Im durchgängig offenen Raum «schweben» drei Ellipsoiden von der Decke; sie beherbergen eine finnische Sauna, eine Bio-Sauna und das Dampfbad. Direkt unter den Wellness-Modulen stehen die Fitness-Geräte zum Trainieren bereit.©Bild: T. Rütti

Den Energieverbrauch von Wellness-Anlagen massiv senken und die verbleibende Energie selber produzieren: Das ist das Konzept der neu gebauten Unit «Solare Fitness & Wellness». ©Bild: T. Rütti

Draufsicht auf die Fitness-Anlage. Unten: Fitnessgeräte, an der Decke hängend: die Saunen. Vorstellbar ist, dass eine solche Anlage in einem Hotelkomplex installiert wird. ©Bild: T. Rütti

Errichtet wurde das Fitness- und Wellness-Center auf der obersten Plattform des NEST-Gebäudes; zwei rund acht Meter hohe Glasfassaden bilden den Blickfang von aussen. ©Bild: T. Rütti

Erst der Praxistest wird zeigen, ob sich die ambitionierten Energieziele erreichen lassen. Die Anlage soll nur mit einem Sechstel der Energie betrieben wreden, die es beim herkömmlichen Betrieb bräuchte. ©Bild: T. Rütti

Herzstück der innovativen Wellness-Technik: CO2-Wärmepumpe und 2000-Liter-Speichertank. ©Bild: T. Rütti

Laut Daniel Huser (suissetec), Mark Zimmermann und Peter Richner (beide Empa) geht Fitness und Wellness üblicherweise auf Kosten der Umwelt, weil dieser Trend grosse Energiemengen verschlingt. ©Bild: T. Rütti

NEST-Unit: Nachhaltige Wellness dank Sonnenenergie

(©TR) Im NEST, dem Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag, ging am 24. August 2017 als Weltneuheit eine Fitness- und Wellness-Anlage in Betrieb, die komplett mit Sonnenenergie und dem sportlichen Beitrag der Nutzer betrieben wird. Massgeblich zum Entstehen der 2.3-Millionen-Anlage beigetragen hat der Schweizerisch-Liechtensteinische Gebäudetechnikverband suissetec.



Blickfang von aussen
Den Energieverbrauch von Wellness-Anlagen massiv senken und die verbleibende Energie selber produzieren: Das ist das Konzept der neu gebauten Unit «Solare Fitness & Wellness». Sie ist jetzt Teil von NEST, der modularen Forschungs- und Innovationsplattform auf dem Campus der Empa in Dübendorf ZH. Errichtet wurde das Fitness- und Wellness-Center auf der obersten Plattform des NEST-Gebäudes; zwei rund acht Meter hohe Glasfassaden bilden den Blickfang von aussen. Der architektonische Entwurf des Architekten Peter Dransfeld ist aber auch im Innern bemerkenswert: In dem durchgängig offenen Raum «schweben» drei Ellipsoiden – NEST-intern «Eier» genannt – von der Decke; sie beherbergen eine finnische Sauna, eine Bio-Sauna und das Dampfbad. Direkt unter den «hängenden» Wellness-Modulen stehen die Fitness-Geräte zum Trainieren bereit. Schon bald darf diese Anlage, die beispielsweise in einem Hotelkomplex installiert werden kann, von den Mitarbeitenden der beiden Forschungsinstitute Empa und Eawag genutzt werden.

Wärme über möglichst grossen Temperaturbereich nutzen
Erst der Praxistest wird zeigen, ob sich die gesteckten ambitionierten Energieziele erreichen lassen: «Wir wollen die Anlage mit einem Sechstel der Energie betreiben, die sie bei herkömmlichem Betrieb bräuchte», sagt Mark Zimmermann, Innovation Manager NEST. Konkret: Die 120‘000 kWh Strom, die die finnische Sauna, die Bio-Sauna und das Dampfbad normalerweise jährlich verschlingen würden, sollen auf sage und schreibe rund 20‘000 kWh gesenkt werden. Die Basis für diese massive Reduktion legt eine Hochtemperatur-CO2-Wärmepumpe der Firma Scheco, die Temperaturen von bis zu 130°C erzeugen kann.

120°C für die finnische Sauna, 90°C für den Dampferzeuger im Dampfbad
Die erzeugte Wärme muss über einen möglichst grossen Temperaturbereich genutzt werden, damit der Betrieb wirklich effizient ist. Dazu ist der jeweilige Bedarf der unterschiedlichen Wellness-Module als so genannte Kaskade aufeinander abgestimmt: Die Wärme wird in einem grossen 2000-Liter-Tank geschichtet gespeichert und für die einzelnen Nutzungen bereit gestellt: 120°C für die finnische Sauna, 90°C für den Dampferzeuger im Dampfbad, 70°C für die Biosauna und schliesslich 50°C bzw. 30°C für die Duschen und die Heizung. Erarbeitet haben diese Energiekonzept Forschende der Empa zusammen mit der NTB Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs und der Hochschule Luzern.

Wärme effizient nutzen, Verluste vermeiden

Durch die Wärmeerzeugung mit der CO2-Wärmepumpe wird der Stromverbrauch bereits um rund zwei Drittel reduziert. Mit zusätzlicher Wärme- und Feuchterückgewinnung aus Sauna und Dampfbad lassen sich zudem die Lüftungsverluste mindestens halbieren. «Dazu kommt ein Steuerungssystem, das auf die konkreten Buchungen der Wellness-Module reagiert und diese nur dann aufheizt, wenn es nötig ist. Und: Eine verbesserte Wärmedämmung sorgt für minimale Transmissionswärmeverluste», so Mark Zimmermann. Um auch die Nordfassade optimal zu nutzen, kommt eine acht Meter hohe Vierfach-Verglasung der Firma Glas Troesch zum Zuge. Mit einem Isolationswert U von 0.3 W/(m2·K) soll diese Fassade im Winterhalbjahr offenbar eine günstigere Wärmebilanz erreichen als eine fünfmal dickere hochisolierte Wand bei gleichzeitig hohem Komfort und Tageslichtanteil.

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Photovoltaikanlagen erzeugen 20‘000 kWh Strom solar
An der Fassade sowie auf dem Dach sorgen drei Photovoltaikanlagen dafür, dass die verbleibenden rund 20‘000 kWh Strom im Jahresdurchschnitt solar erzeugt werden. Die eingesetzten bifacialen Glas-Glas-Module der Firma Meyer Burger wandeln das Sonnenlicht dabei sowohl auf der Vorder- wie auf der Rückseite in elektrische Energie um – reflektiert durch das Material des Dachs bzw. die weisse Verkleidung der Fassade. Ergänzt werden die Photovoltaikanlagen durch eine thermische Solaranlage für das Warmwasser. Und zu guter Letzt tragen auch die Fitness-Benutzer zur Energieproduktion bei, denn die Fitness-Geräte generieren selber Strom; üblicherweise verpufft die in normalen Fitnesscentren generierte Energie. «So lässt es sich nach dem schweisstreibenden Training guten Gewissens in der Sauna entspannen», bemerkte ein Besucher anlässlich der offiziellen Inbetriebnahme der Anlage.

Zukunftsweisendes Projekt «Solare Fitness &
Wellness»
Für die Gebäudetechnikbranche sei das zukunftsweisende Projekt ein Meilenstein, weshalb der Schweizerisch-Liechtensteinische Gebäudetechnikverband suissetec die Realisierung der Unit «Solare Fitness & Wellness» aktiv unterstützt habe, erklärte Daniel Huser. Laut dem suissetec-Zentralpräsidenten «verlangt NEST nach Lösungen, die bisher noch nie gefragt waren». Der Gebäudetechnikverband steuerte immerhin 600‘000 Franken an die Reaslisierung bei. Gärtchendenken könne man sich dabei nicht leisten. Man müsse von Anfang an gemeinsam planen. Im NEST arbeiten Forschung, Wirtschaft und öffentliche Hand zusammen, um neue Technologien, Materialien und Systeme im Bau- und Energiebereich unter realen Bedingungen testen zu können. Das Forschungs- und Innovationsgebäude NEST ist als «Living Lab» konzipiert – mit tatsächlich genutzten Wohnungen und Büroräumen, die gleichzeitig Versuchsumgebungen für Neues sind. Auch im Fall «Solare Fitness & Wellness» ist deshalb die Wellness-Nutzung bloss Mittel zum Zweck: «Unser Ziel ist es, ein energieintensives Bedürfnis wie Wellness komplett mit erneuerbarer Energie abdecken zu können», erklärte Peter Richner, stv. Direktor der Empa und strategischer Verantwortlicher von NEST.

Gesamte Wertschöpfungskette zieht an einem Strick
«In der Unit ‹Solare Fitness & Wellness› arbeiten Vertreter der ganzen Wertschöpfungskette partnerschaftlich zusammen an einer neuen nachhaltigen Lösung – von den Herstellern der Einzelkomponenten über die Gebäudetechniker und die Planer bis hin zum potenziellen Kunden», zeigte sich Peter Richner erfreut. «Schliesslich ist es genau diese disziplinenübergreifende Kooperation und die daraus resultierende Beschleunigung des Innovationsprozesses, die sich NEST auf die Fahne geschrieben hat», so Richner.

Die technischen Aspekte auf einen Blick

Die CO2-Wärmepumpe ist das Herzstück der nachhaltigen Wellnesstechnik, denn: Herkömmliche Wärmepumpen sind in der Lage, Temperaturen von typischerweise 60 °C zu erzielen, da das verwendete Kältemittel ungefähr bei dieser Temperatur kondensiert. Mit Wärmepumpen, die transkritisches CO2 als natürliches Kältemittel verwenden, sind Temperaturen über 100 °C möglich. Druck und Temperatur werden so eingestellt, dass das CO2 weder flüssig noch gasförmig ist, sondern sich im transkritischen Zustand befindet. Dadurch kann die Wärmepumpe die Wärme bei unterschiedlichen Temperaturen abgeben – am besten über einen möglichst grossen Temperaturbereich. Auf einen Nenner gebracht: Die im NEST eingesetzte Wellnesstechnik nutzt die verfügbare Wärme von 120 °C (finnische Sauna) bis hinunter auf 30 °C (Duschwassererwärmung). So erreicht die Wärmepumpe trotz hoher Temperatur eine Leistungsziffer (COP) von etwa 3.

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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