Siemens-Projektleiter Dr. Carsten-Sünnke Berendsen vor dem im Bau befindlichen Turbinenwerk in Cuxhaven. ©Bild: Dierk Jensen

Roland Schneider vom Hafenbetreiber Cuxport erwartet steigende Umsätze durch den Ausbau der Offshore-Windenergie-Aktivitäten in Cuxhaven. ©Bild: Dierk Jensen

Fertig zur Abreise: Turmsegmente vom Hersteller Ambau für den Offshore-Windpark Nordsee One. ©Bild: Dierk Jensen

Cuxhaven: Hot-Spot der deutschen Offshore-Windenergieindustrie

(©DJ) Rumms. Rumms. Wie ein dumpfer Bass ist der Hammer, der im Hafen die Pfähle für einen Kai in den Grund rammt, in der ganzen Stadt zu hören. „Die Euphorie ist hier gross“, schildert Roland Schneider vom Betreiber des Cuxhavener Hafens, Cuxport GmbH, die Stimmung im Ort, „seit sich Siemens entschieden hat, hier seine Offshore-Turbinenfertigung zu errichten, geht ein spürbarer Ruck durch die lokale Wirtschaft."


Der Blick aus dem Büro von Schneider gewährt eine Rundumsicht auf Altes und Neues im Hafen von Cuxhaven. Ganz im Westen steht das zum Museum umgewandelte Auswanderer-Terminal aus Kaisers Zeiten. Davor befindet sich die alte Hafeneinfahrt, wo früher viele Fischerei-Schiffe ein und aus fuhren und die heute allenfalls noch Frachtschiffen passiert werden, die gefrorenen Fisch an Bord haben, der zu Fischstäbchen verarbeitet im Container nach England weitergereicht wird. Statt Trawler und Kutter machen nun Versorgungsschiffe für Offshore-Windparks an der Kaimauer im alten Hafen fest; hier ent- und beladen sie ihre Frachten. Und auf den Kaianlagen von Cuxport steht ein Meer von Autos, die für den Export nach England verladen werden sollen. „Unser Hafen ist auf das Short-Sea-Geschäft spezialisiert, bei uns gibt es nur wenig Containerumschlag. Zudem sind wir Basis-, Service-, Produktions- und bald vielleicht auch wieder Installationsverschiffungsort für die Offshore-Windenergie“, skizziert Schneider die Perspektiven für das multifunktionale Nischenprofil des Hafens. „Unsere Umsätze und Tonnagen sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Deshalb können wir gut damit leben, dass Cuxhaven in den neunziger Jahren, obwohl damals gewünscht, nicht zum Tiefwasser-Containerhafen ausgebaut worden ist“, sagt der Mitarbeiter von der Cuxport GmbH, die derzeit 150 Beschäftigte zählt und zu 25.1 Prozent der Hamburger HHLA und zu 74.9 Prozent dem Logistikunternehmen Rhenus gehören.

Einen kräftigen Schub
Tatsächlich erhofft sich die Hafenwirtschaft vom „Deutschen Offshore-Industriezentrum“, einen Terminus, den der niedersächsische SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies für den Standort Cuxhaven immer gerne wählt, durch den Bau der Siemens-Offshore-Turbinenfabrik und der Produktionserweiterung des Turmherstellers Ambau GmbH in Cuxhaven noch mal einen kräftigen Schub. Nicht zuletzt auch deshalb, weil erwartet wird, dass sich nach Siemens und Ambau noch weitere Zuliefererfirmen aus dem Offshore-Bereich hinterm Elbdeich ansiedeln werden.

Den gesamten europäische Markt bedienen
In direkter Nachbarschaft zu Cuxport liegt die Fertigung der Ambau GmbH. Gabelstapler sausen über das weitläufige Gelände, Turmsegmente stehen aufgereiht für die Verschiffung zum Offshore-Projekt Nordsee One bereit. „Hier können wir wachsen“, sagt Vertriebsleiter Holger Müller bei der Autofahrt über die weite Firmenfläche. In deren Mitte übrigens ein blaues, hoch aufragendes Fertigungsgebäude steht, dass einst vom schillernden und später insolventen Offshore-Akteur Bard errichtet wurde und kürzlich vom Turmhersteller Ambau übernommen wurde. Der Standort biete viele Vorteile. „Wir können hier unseren ganzheitlichen Ansatz, Fundamente als auch Turmsegmente herzustellen, umsetzen“, hebt der Maschinenbauer hervor. „Cuxhaven ist letztlich der einzige Hafenstandort in Deutschland, der infrastrukturell in der Lage ist, den gesamten europäische Markt zu bedienen“, sieht sich Müller mit einem 200-köpfigen Mitarbeiterstab genau am richtigen Ort, um den künftigen Herausforderungen der Offshore-Windenergie Paroli bieten zu können. Sei doch der Preisdruck enorm. So wolle man in Cuxhaven den wöchentlichen Output von vier Turmsegmenten auf zehn bis zwölf Segmente erhöhen. Kein Zweifel: Bei Offshore-Ausschreibungen, bei denen Bieter mit Kilowattstundenpreisen von rund fünf Cent den Zuschlag erhalten, ist der Preisdruck enorm hoch. Ohne eine kontinuierliche, voll ausgelastete Produktion ist das nicht zu schaffen. Was die politischen Rahmenbedingungen aber kaum bieten.

Siemens
investiert 200 Millionen Euro
Davon hat Siemens Wind Power scheinbar genug, würde das Unternehmen doch sonst keine 200 Millionen Euro am Standort Cuxhaven investieren wollen. „Das neue Werk brauchen wir, um die Kapazität zu erhöhen“, erläutert Projektleiter Dr. Carsten-Sünnke Berendsen im Baucontainer unmittelbar neben dem Bauplatz. Seit Sommer letzten Jahres entsteht hier direkt hinter dem Elbdeich auf aufgeschwemmten Flusssediment auf einer Fläche von 5.5 Hektar eine 30 Meter hohe Halle für die Produktion von Siemens-Turbinen grösser sieben Megawatt-Leistung. 200 Bauarbeiter wuseln herum, der Beton fliesst, Lastwagen karren unaufhörlich Materialien auf die Cuxhavener-Baustelle westlich von Ambau, die Tragkonstruktion wächst schnell in Höhe und Breite. Alles liegt voll im Zeitplan.

„Wir errichten hier mit drei Fertigungsstrassen und vielen Schraub-Robotern die effizienteste Offshore-Turbinen-Fabrik der Welt“, freut sich Berendsen auf einen baldigen Produktionsbeginn, der für Mitte 2017 anvisiert ist. „Wir haben hier alles unter einem Dach, auch die Magnetisierung der Permanentmagneten für unsere direktangetriebenen Turbinen wird hier vorgenommen“, fügt Berendsen hinzu. Der 51-Jährige, der für Siemens schon an vielen Orten der Welt gearbeitet hat, verweist zudem ausdrücklich auf die Nähe zum Wasser hin. Die Rampe des N-Ports einem mit Landesmitteln erstellten Kais, ist in Sichtnähe. Mit so genannten Self-Propelled-Modular-Transporter (SPMT) sollen zukünftig sechs Maschinenhäuser innerhalb von neun Stunden in neukonstruierten RoRo-Schiffen, deren Bug sich während der Beladung aufklappen lassen, verladen werden. „Das ist unser Beitrag zur Kostensenkung in der Offshore-Windenergie“, sagt Berendsen und spricht im Bereich Logistik von rund 15 Prozent Kostenersparnis.

Bis zu 1000 Mitarbeiter
Wenn die Produktion nach einigen Monaten auf Volllast hochgefahren sein wird, so Siemens, soll die Belegschaft auf bis zu 1000 Mitarbeiter anwachsen. Für eine Stadt wie Cuxhaven mit 55‘000 Einwohnern ein Riesending, aber auch für einen Konzern wie Siemens kein leichtes Unterfangen, um das passende Personal für diesen Standort zu finden und zu gewinnen. Doch scheut Siemens offenbar keine Mühe, will man doch in Zukunft von Cuxhaven aus die Weltmeere erobern. Obgleich Berendsen nicht exakt verraten mag, wie viele Anlagen pro Jahr das Werk verlassen werden, sollen es doch zumindest „Hunderte“ sein. Wie dem auch sei, Siemens hat sich geostrategisch schon im grossen Stil aufgestellt.

Offshore-Flügel aus England?
Während in der niedersächsischen Hafenstadt die Maschinenhäuser zusammengefügt werden, kommen die passenden Offshore-Flügel aus dem englischen Hull, wo man im Herbst eine funkelnagelneue Blattproduktion in Betrieb genommen hat. Ob Blätter von Hull auch nach Cuxhaven verschifft werden, wo sie dann zusammen mit Maschinenhäusern auf ein Installationsschiff verladen werden, ist dagegen noch Zukunftsmusik. Aber durchaus denkbar. Und sicherlich auch ganz im Sinne von Roland Schneider von der benachbarten Cuxport, würde sich Cuxhaven damit auch als Installationshafen weiterentwickeln. Damit winken weitere Umsätze und Arbeitsplätze. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass auch in der deutschen AWZ der Ausbau der Offshore-Windenergie auch nach 2020 konstant weitergeht. Rumms. Rumms.

©Text: Dierk Jensen

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