Bauphysikers Mark Zumoberhaus, links: Josef Kaufmann, der den Speicher entwickelte und konstruierte. ©Bild: Empa

Die Module des Betonspeichers werden an der Empa in Spezialformen gegossen und härten aus. ©Bild: Empa

Der Speicher selbst besteht aus 24 solchen Modulen, die per Gabelstapler angeliefert werden. Jeder Quader wiegt rund 400 kg und ist von Kupferleitungen durch zogen. ©Bild: Empa

Das Ferienhaus des Bauphysikers Mark Zumoberhaus liegt unweit der Rütliwiese am Vierwaldstättersee. Der Bau-Experte bezeichnet sein Häuschen als «Experimentierhütte». Nun hat er den ersten Beton-Wärmespeicher der Welt. ©Bild: Empa

Nach vielversprechenden Ergebnissen folgte 2011 der erste Labor-Prototyp: ein kleiner Betonblock von 18 x 40 x 50 cm Grösse. Bild: Empa

Empa: Einzigartiges Experiment mit Betonheizung

(©MP/Empa) In Seelisberg im Kanton Uri findet zurzeit ein einzigartiges Experiment statt: Ein Luzerner Bauphysiker lässt in die Garage seines Ferienhauses von Empa-Forschern sechs Kubikmeter Spezialbeton einbauen. Der Beton speichert im Sommer Wärme und gibt sie im Winter nach Bedarf ab. Damit kann das Einfamilienhaus einige Wochen lang beheizt werden – nachhaltig und ökologisch.


„Wir haben in der Schweiz genügend Energie, um warm über den Winter zu kommen», sagt Mark Zumoberhaus, Bauphysiker und Besitzer eines holzverschalten Einfamilienhauses in Seelisberg im Kanton Uri. In seiner Garage bereitet er zusammen mit Empa-Forscher Josef Kaufmann und dessen Team ein spannendes Praxis-Experiment vor. Denn Zumoberhaus ist überzeugt: Es sollte auch in einem 850 Meter über Meer gelegenen Dorf möglich sein, das ganze Jahr über ohne Heizöl oder Erdgas zum Heizen auszukommen. Seine Wärmequelle ist stattdessen die Sonne. Doch wie lässt sich genügend Sommerwärme bis zumWinter konservieren?

Sonnenkollektoren, Speicher und Cheminéeofen
Sein Haus hat Zumoberhaus 2007 mit einer zeitgemässen, jedoch nicht speziell dicken Wärmedämmung ausgestattet. Herzstück ist ein neun Kubikmeter grosser Wasserspeicher, der Wärme im grossen Massstab speichern kann. Der Speicher ist an die Solarkollektoranlage neben dem Haus und einen Holzcheminéeofen angeschlossen. Dadurch wird das Wasser im Sommer auf 85 Grad Celsius erwärmt. Es sorgt dafür, dass der Boiler Warmwasser liefert und im Winter die Bodenheizung läuft. In den Wohnräumen im zweiten Stock herrschen angenehme 20 Grad, für die Schlafzimmer in der ersten Etage reichen 16 Grad.

Nur bis Weihnachten
Die gespeicherte Energie reicht allerdings in der Regel nur bis Weihnachten. Und erst ab Februar ist die Ausbeute aus der Solaranlage wieder gross genug, um Boiler und Wohnräume zu heizen. «Bis Mitte Februar muss ich jedes Mal das Cheminée einfeuern, wenn ich ins Haus komme», erläutert er. Die Temperaturen sinken im Wohnraum auf etwa 15 Grad. Notfalls könnte er Nachtstrom zuschalten, erklärt er. Darauf würde er gern verzichten. Aber wie?

N
eue, noch unerprobte Lösungen
«Das ist meine Experimentierhütte», sagt Zumoberhaus, der beruflich Architekten in Fragen der Bauphysik berät. Meist werden bewährte Lösungen gewünscht. Um Energie zu sparen, so seien sich die meisten Bauphysiker hierzulande einig, müsse die Wärmedämmung der Gebäudehülle möglichst dick sein. Doch Zumoberhaus setzt in seinem privaten Umfeld auf lieber auf neue, noch unerprobte Lösungen.

U
nbelüftete Blechdachkonstruktion
So besitzt sein Haus – wie viele Häuser der Gegend – eine Holzfassade. Doch hat er bei der horizontalen Holzschalung aus Weisstanne auf den üblichen konstruktiven Witterungsschutz – das heisst Vordach und Überstände – verzichtet. Stattdessen sorgt ein gutes Hinterlüftungssystem dafür, dass eingedrungene Feuchtigkeit wieder austrocknet. Die Holzfassade ist Wasser und Wind gleichmässig ausgesetzt und verwittert, ohne Flecken zu bilden. Ein weiteres Experiment war die unbelüftete Blechdachkonstruktion mit einer variablen Dampfbremse.

Diese damals neuartige Folie verhindert im Winter dank erhöhtem Diffusionswiderstand, dass zu viel Feuchtigkeit in die Dachkonstruktion eindringt und Fäulnis verursacht. Im Sommer wird die im Holz gespeicherte Feuchtigkeit dank der variablen Bremse via Umkehrdiffusion in die Wohnräume «zurückgedrängt»: Die Holzkonstruktion trocknet so wieder ganz aus. Zumoberhaus hatte von der von Hartwig Künzel vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik entwickelten Folie und der dazugehörigen Analyse-Software gehört, die hervorragende Resultateversprach. «Es reizte mich herauszufinden, ob sich das in der Praxis bewährt», so Zumoberhaus. Er besorgte sich darum nicht nur die Folie, sondern installierte auch Sensoren und eine Wetterstation, um die Praxisresultate mit den theoretischen Berechnungen zu vergleichen. Seine Resultate, die die Theorie des Fraunhofer-Instituts untermauerten, führten zu einer langjährigen Zusammenarbeit mit Holzbauphysik-Forschern in Deutschland und Österreich.

Betonwärmespeicher im Modulsystem
Auch die Idee mit dem Betonwärmespeicher der Empa begeisterte ihn, als er 2012 in den Medien darüber las. Die Forscher der Empa-Abteilung «Beton/Bauchemie» berichteten, dass sich Betonbauteile, die mit Calcium-Sulfoaluminat-Zement (CSA) hergestellt werden, hervorragend als saisonale Wärmespeicher eignen könnten. Werden die Blöcke im Sommer via Heizschlangen etwa mit Hilfe von Sonnenkollektoren auf 80 Grad erwärmt, gibt das im CSA-Zement enthaltene Mineral Ettringit Wasserdampf ab. Übrig bleibt dehydrierter Beton, in dem die Wärme praktisch verlustfrei «gespeichert» ist.

Im Winter läuft der Prozess umgekehrt: Wasser wird in den trockenen Beton geleitet, vom Ettringit aufgenommen – und schon wird Wärme frei, die über die Heizschlangen abgeleitet und genutzt werden kann. Könnte das die Lösung sein, um die Lücke zwischen Weihnachten und Februar zu schliessen? Nach einem Gespräch mit den Empa-Forschern war Zumoberhaus sicher: Mit diesen Leuten konnte er das Projekt wagen. «Andere Männer in meinem Alter stellen sich einCabrio in die Garage», lacht Zumoberhaus. Er habe sich dafür entschieden, in seiner Garage einen sechs Kubikmeter grossen Betonblock aufzustellen.

Einmalige Chance
Die Empa-Wissenschaftler Josef Kaufmann und Frank Winnefeldfreuen sich darüber: «Die Zusammenarbeit ist eine einmalige Chance für uns, ein System, das sich im Labor bewährt hat, praxistauglich weiterzuentwickeln.» Unterstützung erfuhren sie dabei vom Bundesamt für Energie (BFE) und der School of Engineering der ZHAW. In diesem Frühling schliesslich fuhr das Empa-Team mit dem Schwertransporter und 24 an der Empa gegossenen Betonquadern vor und baute den Blöcke an der Rückwand der Garage ein. Erste Trocknungsversuche des Betonspeichers verliefen positiv, auch wenn er noch nicht auf die vorgesehenen 80 °C aufgeheizt wurde. Zumoberhaus ist von den Vorteilen des Energiespeichers überzeugt: Abgesehen von CO2-Emissionenen bei Transport und Herstellung ist er ökologisch unbedenklich. Und preiswert: Eine Tonne CSA-Beton kostet weit weniger als 400 Franken.

3jährige Textphase
Ist der Betonspeicher in dieser Form nun eine alltagstaugliche Lösung für Hausbesitzer? «Nein», betont Zumoberhaus. Das sei aber gar nicht sein Anspruch. «Für mich ist es einfach ein weiteres Experiment, zu dem ich mich entschlossen habe.» Wenn es nicht klappt, kann er den Wärmespeicher nach der dreijährigen Testphase ausbauen, denn der Betonspeicher ist modular aufgebaut. «Bestimmt aber stellen sich Erkenntnisse ein, die der Forschung zu Energiespeichern und damit der Lösung unserer Energieprobleme dienlich sind», ist Zumoberhaus überzeugt. Es erstaunt deshalb nicht, dass die beiden Empa-Forscher Kaufmann und Winnefeld mit Zumoberhaus bereits über einer praxistauglicheren Lösung brüten.

Wärme speichern im Kristall: So gehts
«Der Wärmespeicher entstand eigentlich aus reiner Neugier», sagt Josef Kaufmann, einer der beiden Erfinder. Bei einer Recherche war er auf die interessanten Eigenschaften des Minerals Ettringit gestossen, dessen Entwässerung sehr viel Wärme bindet. Dies müsste sich doch zur saisonalen Speicherung von Wärme nutzen lassen, dachte er sich. Zur gleichen Zeit forschte sein Kollege Frank Winnefeld an einem KTI-Projekt, aus dem ein besonders schnell härtender Mörtel hervorgehen sollte. Unter den untersuchten Zementen war ein chinesischer CSA-Zement (Kalziumsulfoaluminat-Zement), der in Europa noch Exotenstatus hat. Dieser Zement bildet beim Abbinden (Hydratation) sehr hohe Anteile an Ettringit. Also eine nahezu perfekte Beton-Mischung für einen Wärmespeicher. Ettringit, ein Mineral mit der Summenformel 3 CaO · Al2O3 · 3 CaSO4 · 32 H2O, bindet in seiner Kristallstruktur 32 Moleküle Wasser. Über 80 Grad Celsius gibt der Kristall jedoch den grössten Teil des Wassers wieder ab, und aus Ettringit wird so genannter Meta-Ettringit – die «trockene» Form des Minerals. Dabei bleibt das Material grösstenteils formstabil und kann unter Ausschluss von Feuchtigkeit unbegrenzt gelagert werden. Gibt man Wasser hinzu, verwandelt sich Meta-Ettringit zurück in Ettringit; dabei wird Wärme frei, etwa 600 Kilojoule pro Kilogramm.


Vom Labortisch in die Garage
Als erstes entwickelte Frank Winnefeld mit Hilfe von Phasendiagrammen einen Spezialbeton aus CSA-Zement, Portland-Zement und Gips, der einen maximalen Anteil Ettringit enthält. Dann gossen die beiden Forscher kleine Probezylinder, trockneten sie, befeuchteten sie wieder und analysierten die abgegebene Wärmemenge im Kalorimeter. Nach vielversprechenden Ergebnissen folgte 2011 der erste Labor-Prototyp: ein kleiner Betonblock von 18 x 40 x 50 cm Grösse. Er hatte bereits Bohrlöcher zum schnelleren Durchnässen und eingebaute Kupferrohre, um den Block von innen her auszuheizen (siehe Foto links unten). Die Versuche überzeugten: Giesst man bei Zimmertemperatur Wasser über den Block, dann erwärmt er sich innerhalb einer Stunde auf 80 Grad Celsius. Der Praxisbeweis war erbracht, das Verfahren wurde zum Patent angemeldet. Im Januar 2012 berichtete die «EmpaNews» über das Projekt, Schweizer Fachzeitungen, Internetportale und Tageszeitungen folgten.

«Wir waren sehr erfreut, als sich Mark Zumoberhaus meldete und sich einen Wärmespeicher-Prototyp für sein Haus in Seelisberg wünschte», sagt Empa-Forscher Kaufmann. «Damit bekamen wir die einmalige Chance, einen derartigen Speicher im Massstab 1:1 zu demonstrieren.» Kaufmann entwarf mit seinen Mitarbeitern den modularen Aufbau des Prototyps: 24 einzelne Betonelemente, versehen mit Bohrungen und Wasserlaufrinnen, um den Beton mit Wasser benetzen, und mit Aussparungen für Gabelstapler, um den Speicher ein- und ausbauen zu können. In jeden Block sind Kupferleitungen einbetoniert, die miteinander verbunden werden und durch die im Sommer solar erhitztes Wasser läuft, um den Beton zu trocknen. Im Winter läuft kaltes Wasser durch und befördert die vom Ettringit erzeugte Hydrationsenergie ins Ferienhaus.

Manches ist noch nicht abzuschätzen: Durch die Umwandlung von Ettringit in Meta-Ettringit und wieder zurück können Risse im Betonspeicher entstehen. Erhöhen sie die Speicherleistung, oder bewirken sie das Gegenteil? Entspricht die abgegebene Wärmemenge in der Praxis den Werten aus dem Labor? An welchen Stellen liesse sich die Konstruktion noch optimieren? Im Mai und Juni 2015 floss bereits Solarwärme in den Betonspeicher. Nächstes Jahr wissen wir mehr.



©Text: Martina Peter, EmpaNews; Bilder: Empa

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