Der Prüfstand ist bereits auf Konstruktionen vorbereitet, wie sie beispielsweise für künftige Turbinen von 10 MW und mehr zu erwarten sind. Durch eine Art „Adapter“ könne er Lager mit einem maximalen Aussendurchmesser von 1-6 Metern aufnehmen. ©Bild: SKW

SKF: Weltweit grösster Grosslager - Prüfstand bereit für 10 MW Windturbine

(ee-news.ch) SKF hat im deutschen Schweinfurt gemäss eigenen Angaben das leistungsfähigste Grosslager-Prüfzentrum der Welt eröffnet. Die 40-Millionen-Investition soll helfen, künftige Grosslager dank der Erkenntnisse aus zwei einzigartigen Testständen viel präziser und effizienter als bislang möglich auf ihre späteren Aufgaben zuzuschneiden. Dabei ist der Prüfstand bereits auf Konstruktionen vorbereitet, wie sie beispielsweise für künftige Turbinen von 10 MW und mehr zu erwarten sind.


Im Jahr 1907 erfand der schwedische Ingenieur Sven Wingquist das zweireihige Pendelkugellager, das die Lagerung unzähliger Wellen in den verschiedensten Industriezweigen revolutionierte. Damit begründete Wingquist die weltweite Erfolgsgeschichte von SKF. „Heute, 110 Jahre später, führen wir Sven Wingquists Tradition als innovativer Technologiepionier mit einem bahnbrechenden Meilenstein fort“, so SKF Konzernchef Alrik Danielson.

Software zu weich für die Wirklichkeit
Um Optimierungspotenziale zu erschliessen, werden zwei neuartige Prüfstände die zu testenden Grosslager extremen Belastungen aussetzen. „Wir betreiben diesen Aufwand, weil selbst die modernsten Simulationsprogramme immer noch nicht im Stande sind, sämtliche im praktischen Betrieb auftauchenden dynamischen Prozesse in Grosslagern realitätsgetreu abzubilden“, erläuterte Dr. Victoria Van Camp, im SKF Konzernvorstand zuständig für Technologie-, Geschäfts- und Produktentwicklung. Aus diesem Grund würden aktuelle Grosslager typischerweise mit „konstruktiven Sicherheitsreserven“ gefertigt – ohne dadurch vorzeitige Ausfälle gänzlich ausschliessen zu können. Im realen Einsatz von Grosslagern müsse es also gewisse Phänomene geben, die von den „Ursache-Wirkung-Algorithmen“ der momentan verfügbaren Simulationsmodelle nicht hinreichend berücksichtigt werden. „Solchen Phänomenen wollen wir mit unseren neuen Prüfständen auf die Schliche kommen. Das ist durchaus Grundlagenforschung – selbst nach 110 Jahren noch“, so Van Camp.

Bereit für 10 MW-Turbine
Die handfeste Erforschung dieser Phänomene übernimmt u. a. ein gigantischer Prüfstand für Grosslager mit Schwerpunkt „Windenergie-Anwendungen“. „Er ist der weltweit erste, der nicht nur ein einzelnes Hauptlager für Windturbinen unter besonders relevanten Bedingungen testen kann, sondern gleich eine komplette Lagerungseinheit; also inklusive Komponenten des Kunden“ berichtete Dr. Martin Göbel, als Manager Global Testing bei SKF verantwortlich für das Gesamtprojekt. Dabei sei der Prüfstand bereits auf Konstruktionen vorbereitet, wie sie beispielsweise für künftige Turbinen von 10 MW und mehr zu erwarten seien. Durch eine Art „Adapter“ könne er Lager mit einem maximalen Aussendurchmesser von bis zu sechs Metern aufnehmen. „Ausserdem kann er die riesigen Lager in alle Richtungen dynamisch mit Kräften beaufschlagen, die in ihrer Kombination um ein Vielfaches höher liegen als bei zuletzt stärksten Prüfanlage – von den deutlich höheren Test-Drehzahlen mal ganz abgesehen“, so Göbel.

Rotationsgeschwindigkeiten von über 200 min-1
Im direkten Vergleich mit dem grösseren Prüfstand mag der kleinere zwar weniger „monumental“ aussehen, aber auch er habe es in sich, wie Göbel betonte: „Er treibt Grosslager für Anwendungsgebiete wie den Schiffbau, den Bergbau, die Papierindustrie oder auch den Zement- und Stahlsektor an ihre absoluten Belastungsgrenzen. Zu diesem Zweck entwickelt er Kräfte von gut einem halben Dutzend Meganewton. Das ist etwa so viel wie ein einzelnes Triebwerk der Saturn V-Mondrakete!“ Dabei könne er Rotationsgeschwindigkeiten von über 200 min-1 erzielen. Ausserdem könne er das zu testende Lager den denkbar ungünstigsten Schmierungsbedingungen aussetzen. „Die Analyse der daraus resultierenden Betriebszustände wird uns in die Lage versetzen, die tribologischen Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Schmierungsbedingungen und verschiedenen Lager-Designs bzw. -Materialien unter hochdynamischer Belastung besser zu verstehen“, erklärte der Cheftester von SKF. „Daraus können wir wichtige Erkenntnisse gewinnen, um künftige Grosslager noch viel robuster auszuführen.“

Folterknechte mit „grünem Gewissen“
Auf Basis der Test-Ergebnisse will SKF kommende Grosslager-Generationen so gestalten können, dass deren Herstellung trotz ihrer grösseren Robustheit bzw. trotz ihrer längeren Haltbarkeit weniger Ressourcen verbraucht. „Die enorme Leistungsfähigkeit der neuen Prüfstände hat aber noch weitere Vorteile“, wie der Geschäftsführungsvorsitzende der SKF GmbH, Martin Johannsmann, hervorhob: „Denn dank ihrer Stärke benötigen die Belastungstests nun viel weniger Zeit. Dadurch lässt sich signifikant Energie sparen, zumal wir die neuen Prüfstände mit Wärme-Rückgewinnungsanlagen ausgestattet haben.“ Aus derartigen Gründen hat das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie den grösseren „Stresstester“ mit rund 1,9 Mio. Euro gefördert, während der neue Prüfstand für andere Schwerindustrie-Anwendungen durch das Umweltinnovationsprogramm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit ca. 1,6 Mio. Euro gefördert wurde. „Ich bin beiden Institutionen absolut dankbar dafür, dass sie es unserem Unternehmen ermöglicht haben, diese Pionierleistung in Deutschland zu verwirklichen“, betonte Johannsmann. „Wir begrüssen es sehr, dass die Politik im eigenen Land eine energieeffiziente Zukunftstechnologie vorantreibt, für die es einen globalen Markt gibt.“

Text: ee-news.ch, Quelle: SKF

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Partner

  • Agentur Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ist Ihr Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Energieeffizienz tätig? Dann senden sie ein e-Mail an info@ee-news.ch mit Name, Adresse, Tätigkeitsfeld und Mail, dann nehmen wir Sie gerne ins Firmenverzeichnis auf.

Top

Gelesen
|
Kommentiert