Bei der Strategischen Reserve wird nur ein geringer Teil der Stromproduktion bzw. -leistung kontrahiert, der Markteingriff ist im Vergleich zu den umfassenden Mechanismen deutlich geringer.

Übersicht der Bewertung der Marktmechanismen. ©Grafik: Frontier Economics/BFE

BFE: Neue Studie diskutiert Eckpfeiler von schweizerischem Strommarktdesign

(BFE) Im Rahmen der Grundlagenarbeiten für ein neues Strommarktdesign veröffentlicht das Bundesamt für Energie (BFE) eine weitere Studie. Die von Frontier Economics Ltd. im Auftrag des BFE erstellte Studie "Eckpfeiler eines schweizerischen Strommarktdesigns nach 2020" analysiert Massnahmen für die Weiterentwicklung des Marktdesigns.


Sie untersucht die notwendigen ökonomischen Rahmenbedingungen und Marktmechanismen, damit die Versorgungssicherheit in der Schweiz auch mittel- bis langfristig ganzjährig auf einem hohen Niveau garantiert werden kann (im Gegensatz dazu untersucht die am 27. Oktober 2017 publizierte „System Adequacy“-Studie, siehe Link, die Versorgungsicherheit auf der Basis von diversen Szenarien und im Zusammenhang mit den Restriktionen des Übertragungsnetzes). Die Studie bewertet eine Auswahl potentieller Marktmodelle, darunter auch die von der Strombranche vorgeschlagenen Modelle, hinsichtlich ihrer Effektivität zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit, hinsichtlich ihrer Effizienz sowie weiterer Kriterien.

Besonderheit Wasserkraft und hohe Speicherleistung
Das schweizerische Stromversorgungssystem zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus, die bei der Analyse der Versorgungssicherheit berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören der dominierende Anteil der Wasserkraft an der Stromproduktion, die mit 20 GW ausreichende installierte Kraftwerksleistung, die dank Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken gute Kurzfristflexibilität, die hohe netztechnische Integration ins europäische Stromsystem sowie die geringe thermische Stromproduktion.

Aufgrund dieser Ausgangslage analysiert die Studie das derzeitige schweizerische Strommarktdesign und die Verbesserungsoptionen innerhalb des existierenden Energy-Only-Markts (EOM). Sie untersucht und bewertet eine Reihe möglicher den EOM ergänzende Marktmodelle wie Strategische Reserve, dezentrale Leistungsverpflichtung, die von BKW eingebrachte zentrale Kapazitätsauktion, die von Alpiq vorgeschlagenen Contracts for Differences und das von Axpo in die Diskussion eingebrachte Versorgungssicherheits- und Klimamarktmodell.

Wichtigste Schlussfolgerungen der Studie

  • Das derzeitige Marktdesign ist geeignet, Versorgungssicherheit zu gewährleisten: Im derzeitigen EOM-Marktdesign müssen Lieferanten sicherstellen, dass sie ihre Kunden auch dann beliefern, wenn nur wenig Strom am Markt verfügbar ist und die Preise hoch sind. Gleiches gilt für die Kunden: Diese dürfen nur in dem Masse Strom verbrauchen, wie sie vertraglich beziehen dürfen. Werden die Marktakteure diesen Bedingungen nicht gerecht, werden sie über hohe Zahlungen (Ausgleichsenergiepreis) "bestraft". Weiterentwicklungsmassnahmen des EOM umfassen eine verbesserte Informationsbereitstellung zu den Ausgleichsenergiepreisen und eine Verstärkung der Preissignale (Erhöhung der Ausgleichsenergiepreise) in kritischen Situationen. Weiter können die Möglichkeiten verbessert werden, auch kurzfristig, innerhalb eines Tages (Intraday), Strom zu handeln. Die Autoren beleuchten zudem die Rolle der vollständigen Marktöffnung im Zusammenhang mit der Effizienz des EOM. Sie kommen dabei zum Schluss, dass ein wettbewerblich geöffneter Strommarkt die Versorgungssicherheit erhöhen kann, da Nachfrager deutlich stärker in die Mechanismen des Strommarktes eingebunden werden. Durch neue Produkte und Tarifmodelle für die Endverbraucher werden Anreize geschaffen, ihre Nachfrage zu flexibilisieren und damit zur Stabilisierung des Stromsystems beizutragen.

Bewertung der EOM ergänzenden Marktmechanismen:

  • Strategische Reserve ist eine kostengünstige, minimal-invasive Zusatzabsicherung: Eine zentrale inländische Instanz kontrahiert Kraftwerkskapazitäten bzw. Stromerzeugung (im Falle der Schweiz vor allem Speicherwasser), die nur und ausschliesslich in physischen Knappheitssituationen in der Schweiz eingesetzt wird. Es handelt sich hierbei nicht um einen Kapazitätsmarkt, sondern um einen Mechanismus zur Sicherstellung einer Energiereserve in kritischen Situationen. Bei der Strategischen Reserve wird nur ein geringer Teil der Stromproduktion bzw. -leistung kontrahiert, der Markteingriff ist im Vergleich zu den umfassenden Mechanismen deutlich geringer.
  • Umfassende Kapazitätsmechanismen werden auf absehbare Zeit nicht benötigt und sind komplex und teuer: Umfassende Kapazitätsmechanismen zur Beanreizung von Investitionen in Kraftwerksleistung stellen eine erhebliche Intervention in den Markt dar, mit entsprechend grossen Verzerrungen und Risiken für die Funktionsfähigkeit des Marktes, die Kosten des Systems und die Belastung der Verbraucher. Für die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz sind sie auf Basis der derzeitigen und absehbaren Kapazitätssituation nicht erforderlich. Das derzeitige Marktdesign, allenfalls in weiterentwickelter Form, kann die Versorgungssicherheit auch langfristig sicherstellen.
  • Contracts for Differences (CfD) und ein Versorgungssicherheits- und Klimamarktmodell (VKMM) sind nicht geeignet, um die Stromerzeugung in Knappheitssituationen zielgerichtet und kostengünstig zu erhöhen: CfD sind ein pauschaler, über das gesamte Jahr gleich wirkender Anreiz für Stromproduktion. Es werden damit also keine zusätzlichen Anreize zur Vorhaltung von Leistung und Energie im späten Winter und Frühjahr geschaffen, die über die Anreize aus dem EOM hinaus reichen. Das Instrument birgt das Risiko, Verbraucher unnötig finanziell zu belasten. Das VKMM soll die Wirtschaftlichkeit CO2-armer Stromerzeugung in der Schweiz verbessern. Das Instrument setzt allerdings nicht am Kernproblem der Versorgungssicherheit in der Schweiz an: Der Sicherstellung von Energieverfügbarkeit in Knappheitsperioden gegen Ende des Winters und im Frühjahr. Die Vermischung von Klima-, Versorgungssicherheits- und Autarkiezielen führt zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Zusatzkosten.

Die Studie enthält eine ausführliche Zusammenfassung in deutscher und französischer Sprache.

Text: Bundesamt für Energie

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