Für Christian Dupraz, Leiter Wasserkraft, BFE Wasserkraft, braucht die Wasserkraft «als eine unserer wichtigsten Energien in der Schweiz gute, klare und langfristige Rahmenbedingungen». ©Bild: T. Rütti

Welche Rolle kommt neuen Speichertechnologien als mögliche Wettbewerber der Wasserkraft zu?
Antworten dazu lieferte Prof. Rolf Wüstenhagen, Professor für Management Erneuerbarer Energien, IWÖ-HSG. ©Bild: T. Rütti

Geleitet wurde das Powertage-Fachforum vom 2. Juni 2016 von Roman Derungs (links) vom Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband SWV. ©Bild: T. Rütti

«Wasserkraft ist wichtig für die Versorgung, den Handel und das Netz – wie geht es damit weiter?» Mit Fokus auf die Wasserkraft ging Jörg Spicker, Leiter Market Operations, Swissgrid AG, darauf ein. ©Bild: T. Rütti

Welchen Einfluss haben grenzüberschreitende Transaktionen? Welche Anforderungen ergeben sich daraus an Wasserkraftwerke? Antworten gab Dr. Urs Springer, Head Trading & Origination, BKW Energie AG. ©Bild: T. Rütti

Im Rahmen der Powertage in der Messe Zürich setzten sich am 2. Juni 2016 Experten mit der Zukunft der Schweizer Wasserkraft damit auseinander. Gegen 300 Interessierte wohnten dem Fachforum bei. ©Bild: T. Rütti

Wasserkraft im Wettbewerb: Sonne und Wind sind die «neue Grundlast»

(©TR) Bei einem Anteil von 55% an der Stromproduktion bildet die Wasserkraft das Rückgrat der Schweizer Stromversorgung. Die heimische Wasserkraft leidet jedoch unter dem niedrigen Grosshandelspreis für Strom in Europa. Werden Sonne und Wind zur neuen Grundlast? Dies eine Feststellung aus dem Forum «Wasserkraft im Wettbewerb», das am 1. Juni 2016 im Rahmen der Powertage in der Messe Zürich abgehalten wurde.


«Bei der Produktion von Elektrizität aus Wasserkraft ist ein Ausbau anzustreben, mit dem die durchschnittliche inländische Produktion im Jahr 2035 bei mindestens 37’400 GWh liegt», sagte Christian Dupraz vom Bundesamt für Energie (BFE) zu den Grundlagen für den Ausbau der Wasserkraft in der Energiestrategie 2050 (ES2050)  Der Nutzung erneuerbarer Energien soll in ihrem Rahmen nationales Interesse zugesprochen werden, so dass sie bei der Interessenabwägung gleichrangig mit anderem nationalen Interesse behandelt werden kann. Der Leiter Wasserkraft beim BFE führte aus, dass die Förderung Kleinwasserkraft fortgesetzt würde, mittels Investitionsbeiträgen zur Erweiterung und Erneuerung sowie einem Einspeisevergütungsystem bei Neuanlagen. Christian Dupraz nannte die – bei Ausblendung der schwierigen Marktlage – herrschenden guten Rahmenbedingungen, wie

  • hervorragende naturräumliche Voraussetzungen:
  • eine geeignete Topographie
  • ein stabiles Konzessionsregime
  • eine hohe Akzeptanz der Wasserkraft in der Bevölkerung
  • das Förderregime für die Kleinwasserkraft
  • die Sanierung der Wasserkraft wird entschädigt.

Aufgrund der anerkannter Massen schwierigen Marktsituation seien im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zur Energiestrategie 2050 neue Instrumente zum Ausbau und zur Förderung der Wasserkraft aufgenommen worden, namentlich Investitionsbeiträge auch für Grosswasserkraftwerke sowie eine Marktprämie für bestehende Grosswasserkraftwerke, die ihren Strom am Markt unter Gestehungskosten absetzen muss. Was das «Wasserzinsregime» anbelangt, erinnerte der BFE-Vertreter, dass die Regelung von 2010 Ende 2019 ausläuft. Man beachte, dass die letzte Revision noch unter völlig anderem Umfeld erfolgte. Künftig müsse dem abnehmenden Grundversorgungsanteil Rechnung getragen werden, aber auch der Energiestrategie 2050, wonach der Zubau zu fördern sei. Ein neues Regime müsste laut Dr. Dupraz flexibler gestaltet werden und Erfordernisse berücksichtigen wie ein Ausgleich für Betreiber bei schlechter Marktlage sowie die Partizipation des Gemeindewesens bei hohen Preisen, wobei eine gewisse Einnahmesicherheit gewährleistet sein müsse.

Förderungsgrenze der Kleinwasserkraft
Vor wenigen Tagen erst ist der Ständerat auf die Förderuntergrenze der Kleinwasserkraft eingeschwenkt. Hier war das Limit lange Zeit umstritten. Der Ständerat hatte lange 0.3 MW verteidigt, hat dann aber am Dienstag voriger Woche die Untergrenze von 1 MW akzeptiert. Das bedeutet, dass mit Ausnahme von Infrastrukturanlagen (Trinkwasser/Abwasser) und der Möglichkeit des Bundesrates, an bereits genutzten Gewässerstrecken, Ausnahmen zu bewilligen, neue Wasserkraftwerke unter 1 MW nicht mehr gefördert werden können und damit faktisch keine neuen Projekte in diesem Bereich mehr angefangen werden (Anlagen die schon eine Förderzusage erhalten haben, bleiben aber natürlich in der Förderung).

Sonne und Wind - das Rückgrat eines erneuerbaren Energiesystems

Zur Rolle der Wasserkraft in einem künftigen Energiesystem sprach Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen, Direktor Institut für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG). Dabei wartete der Lehrstuhlinhaber Management Erneuerbarer Energien der Universität St. Gallen unter anderem mit folgender These auf: Das Zeitalter der nicht-erneuerbaren Energien geht zu Ende; es hinterlässt uns ungedeckte Hypotheken. Investitionen in den Klimaschutz sind eine Versicherung gegen die globalen Risiken. Man bedenke, dass die Aufnahmekapazität der Atmosphäre etwa 50 mal kleiner ist als die noch verfügbaren Rohstoffe! Und dass die Auslandabhängigkeit schlecht ist für die Handelsbilanz. Ganz zu schweigen von den internen und externen Kosten der Nuklearenergie. Dazu veröffentlichte Prof. Wüstenhagen in der Neuen Zürcher Zeitung einen Bericht mit dem Titel «Finanzielle Kernschmelze der Atomkraft». Sonne und Wind sind der «Backbone» eines erneuerbaren Energiesytems – dadurch steigt der Bedarf an Flexibilität. 2015 wurden immerhin rekordhohe globale Investitionen in erneuerbare Energien getätigt: $ 329 Mrd. Erstmals wurde die Investitionen in erneuerbare Energien vom Ölpreis entkoppelt. 80% der Investitionen in erneuerbare Energien fliessen in Solar- und Windenergie. Sonne und Wind sind die «neue Grundlast».

Das bedeutet für Netzbetreiber Herausforderungen, aber auch Marktchancen. Eine flexible Produktion, die Diversifikation des Portfolios und genaue Prognosen werden tendenziell wertvoller. Eine fluktuierende Produktion heisst nicht automatisch mehr Speicherbedarf, sondern auch Smart Grids & Demand Response. Die Kombination von PV-Anlagen unterschiedlicher Standorte reduziert die Volatilität des Portfolios. Ein weiteres Erfordernis ist die technologische Diversifikation. Die mittelfristigen Aussichten für Speicher verschiedenster Art sind positiv– in den Bergen, im Keller oder auf Rädern.

Markt- und netzseitige Mittelfristmassnahmen

Das Übertragungsnetz der Zukunft – Chancen und Risiken für die Wasserkraft. Keine Frage, unser Stromnetz verändert sich stark und wird auch in Zukunft weiteren Veränderungen unterliegen. Das Zusammenspiel verschiedener Stakeholder im Netz birgt Herausforderungen und Chancen. «Wasserkraft ist wichtig für die Versorgung, den Handel und das Netz – wie geht es damit weiter?» Mit Fokus auf die Wasserkraft ging Jörg Spicker, Leiter Market Operations, Swissgrid AG, darauf ein, und zwar aus Sicht der Übertragungsnetzbetreiber. Swissgrid sorge «für einen diskriminierungsfreien zuverlässigen und leistungsfähigen Betrieb des Übertragungsnetzes». Für einen sicheren Netzbetrieb spiele Speicherkraft eine zentrale Rolle. «Speicherkraft ist die flexible Stromressource der Schweiz. Zudem erbringen Speicherkraftwerke Regelenergie, um kurzfristige Differenzen zwischen Produktion und Verbrauch auszugleichen», so Dr. Spicker. Im Zusammenhang mit der Bewältigung der angespannten Energie- und Netzsituation vom letzten Winter sprach er aber auch über die markt- und netzseitigen Mittelfristmassnahmen, welche gemeinsam mit der Branche, den Behörden und den benachbarten Übertragungsnetzbetreibern nun mit hoher Priorität umgesetzt werden müssen. Das «Strategische Netz 2025» beschreibt den Ausbaubedarf und die Modernisierung des Schweizer Übertragungsnetzes und sieht folgende Massnahmen vor:

  • Behebung erkannter Schwachstellen und Engpässe im Übertragunsnetz  

  • Optimale Einbindung der Schweizer Wasserkraft - «Energie-Batterie»

  • Erhöhung der Schweizer Versorgungssicherheit.

Der Netzausbau ist dringend, doch die heutigen Bewilligungsverfahren dauern zu lange. Besonders kritisch ist offenbar die Leitungssituation im Wallis, wo 37% des in der Schweiz aus Wasserkraft gewonnenen Stroms generiert werden. Dabei kann doch die Schweizer Wasserkraft dank ihrer hohen Flexibilität einen wichtigen Beitrag zur Systemstabilität leisten! In Sachen Marktdesign müssten folgende Bereiche dringend weiterentwickelt werden: Die Stärkung des Preissignals mit einer adäquaten Entschädigung von flexiblen Produzenten oder Konsumenten. Dann eine Optimierung des grenzüberschreitenden Handels sowie ein marktbasierter und regionaler Ansatz von Versorgungssicherheit. Dazu ist auch eine verstärkte Kooperation auf regionaler und europäischer Ebene zu zählen. Und eine Schärfung der Verantwortung aller Marktteilnehmenden.

Empfehlung: den Wasserzins senken und dynamisch gestalten
Warum sind heute Spitzenlast und Grundlast immer häufiger gleich teuer? Warum boomt der Viertelstundenhandel? Was treibt ihn an und was erfordert er? Welchen Einfluss haben grenzüberschreitende Transaktionen? Welche Anforderungen ergeben sich daraus an Wasserkraftwerke? Stellung dazu bezog Dr. Urs Springer, Head Trading & Origination, BKW Energie AG. Wind und Wasser seien, bei Lichte betrachtet, ein gutes Paar: «Wasserkraft gibt es in der Schweiz, Windkraft in Deutschland. Doch die Speicherung von Elektrizität bedingt bei hohem Windaufkommen grenzüberschreitende Transaktionen. Diese wiederum erfordern Transportkapazitäten und Zeit», zitieren wir Dr. Springer. Er empfiehlt dringend, den Wasserzins zu senken und dynamisch zu gestalten. Das Erfolgsmodell der Direktvermarktung müsse auch hierzulande rasch eingeführt werden. Schliesslich seien die Vorlaufzeiten für grenzüberschreitende Transaktionen zu verkürzen. Dr. Springer zufolge funktioniert der Energiehandel als Drehscheibe: «Ausgleich des Energieportfolios über verschiedene Märkte auf der Zeitachse.»

Geleitet wurde das in der Messe Zürich abgehaltene Powertage-Fachforum zur Gegenwart und Zukunft der heimischen Wasserkraft vom 2. Juni 2016 von Roman Derungs vom Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband SWV.

Referate zum Herunterladen

Christian Dupraz, Leiter Wasserkraft, Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, BFE

Prof. Rolf Wüstenhagen, Professor für Management Erneuerbarer Energien, Universität St. Gallen (IWÖ-HSG)

Dr. Jörg Spicker, Leiter Market Operations, Swissgrid AG 

Dr. Urs Springer, Head of Trading & Origination, BKW Energie AG

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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