Aus den oberen Stockwerken des fünfstöckigen Bürogebäudes von Swisscom mit insgesamt 22‘000 m² Bürofläche sehen die Autos auf der Autobahn wie Spielzeugautos aus. ©Bild: Dominique Uldry

Treppen, Lifte und Passerellen türmen sich im Atrium in geordnetem Durcheinander und ähneln damit den urbanen Strukturen vor dem Bürogebäude. ©Bild: Dominique Uldry

Das Atrium, die Lunge des Gebäudes: Ist die CO2-Konzentration zu hoch, öffnen sich Fenster in der Eingangshalle, ein Luftschacht im Untergeschoss und Klappen im Atriumglasdach. Verbrauchte Luft wird durch die Thermik abtransportiert. ©Bild: D. Uldry

Die Klimageräte sind entlang der Aussen- und Atriumsfassade im Brüstungsbereich angeordnet. ©Bild: D. Uldry

Die Brüstungsklimageräte verfügen über hocheffiziente wassergeführte Wärmetauscher, die die eintretende Luft je nach Bedarf entweder aufwärmen oder kühlen können. ©Bild: D. Uldry

Die kleinen Sitzungszimmer, für zwei bis vier Personen, funktionieren als Verbundlüftung: Über eigens für Swisscom angefertigte schallisolierte Wandelemente strömt Frischluft aus den Grossraumbüros in die Sitzungszimmer. ©Bild: D. Uldry

Vom Mitarbeiterrestaurant öffnet sich der Blick in den Wald hinter dem Gebäude. ©Bild: Dominique Uldry

Verweilen auf der Terrasse hinter dem Businesspark. ©Bild: Dominique Uldry

Die mittleren und grösseren Sitzungsräume werden auch über eine CO2-Steuerung gelüftet und sind mit denselben Klimageräten ausgerüstet, wie die in den Fensterbrüstungen. ©Bild: Dominique Uldry

Swisscom Businesspark: Nachhaltige Architektur und hocheffiziente Energietechnik

(©AN) 1700 Arbeitsplätze in einem lichtdurchfluteten Gebäude, gebaut nach dem Minergie-P-eco-Standard. Damit ist der Swisscom Businesspark eines der grössten Minergie-P eco-Gebäude der Schweiz. Sein CO2-gesteuertes, passives Lüftungskonzept ist einzigartig.


Unmittelbar vor dem Gebäude in Ittigen bei Bern braust der Verkehr auf der A1 und der Bahn vorbei. Strassen, Bahngleise und Brücken kreuzen und winden sich in- und übereinander. Aus den oberen Stockwerken des fünfstöckigen Bürogebäudes von Swisscom mit insgesamt 22‘000 m² Bürofläche sehen die Autos auf der Autobahn wie Spielzeugautos aus. Doch auch eine Windung der Aare glitzert, der Blick öffnet sich sowohl auf den Jura als auch auf die Berner Voralpen. Anfang Mai 2014 bezogen hier die ersten Mitarbeitenden ihre Arbeitsplätze, 1700 sind es insgesamt, die von 2000 Personen genutzt werden.

Angenehm transparent
Die Aussenfassade der Stahlbetonkonstruktion besteht aus Glas, unterbrochen von weissen Bändern. Florian Lünstedt, Architekt bei Atelier 5, das für das Gebäude zeichnet: „Die langen Bänder der Fassade spiegelt die Dynamik der Längsbewegung auf der Autobahn und den Bahngleisen wieder. Sie ist aber auch eine räumlich-funktionale Komponente, so haben die Mitarbeitenden eine Brüstung auf Tischhöhe, das heisst, man fühlt sich nicht ausgestellt wie bei einer raumhohen Verglasung, und die Tageslichtnutzung ist optimal“. Er fügt an: „Hätten wir die Fenster ganz nach unten gezogen, würde das für das Tageslicht praktisch nichts mehr zusätzlich bringen.“

Wer in das 125 Meter lange Gebäude eintritt, gelangt in ein riesiges, 18 Meter hohes und bis zu 12.50 Meter breites, Atrium. Beeindruckend! Auch hier treffen wir auf die Fassadenbänder, diesmal sind die Brüstungen mit Lamellen versehen, spezielle Bereiche wie das Restaurant sind raumhoch verglast. Dadurch wird auch der Blick frei in den unmittelbar hinter dem Gebäude angrenzenden Wald. Treppen, Lifte und Passerellen türmen sich hier in geordnetem Durcheinander und ähneln damit den urbanen Strukturen vor dem Bürogebäude.

Die CO2-gesteuerte Lunge
Das Atrium ist die Lunge des Gebäudes. Steigt die CO2-Konzentration über 700 ppm, öffnen sich die Fenster über den zwei Dreheingangstüren in der zweigeschossigen Eingangshalle und hinter dem Gebäude im Untergeschoss ein riesiger Luftschacht. Gleichzeitig öffnen sich im Kranz unter dem Atriumglasdach Lüftungsklappen, so dass die verbrauchte, aufsteigende Luft durch die Thermik abtransportiert wird.

Hier kommen die Fassadenbrüstungen wieder ins Spiel: Auf der Atriumsseite sind sie mit Lamellen versehen, welche im unteren Teil geöffnet sind: Hier gelangt die Frischluft über ein Kanalnetz im Zwischenboden auf Klimageräte in den Grossraumbüros. Die Klimageräte sind entlang der Aussen- und Atriumsfassade im Brüstungsbereich angeordnet. Die Brüstungsklimageräte verfügen über hocheffiziente wassergeführte Wärmetauscher, die die eintretende Luft je nach Bedarf entweder aufwärmen oder kühlen können. Über den Eingängen auf den Etagen sind grosse Abluftboxen montiert, mit denen die verbrauchte Luft wieder nach draussen ins Atrium gelangt und dort über das Atriumdach abtransportiert wird. So wird jede Person pro Stunde mit 45 m³ Frischluft versorgt. Die CO2-Steuerung sorgt zudem dafür, dass nur so viel Frischluft in die Räume gelangt, wie nötig. Somit werden in den Wintermonaten die Arbeitszonen nicht unnötig „überbelüftet“ und damit wird eine Reduzierung der Luftfeuchtigkeit vermieden. Die verbrauchte Luft der WC-Anlagen und von den sogenannten Service Points, an denen dezentrale Drucker stehen, wird direkt abgesaugt; dasselbe gilt für die Verpflegungsnischen mit Aufenthaltsräumen an der Aussenfassade, in denen den Mitarbeitenden Kaffeemaschinen, Kühlschränke, Mikrowellen und anderes zur Verfügung stehen.

300 Sitzungsräume von XS bis XL
Die Grossraumbüros sind in kleinere vierer oder sechser Einheiten eingeteilt. Florian Lünstedt erklärt: „Die fixen Arbeitsplätze befinden sich an der Aussenfassade, die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden, die viel unterwegs sind, sind zum Atrium ausgerichtet.“ Alle verfügen über genügend Tageslicht von der Aussenfassade aber auch vom Atrium her. Von fast allen Arbeitsplätzen aus sehen die Mitarbeitenden durch das Gebäude hindurch Richtung Stadt und Jura, respektive in den Wald hinter dem Gebäude. Sitzecken unterbrechen die Bürostruktur. Auf der Waldseite können die Fenster geöffnet werden.

Zudem wurden mehr als 300 über die Grossräume verteilte Sitzungsräume geschaffen, Swisscom nennt sie Components. Diese verfügen jeweils auf den zwei zu den Fassaden ausgerichteten Seiten über Glaswände, so, dass auch hier der Tageslichtanteil sehr hoch ist. Wer an einer Sitzung keine Blicke von aussen wünscht, kann Vorhänge vorziehen. Pavel Svoboda, Projektleiter von Swisscom für den Businesspark: „Die mittleren und grösseren Sitzungsräume werden auch über eine CO2-Steuerung gelüftet und sind mit denselben Klimageräten ausgerüstet, wie die, die in den Fensterbrüstungen eingesetzt wurden. Die Kleinen, für zwei bis vier Personen, funktionieren als Verbundlüftung: Über eigens für Swisscom angefertigte schallisolierte Wandelemente strömt Frischluft aus den Grossraumbüros in die Sitzungszimmer. Über der Tür befinden sich aktive Überströmelemente, über die die verbrauchte Luft wieder abgeführt werden kann.“

Einzig das Konferenzzentrum und das Mitarbeiterrestaurant verfügen jeweils über eine eigene konventionelle Lüftungsanlage.

Jede Kilowattstunde zählt!
„Mit all den Computern-, Server- und Switchräumen fällt bei uns sehr viel Wärme an, die wir komplett in den Heiz- und Kühlkreis einspeisen“, erklärt Pavel Svoboda. „In den Server- und Switchräumen wird die Wärme über sogenannte wassergeführte Cool-Racks oberhalb der Geräte direkt abgeführt und dem Wärme- und Kühlkreis zu geführt.“ Speziell für Swisscom entwickelt wurden die Servicetische; hierzu führt Pavel Svoboda aus: „Auf den Servicetischen werden Computer und Tablets neu aufgesetzt, sprich mit der neuesten Software ausgerüstet. Dabei fällt viel Wärme an, die direkt unter den Tischen abgenommen und in den Wärmekreislauf eingeleitet wird.“

Die Abwärme aus den Klimaanlagen wird im Sommer soweit sinnvoll zur saisonalen Wärmespeicherung in die 90 Erdsonden mit einer Tiefe von je 150 Meter eingespeist. Das Erdwärmesondenfeld sorgt zusammen mit zwei Wärmepumpe im Untergeschoss des Gebäudes im Winter für die nötige Heizwärme. „Wobei der Wärmebedarf bei uns sehr gering ist“, erklärt Pavel Svoboda, „die Lüftung, die wir mit der atmenden Lunge im Atrium gelöst haben, war die grössere Herausforderung. Zudem verfügen wir über 16 hochmoderne hybride Kühltürme. Die Wärme wird über Rohre in der Dachzentrale mittels kaltem Nebel, der auf die wassergeführten Rohre gesprüht wird, abgekühlt – die Verdunstungskälte wird genutzt. Da wir mit einem Kühltemperaturniveau von 19 bis 23 Grad fahren, sind wir sehr effizient und können das gesamte Gebäude ohne Kältemaschinen kühlen!“ Auf dem Dach wurden 200 kWp Photovoltaikmodule installiert: „Ihre Leistung wird in jedem Fall direkt im Gebäude verbraucht.“

eco-Anforderungen erfüllen
Der Zusatz eco war in einem so grossen Bauvorhaben neben dem Minergie-P-Standard eine zusätzliche Herausforderung. Florian Lünstedt erklärt: „eco hat einen langen Anforderungskatalog. So müssen die Materialien rezyklierbar sein. Unter anderem mit der Stahlkonstruktion der Erschliessungselement und der Alu-Glas-Fassade haben wir diese Anforderungen erfüllt.“ Es wurde zum Beispiel auch Recyclingbeton verbaut, ausser in den Untergeschossen, wo aufgrund der Anforderungen an die Wasserdichtigkeit normaler Beton zum Einsatz kam. Auch beim Innenausbau wurde auf nachhaltige Materialien geachtet. „Eine Herausforderung waren in dem Zusammenhang übrigens die Passerellen, die nicht vor Ort, sondern im Werk lackiert werden mussten, damit die Lösungsmittel nicht im Gebäude freigesetzt werden, „ fügt Florian Lünstedt an.“ Pavel Svoboda erzählt: Auch von der Logistik her war das eine grosse Herausforderung: Sie wurden mit einem Pneukran von der Autobahn her – eine Spur wurde eigens dafür gesperrt – von oben über das Atriumdach direkt ins Atrium gehievt und gleich an Ort und Stelle befestigt.“

Eine weitere Anforderung von eco ist, dass die Materialien trennbar bleiben müssen, damit sie bei einem Gebäuderückbau rezykliert werden können. Pavel Svoboda erklärt das anhand des Dachs: „Wir hätten auf dem Dach lieber eine Bitumenabdeckung gehabt, da diese aber mit dem Beton verklebt wird, mussten wir auf eine Folie ausweichen, die nicht mit der Betonkonstruktion verbunden ist.“

Es werde Licht!
eco verlangt ebenfalls eine genügende Versorgung mit Tageslicht. Die wurde mit dem Tageslicht von aussen und dem Atrium erfüllt. Zudem wird das Licht, zum Beispiel im Atrium, über Lux gesteuert: Sinkt der Lichteinfall über das Glasdach und den Eingang unter 200 Lux, gehen die Lichter automatisch an. Florian Lünstedt erklärt: „Wir haben im Gebäude je nach Funktion des Lichts LED-Leuchten oder Fluoreszenzleuchten eingesetzt. Die Stehleuchten bei den Arbeitsplätzen sind allesamt LED-Leuchten.“ Zudem wurden Lichtelemente im ganzen Gebäude bewusst eingesetzt: In den Gängen der Büros und oberhalb der Sitzungszimmer leuchten zum Beispiel schmale LED-Bänder. An den Stellen der Decken, an denen Lichtakzente gesetzt wurden, kamen grösstenteils Fluoreszenzleuchten zum Einsatz. Die gute Mischung von Tageslicht und diesen Lichtelementen wirkt sehr natürlich.

Architektur versus Energie- und Haustechnik?
Die Energie- und Haustechniker wollen nicht, was die Architekten wollen und die Architekten nicht, was die Gebäudetechnikplaner fordern, das ist ein weit verbreitetes Phänomen. Warum scheint dieser Teufelskreis ausgerechnet beim Swisscom Businesspark durchbrochen worden zu sein? „Zuerst einmal gab es an Minergie-P-eco nichts zu rütteln, diese Vorgabe erhielten wir von Swisscom bereits beim Studienauftragsverfahren, an dem drei Teams aus Architekturbüros, Statikingenieuren und Gebäudetechnikern beteiligt waren. Bereits für unseren Entwurf haben wir das Ingenieurbüro Ernst Basler+Partner ins Boot geholt, das war sicher hilfreich“, erklärt Florian Lünstedt. Pavel Svoboda, der nach dem Auswahlverfahren als Projektleiter für Swisscom tätig wurde, führt weiter aus: „Wir haben aus Zeitgründen auf die Zusammenarbeit mit einem Generalunternehmer verzichtet und die Aufträge selbst einzeln vergeben. Damit gingen wir zwar ein grösseres Risiko ein, aber wir konnten rund ein Jahr Zeit sparen. Der Auftrag für die Architektur ging an Atelier 5 und der für die Gebäudetechnik an Ernst Basler+Partner.“ Entscheidend war danach die Zusammenarbeit während der dreieinhalbjährigen Planungs- und Bauphase: „Ausser mir nahmen jeweils der Gesamtleiter des Planungsteam und dessen Stellvertreter, der Architekt und der Gesamtprojektleiter Gebäudetechnik an den Sitzungen teil. Die wichtigsten Beteiligten sassen so immer wieder am selben Tisch.“

©Text: Anita Niederhäusern

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