Mit den Condition Monitoring Systemen von Rexroth gewinnen Betreiber schnell einen Überblick über den technischen Zustand ihrer WEA. Neu wird der komplette Antriebsstrang berücksichtigt. ©Bild: Bosch Rexroth AG

Servicearbeiten auf der Gondel einer Windenergieanlage. Neue Condition-Monitoring-Systeme sollen Schäden an Windrädern zuverlässiger vorhersagen und Betrieb und Wartung effizienter machen. ©Bild: REpower Systems AG

Windturbinen: Neue Lösungen für die Zustandsüberwachung

(©SR) Condition Monitoring, die Zustandsüberwachung von Windturbinen, ist ins Hintertreffen geraten. Während früher durchaus einige Betreiber zusätzliche Sensoren in ihren Anlagen installiert haben, um bei verdächtigen Vibrationen des Triebstrangs und drohenden Schäden frühzeitig gegensteuern zu können, denken mittlerweile die wenigsten über eine solche Technik nach.


Wer heute eine neue Anlage kauft, schliesst meistens einen Vollwartungsvertrag mit dem Turbinenhersteller ab und muss sich somit nicht um spätere Schäden und Reparaturen kümmern.

Ansatzpunkt für Einsparungen: Wartung
Doch der Trend könnte drehen, denn mit sinkender Windförderung und wachsender Konkurrenz steigt der Kostendruck in der Branche. Einen wesentlichen Ansatzpunkt für Einsparungen bietet die Wartung, der grösste Einzelposten der Betriebskosten einer Windmühle. Experten glauben daher, dass künftig wieder mehr Betreiber die Instandhaltung auf Basis günstigerer Standardwartungsverträge organisieren – und damit auch auf Condition-Monitoring-Systeme (CMS) zurückgreifen. „Die Zustandsüberwachung kann das Risiko grösserer Schäden senken und helfen, die Instandhaltung zu optimieren. Sie ist daher sinnvoll, wenn kein Vollwartungsvertrag besteht“, sagt Ian-Paul Grimble, Geschäftsführer des Winddienstleisters psm Nature Power Service & Management.

Aber nicht nur der Sparzwang rückt Condition Monitoring wieder stärker ins Blickfeld, sondern auch das Emanzipationsbestreben der Grossbetreiber. Sie übernehmen immer mehr das Ruder in der Windkraft und wollen die Informationshoheit über ihre Mühlen nicht nur den Herstellern überlassen, sondern den Service nach der Gewährleistungszeit in die eigene Hand nehmen. Zur Absicherung setzen sie auch auf Condition Monitoring. „Gerade die Energieversorger verabschieden sich aus der Vollwartung", sagt Holger Fritsch vom CMS-Anbieter Bachmann Monitoring. Gleichzeitig steigt bei dem Unternehmen die Nachfrage nach Überwachungssystemen, vor allem für Windparks auf hoher See. So habe Bachmann im Vorjahr bereits insgesamt 120 Turbinen der beiden Nordsee-Windparks Global Tech I und Trianel Borkum mit Systemen zur Kontrolle des Triebstrangs ausgestattet. Weitere Projekte sollen in Kürze folgen, sagt Fritsch. „Dabei geht es auch um das Monitoring von Türmen und Fundamenten.“

Alarm bei Abweichungen
Andere Komponenten zu berücksichtigen und die Überwachungssysteme weiterzuentwickeln, ist auch notwendig, um den steigenden Ansprüchen in der Windbranche gerecht zu werden. Bisher gängige CMS beschränken sich auf die Überwachung des Triebstrangs. Sensoren an Getriebe, Generator und Lager messen permanent die Frequenz der Bauteile, andere die Qualität des Öls im Ölkreislauf. Wie viel Metallpartikel enthält es, gibt es irgendwo übermässigen Abrieb? Die Messwerte werden per Internet, Satellit oder Telefon an die Leitwarten der Dienstleister oder Betreiber geschickt und dort von Spezialisten mithilfe spezieller Software ausgewertet. Weichen die Schwingungen einer Komponente von den festgelegten Toleranzwerten ab, schlagen die Systeme Alarm. Sie arbeiten bereits recht präzise. 90 bis 95 Prozent der Schäden im Triebstrang werden nach Brancheninformationen erkannt.

Um die Ausfälle noch weiter zu reduzieren, wollen die Firmen als nächstes auch die Rotorblätter, den Turm und das Fundament mit Sensoren ausstatten und in die Überwachung einbeziehen. „Wir wollen die gesamte Anlage in den Blick nehmen. Hierzu untersuchen wir, welche Sensoren für welche Messorte geeignet sind“, sagt Fritsch. In einem letzten grossen Entwicklungsschritt, so schwebt den Entwicklern vor, soll die Zustandsüberwachung dann in die zentrale Steuerung der Turbinen integriert werden. Die Verknüpfung der beiden bisher autark laufenden Systeme könnte Betreibern grossen Nutzen bringen. Die Hoffnung ist, dass sich Anlagen mit den zusätzlichen CMS-Werten noch präziser und effizienter steuern lassen. Ein mögliches Szenario: Starke Böen fegen durch einen Windpark. In der Regel drehen sich die Mühlen jetzt zum Schutz aus dem Wind und stellen die Stromproduktion vorübergehend ein. Fliessen künftig auch CMS-Daten in die Anlagensteuerung und geben für die Komponenten trotz der kritischen Verhältnisse grünes Licht, könnten die Turbinen mit reduzierter Last kontrolliert weiterlaufen. Resultat: Der Windpark produziert mehr Strom und erzielt höhere Erlöse als ohne CMS.

Viel Entwicklungsarbeit vonnöten
Bis die Zustandsüberwachung unmittelbaren Einfluss auf den Betrieb einer Anlage nehmen kann, ist aber noch viel Entwicklungsarbeit vonnöten. Nur wenn die Hersteller CMS mit vertretbarem Aufwand in das Controlling ihrer Turbinen einpassen können, werden sie bereit sein, ihre Anlagensteuerung für CMS zu öffnen. Bis die Probleme gelöst sind, wollen die CMS-Entwickler Datenkombinationen nutzen, um ihre Überwachung zu optimieren. Zu den Vorreitern zählt in dieser Hinsicht das Technologieunternehmen SKF, das sein CMS Windcon bereits mit Prozessdaten aus der Anlagensteuerung erweitert hat. „Damit lassen sich betriebspunktabhängige Phänomene oder Zustandsveränderungen besser einordnen“, sagt SKF-Experte Bernd Bauer.

Auch Bachmann Monitoring will das Verfahren bei Windparks in Brasilien anwenden. Konkret sollen dort Frequenzwerte aus dem Triebstrang der Turbinen mit den sogenannten Scada-Daten der Anlagensteuerungen abgeglichen werden. Scada steht für Supervisory Control and Data Akquisition, ein Computersystem, das Status- und Fehlermeldungen, Ertragsinformationen und Betriebsparameter wie Windgeschwindigkeit und Windrichtung erfasst. Durch die Synchronisierung von CMS und Scada liessen sich leichter Flottenvergleiche anstellen und somit Anlagen mit schlechterer Laufkultur gezielt herausfiltern, sagt Fritsch. „Der Fokus verschiebt sich beim Condition Monitoring allmählich von der reinen Diagnose und Fehlerfrüherkennung zur verstärkten Überwachung und Analyse.“

Systeme zur Eisdetektion integrieren
Die Anlagensteuerung anzuzapfen, ist aber nur ein Weg, um eine breitere Datenbasis für die Zustandsüberwachung zu schaffen. Eine weitere Möglichkeit ist, zusätzliche Werte aus messtechnisch bisher nicht erfassten Komponenten der Turbinen wie den Rotorblättern zu CMS zu addieren. Die hierfür nötige Technik ist im Prinzip vorhanden, wird aber noch nicht für die Zustandsüberwachung genutzt. So können Systeme zur Eisdetektion an Rotorblättern, die mittlerweile diverse Firmen anbieten, ebenso gut in das Condition Monitoring einer Windmühle integriert werden. Bosch Rexroth, Wölfel aus Würzburg oder Fos4X aus München platzieren die elektronischen und faseroptischen Sensoren ihrer Systeme tief im Inneren des Flügels, direkt am Ort des Geschehens. Sobald ein durch Eisansatz schwerer gewordenes Blatt auch nur leicht in Schwingung kommt, meldet die Messtechnik der Anlagensteuerung über spezielle Schnittstellen, dass etwas nicht stimmt.

Strukturüberwachung der Rotorblätter
Warum sollten die Detektoren nur zur Eiserkennung und nicht gleich zur gesamten Strukturüberwachung der Rotorblätter eingesetzt werden? Die Sensoren könnten Schäden schon in der Entstehung erkennen, was sich gerade bei zunehmend grösseren und schlankeren Blättern als lohnenswert erweisen könnte. Denn mit dem Blattwachstum treten Effekte auf, die bisher nicht vorkamen, etwa ein riskantes Flattern der Blattspitzen.

Schnelle Gegenmassnahmen ermöglichen
Auch bei CMS im Triebstrang ist das Entwicklungspotenzial noch nicht ausgereizt. SKF etwa hat ein Zustandsmanagement für Lager namens „SKF Insight“ entwickelt, deren Sensoren nicht wie gewöhnlich am Bauteil messen, sondern in das Lager eingebaut sind. Sie liefen ohne Stromversorgung, seien netzwerkfähig und versendeten ihre Messdaten via Internet und Cloud an die Überwachungszentren, heisst es. Der entscheidende Vorteil der Technik: Die Sensoren könnten winzigste Abweichungen von der definierten Norm deutlich früher erkennen als herkömmliche Messtechnik und schlügen dank ihres kontinuierlichen Daten-Uploads in die SKF Cloud direkt Alarm. Zudem liessen sich die Überwachungsdaten mit der neuen App „SKF Enlight“ überall auch per Handy oder Tablet abrufen. All das soll schnelle Gegenmassnahmen ermöglichen, die die Lager-Gebrauchsdauer sowie die Wirtschaftlichkeit der überwachten Anlage verbessern könnten.

Die Firma 8.2 Monintoring wiederum will Betreibern mit einer neuen Software helfen, ihre Anlage besser zu überwachen. Hersteller rüsteten vor allem Offshore-Anlagen oft mit CMS aus, doch hätten Betreiber nicht immer Zugang zu den Informationen des Systems. „Wir haben unseren Analyseservice und unsere Analysesoftware dahingehend optimiert, dass die Daten des CMS auch parallel im Auftrag des Betreibers ausgewertet werden können“, erklärt 8.2-Geschäftsführer Bernd Hörig. So bekomme der Betreiber zum einen Informationen für das sogenannte Claim-Management innerhalb der Gewährleistungszeit, kann also gezielte Nachforderungen stellen, wenn die Turbine nicht die vereinbarte Leistung bringt. Zum anderen ermögliche die neue Software während der gesamten Betriebsphase eine bessere Datenbasis für die Planung der Instandsetzungseinsätze. Das klingt nach einer relativ einfachen Methode für Betreiber, mehr Verantwortung für ihre Turbinen zu übernehmen, und nach einem recht leichten Einstieg in das für viele immer noch unbekannte Condition Monitoring.

Text: Sascha Rentzing

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