Anthony Pratt ist sich der Dringlichkeit einer Lösung bewusst, sieht Paris aber als weniger bedeutenden Meilenstein an. ©Bild: ETH Zürich

COP21: Welche Rolle spielt Pariser Abkommen für Klimawandel?

(©AP/ETHZ) Nach einer Serie erfolgloser Verhandlungen blickt die Welt gespannt auf die 21. UN-Klimakonferenz (COP21), die im Dezember in Paris stattfindet. Die Erwartungen sind hoch, und viele Menschen glauben, dass das Schicksal unseres Planeten vom Ergebnis dieser Verhandlungen abhängt. Doch stimmt das?


Das Kyoto-Protokoll von 1997 ist das erste bedeutende Abkommen, das die Treibhausgasemissionen der Vertragspartner durch verbindliche Länderziele begrenzte. Es galt für den Emissionszeitraum 2008 bis 2012 und verpflichtete die Industrieländer, ihren Ausstoss an Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um fünf Prozent zu senken. Seit das Protokoll 2005 in Kraft trat, versucht man verbindliche Folgeziele zu vereinbaren, die den Temperaturanstieg der Atmosphäre auf maximal zwei Grad Celsius begrenzen.

Ungenügende Verpflichtungen
Grosse Hoffnungen setzten wir auf die Verhandlungen in Bali 2007, allerdings wurde keine Einigung erzielt. 2009 schauten wir nach Kopenhagen – wiederum erfolglos. 2012 einigten sich die Länder in Doha darauf, das Kyoto-Protokoll mit nationalen Verpflichtungen bis 2020 zu verlängern. Diese Verpflichtungen, welche die Länder einseitig beschlossen, waren hinsichtlich des Zwei-Grad-Ziels jedoch klar ungenügend. Nun ruhen alle Hoffnungen auf dem Klimagipfel diesen Dezember in Paris, wo erneut verbindliche Reduktionen beschlossen werden sollen.

Erwartungen an Paris
Seit Monaten bildet sich ein wahrer Rummel um Paris, der sich im Wesentlichen um zwei zentrale Fragen dreht. Erstens: Werden sich die Verhandlungsführer auf neue verbindliche Ziele einigen? Aktuell sieht es ganz danach aus, da genügend Länder, einschliesslich China und die USA, ernsthafte Zusagen (in Form von Reduktionszielen) vorgelegt haben.

Zweitens: Werden diese Ziele ehrgeizig genug sein? Hier scheint die Antwort «nein» zu sein. Extrapoliert man die versprochenen Reduktionsquoten über den laufenden Zeitraum hinaus bis zum Ende dieses Jahrhunderts, zeigt sich, dass diese nicht ausreichen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.

Viele gehen davon aus, dass das Schicksal der Welt davon abhängt, dieses «Nein» in ein «Ja» zu verwandeln. Andere, darunter auch ich, sind sich der Dringlichkeit einer Lösung durchaus bewusst, sehen Paris aber als weniger bedeutenden Meilenstein.

Der Klimawandel – eine Tragödie des Allgemeinguts?
Vertreter der ersten Gruppe verstehen den Klimawandel als eine «Tragik der Allmende» (engl. Tragedy of the Commons), ein Konzept aus der Spieltheorie. Demnach haben alle Beteiligten ein Interesse daran, ihren eigenen Beitrag zum gemeinsamen Verschmutzungsproblem – etwa Treibhausgasemissionen – zu senken, allerdings nur, wenn alle anderen Beteiligten dies ebenso tun. Um Trittbrettfahrer zu vermeiden, sei ein weltweites Abkommen mit durchsetzbaren Emissionszielen unausweichlich, argumentieren sie.

Diese Argumentation geht aber davon aus, dass eine schrittweise Senkung des Treibhausgasausstosses hohe Kosten verursacht. Dies war früher tatsächlich der Fall, gilt heute aber nicht mehr. Erneuerbare Energien können mittlerweile eine zuverlässige Versorgung gewährleisten und das durchaus zu vergleichbaren Kosten wie fossile Brennstoffe. Die Kostenbilanz sieht noch besser aus, wenn man den lokalen Nutzen wie etwa weniger Luftverschmutzung einberechnet. Gleiches gilt für Massnahmen in Industrie und Landwirtschaft, um Ressourcen zu schonen und Emissionen zu senken.

Anreize bestehen
Deshalb haben die meisten Regierungen heute ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Interesse daran, ihre Emissionen auf nationaler Ebene zu senken – dazu benötigen sie kein weltweites Abkommen, das sie zwingt. Dies kurzfristig zu erreichen, ist aber sehr schwierig. Auch wenn fossile Energieträger gegenüber Erneuerbaren keine Preisvorteile mehr bieten, sind sie noch immer leichter zu transportieren, zu lagern und in Tanks zu pumpen, besonders wenn die nötige Infrastruktur bereits vorhanden ist.

Anders sieht es bei den Erneuerbaren aus: Welche Infrastruktur man errichtet und wo, wann und wie man die alten Systeme aus dem Verkehr zieht, und insbesondere welche Regelungen es schaffen, den Privatsektor dafür zu mobilisieren – das alles sind politisch umstrittene Fragen. Daran wird auch das Abkommen von Paris nichts ändern.

Barrieren des Wandels überwinden
Der weltweite Treibhausgasausstoss sinkt nicht annähernd schnell genug; die Menschheit muss deutlich vor 2100 komplett auf fossile Brennstoffe verzichten. Doch die letzten zehn Jahre haben beachtliche technische und institutionelle Innovationen hervorgebracht, die die Basis für schnellere Emissionsreduktionen in den nächsten Jahrzehnten bilden. So sind die Kosten für Wind- und Sonnenenergie schon deutlich gesunken. Genauso wichtig sind aber neue Ansätze für die Projektfinanzierung, die es einfacher machen, das nötige Kapital aufzubringen. Oder transparente Verfahren, um langwierige Rechtsstreitigkeiten bei Bauvorhaben zu vermeiden. Die Schweiz kann einen grossen Beitrag zur Lösung der Klimaproblematik leisten. Dies nicht, weil unsere Treibhausgasemissionen besonders hoch wären, sondern vielmehr wegen unserer Innovationskraft.

Der Rummel um das Treffen in Paris hat bereits ein wichtiges Ergebnis hervorgebracht: Viele Länder widmen dem Klimawandel nun grössere Aufmerksamkeit. Indien etwa stand unter Druck, einen Klimaschutzplan vorzulegen, und hat das nun kürzlich gemacht.

Dekarbonisierung in Entwicklungsländern
Für die Zukunft ist es von grosser Bedeutung, dass die Länder ihre Klimaverpflichtungen nicht nur einhalten, sondern übertreffen. Und das ist ganz klar möglich, wenn Länder wie die Schweiz weiter so schnell Innovationen entwickeln wie bis anhin. Damit sich diese Innovationen weltweit verbreiten, braucht es auch technische und finanzielle Unterstützung für die Dekarbonisierung in Entwicklungsländern – ein Thema, das ebenfalls auf der Agenda steht. Das wichtigste Ergebnis der Verhandlungen in Paris wird denn auch nicht die zu vermeidenden Tonnen CO2 beziffern, sondern die vereinbarten finanziellen Verpflichtungen gegenüber Entwicklungsländern.

©Text: Anthony Patt, Anthony Patt, ETH Zukunftsblog, ETH Zürich

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