrick Hofstetter, Leiter Klima & Energie des WWF kritisiert: «Kommt kein CO2-Preissignal bei den betroffenen Firmen an, riskieren diese, Investitionen zu tätigen, welche sich als unwirtschaftlich erweisen, sobald wirksame Instrumente eingeführt werden müssen.»

Georg Klingler, Klimaexperte von Greenpeace, gibt zu bedenken: «Das EU-Emissionshandelssystem ist zum wirkungslosen Tummelfeld von Händlern und Industrielobbyisten verkommen. Mit dem aktuell geplanten Linking schafft die Schweiz wirkungslose Bürokratie und verliert an Einfluss.» Die Klima-Allianz Schweiz lehnt deshalb die Verknüpfung des EU-Emissionshandelssystems mit jenem der Schweiz ab, so wie die Ausgestaltung heute angedacht ist.

Argumentarium gegen die Verknüpfung der Emissionshandelssysteme der EU und der Schweiz

Klimaschutzregulierung nur wenn es etwas nützt

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beabsichtigt, das seit 2013 existierende schweizerische Emissionshandelssystem mit jenem der Europäischen Union (EU) zu koppeln. Eine entsprechende Vereinbarung soll am 23. November 2017 unterzeichnet werden. Da dafür eine Gesetzesänderung notwendig ist, wird das Parlament das letzte Wort haben.

Schweizer Emissionshandelssystem erfüllt Erwartungen klar nicht
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU), das UVEK und auch die Eidgenössische Finanzkontrolle1 haben übereinstimmend festgestellt, dass das aktuelle System unbefriedigend ist. Der Grund liegt jedoch nicht in der mangelnden Liquidität von Emissionsrechten. Die Eidgenössische Finanzkontrolle schreibt dies dem Umstand zu, dass der grösste Emittent (Raffinerie) seinen Betrieb eingestellt hat und deren Emissionsrechte nun den Markt überschwemmen. Ausserdem wurden am Anfang der Verpflichtungsperiode viele günstige Verschmutzungszertifikate aus dem Ausland eingekauft. Deshalb ist der Marktpreis für Emissionsrechte aktuell bei CHF 7.50 pro t CO2 und der finanzielle Anreiz zur Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen klein. Die 54 Teilnehmer werden somit dazu verleitet, klimawirksame Investitionen oder überfällige Ersatzinvestitionen nicht zu tätigen.

EU-Emissionshandelssystem reduziert bis mindestens 2030 keine Emissionen
Im EU-Emissionshandelssystem gibt es ebenfalls einen enormen Überschuss an Emissionsrechten. Er hat dazu geführt, dass die Preise für Emissionsrechte seit Jahren bei EUR 4.5-7.5 pro t CO₂ liegen. EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament haben sich Anfang November 2017 zur Revision des EU-Emissionshandelssystems (EU-EHS) geeinigt. Die beschlossenen Änderungen sind jedoch unzureichend und kommen zu spät: Der Reformkompromiss sieht vor zwischen 2024-2030 ca 2.4-4 Mia. dieser Zertifikate zu löschen. Mit diesen Reformen wird es auch 2030 noch einen Zertifikateüberschuss geben (die Schätzungen über die Anzahl der überschüssigen Zertifikate schwanken zwischen 500 Mio. und 2 Mrd. in 20302). Die Zertifikatspreise werden entsprechend zu niedrig bleiben und stellen somit keinen Anreiz dar für Investitionen in klimaverträglichere Prozesse.

Diese Situation kommt auch daher, dass die EU neben den Klimazielen auch solche für den Anteil erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz festgelegt hat. Letzteres wird aktuell noch weiter verschärft. Die hierfür eingesetzten Instrumente wirken stärker als das Emissionshandelssystem. Deshalb ist der EU-Emissionshandel bis mindestens 2030 nur ein Handelssystem und kein Klimaschutzinstrument. Ein Anschluss der Schweiz erübrigt sich somit. Da

die Schweiz keine sektorübergreifende Ziele für erneuerbare Energien festgelegt hat und auf die Einführung neuer Effizienzinstrumente bisher verzichtet hat, braucht die Schweiz andere wirksame Klimaschutzinstrumente.

Der Einbezug der Luftfahrt in das EU-Emissionshandelssystem ist kein Trost. Denn die Zertifikatspreise sind heute und bis mindestens 2030 so tief, dass dieses nahezu wirkungslos bliebe. Ausserdem werden die Emissionsrechte grösstenteils kostenlos verteilt und interkontinentale Flüge sind vom EU-EHS ausgeschlossen.

Was sind die Alternativen?
Die Schweiz könnte die Kopplung zum EU-EHS zwar vollziehen, aber analog zu den Niederlanden und England einen Mindestpreis für Emissionsrechte festlegen, z.B. in Höhe der Schadenskosten3 von CO2.

Naheliegender ist es, im Rahmen der Totalrevision des CO2-Gesetzes das Schweizer Emissionshandelssystem ersatzlos zu streichen und zum System zurückzukehren, wie es bis 2012 gültig war. Das sind Zielvereinbarungen mit Befreiung von der CO2-Abgabe, so wie es für die anderen Unternehmen auch heute gilt.

Weshalb wurde dieses Abkommen vom UVEK überhaupt angestrebt?
Das UVEK hatte die Kopplung ans EU-System bereits vor mehr als 10 Jahren geplant. Es ging damals darum, dass sich das UVEK die Option des Baus fossilthermischer Kraftwerke offenhalten wollte. Denn das UVEK vertrat den Standpunkt, dass die Schweizer Kraftwerksbetreiber hierfür Emissionsrechte aus der EU kaufen könnten und so die CO2-Bilanz der Schweiz auf dem Papier nicht belastet würde. Seither hat es sich gezeigt, dass das EU-Emissionshandelssystem nie funktioniert hat und mit der Energiestrategie 2050 wurde vom Volk eine Weichenstellung weg von fossilen Energien beschlossen.

Die (scheinbaren) Vorteile einer Kopplung sind somit hinfällig. Die Nachteile bestünden darin, dass die betroffenen Schweizer Unternehmen keine finanziellen Anreize mehr hätten, den wirtschaftlich optimalen Klimaschutzpfad zu begehen und somit die Emissionen zu langsam sinken. Dies muss dann von den anderen Unternehmen und allen anderen Sektoren kompensiert werden und führt zu potentiell «gestrandeten» Investitionen bei den Grossemittenten.

Position der Klima-Allianz
Die Klima-Allianz sieht keinen Klimaschutznutzen im Emissionshandelssystem und lehnt deshalb eine Verknüpfung ab. Einzig die gleichzeitige Einführung eines Mindestzertifikatpreises in Höhe der Schadenskosten könnte den Klimanutzen des Instrumentes sicherstellen.

  • 1 Evaluation der Lenkungswirkung des Emissionshandelssystems https://www.efk.admin.ch/images/stories/efk_dokumente/publikationen/evaluationen/Evaluationen%20(51)/16393BE.pdf
  • 2 https://sandbag.org.uk/2017/11/09/touch-ets-reform-puts-member-states-spotlight/

PDF Klimaschutzregulierung nur wenn es etwas nützt: Argumentarium gegen die Verknüpfung der Emissionshandelssysteme der EU und der Schweiz >>

Text: Klima Allianz

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