Eine moderne Alstom-Gasturbine vom Typ GT26 ist 12 Meter lang, 406 t schwer und hat eine elektrische Leistung von 326 MW, annähernd soviel wie das Kernkraftwerk Mühleberg. ©Bild: Alstom

Die Schaufeln einer Gasturbine. Auf der Vorderseite sind die Löcher sichtbar, durch die das Kühlgas aus dem Schaufelinnern auf die Oberfläche strömt und dort einen Film bildet, der die Schaufeln von der Hitze des Heissgases schützt. ©Bild: Alstom

Die gelochten Plexiglasscheiben (untere Reihe) simulieren im Experiment von EPFL-Doktorand Alexandros Terzis die innere Wand einer Turbinenschaufel, durch deren Löcher bei der Prallkühlung das Kühlgas strömt. ©Bild: EPFL (GTT)

Prüfender Blick auf eine (abgenutzte) Turbinenschaufel: Dr. Peter Ott erforscht mit seinen Forscherkollegen an der ETH Lausanne neuartige Kühlsysteme für Gasturbinen. ©Bild: Benedikt Vogel

Die Schaufel einer Gasturbine. Auf der linken Seite sind die Löcher sichtbar, durch die das Kühlgas aus dem Schaufelinnern auf die Oberfläche strömt und dort einen Film bildet, der die Schaufel vor der Hitze des Heissgases schützt. ©Bild: Alstom

Alexandros Terzis neben dem Plexisglas-Modell, mit dem er an der ETH Lausanne innovative Kühlverfahren für Schaufeln von Gasturbinen erforscht. ©Bild: EPFL (GTT)

EPFL: Neue Kühltechnik steigert Effizienz von Gasturbinen

(©BV/EPFL) Düsentriebwerke in Flugzeugen und stationäre Gasturbinen zur Stromproduktion beruhen auf einer ausgereiften Technologie. Durch den Einsatz innovativer Kühlsysteme lässt sich die Gasturbine konstruktiv weiter optimieren. An der EPFL Lausanne werden die Grundlagen erforscht, die der Industrie bei der Entwicklung noch effizienterer Gasturbinen helfen.


Gut und gern 1700 Liter Kerosin verbrennen die vier Triebwerke eines Langstreckenflugzeugs vom Typ Airbus A380 auf 100 km. Auf den gut 10’000 km von Frankfurt nach Singapur liegt der Verbrauch dann in der Grössenordnung von 170’000 Litern. Bei solchen Werten können schon kleine Verbesserungen an den Strahltriebwerken relativ viel Treibstoff einsparen. Entsprechend intensiv wird an der energetischen Optimierung von Gasturbinen geforscht. Gasturbinen bilden das Herzstück von Flugzeugtriebwerken, kommen aber auch in stationären Anlagen zum Einsatz, etwa in Gaskraftwerken, die rund um den Globus zur Erzeugung von elektrischem Strom aus Erdgas oder Erdöl genutzt werden.

Gleiches Prinzip
Ob die Gasturbine nun Schub für ein Düsenflugzeug erzeugt oder einen Stromgenerator antreibt – die Anknüpfungspunkte zur Verbesserung des Wirkungsgrades sind in beiden Fällen im Prinzip dieselben: Der Kompressor soll im ersten Schritt mit möglichst wenig Energieaufwand die Luft verdichten. Das Gemisch aus verdichteter Luft und Brennstoff soll dann im zweiten Schritt im Brennraum möglichst vollständig und mit möglichst geringer Bildung an weiteren Schadstoffen (wie Stickoxiden) zu einem Heissgas verbrennen. Wenn der heisse Gasstrahl schliesslich im Turbinenteil entspannt wird, soll die thermische Energie über die Schaufeln der Turbine möglichst effizient in Rotationsenergie umgesetzt werden. Unter dem Strich soll in diesem Prozess aus einer bestimmten Menge Brennstoff möglichst viel Antriebsenergie bzw. Strom entstehen, d.h. die Gasturbine soll einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreichen.

Neue Kühlsysteme in Entwicklung
Ein wichtiger Einflussfaktor für den Wirkungsgrad ist die Kühlung der Turbinenschaufeln. Wenn der Gasstrahl aus der Brennkammer tritt und auf die Turbine trifft, hat dieser bei einem Düsentriebwerk typischerweise gut 1500°C. Solchen Temperaturen halten die Metalllegierungen von Gasturbinen nicht stand. Die Turbinenschaufeln müssen heruntergekühlt werden, typischerweise um rund 600 Grad. Dafür kommen heute hauptsächlich zwei Verfahren zum Einsatz:

  • Bei der internen Kühlung zirkuliert durch Kanäle in den Kühlschaufeln Luft, die unter anderem durch Rippen so verwirbelt wird, dass sie eine möglichst effektive Kühlwirkung entfaltet.
  • Das zweite Verfahren ist die Filmkühlung, eine Weiterentwicklung der internen Kühlung. Hier wird das Kühlgas aus dem Innern der Turbinenschaufel durch Löcher an die Oberfläche geblasen, wo das Gas einen Luftfilm bildet, der die Schaufel von der Hitze des Heissgases abschirmt.

Die Konstruktion effizienter Kühlsysteme ist anspruchsvoll. Doch der Aufwand ist unumgänglich, wollen Ingenieure bei Turbinen eine bestmögliche Energieumwandlung erzielen. Das Kühlungsthema hat damit gerade unter dem Gesichtspunkt der politisch angestrebten Energieeffizienz zusätzliche Aktualität gewonnen. Der Wirkungsgrad einer Gasturbine ist nämlich – so ein physikalisches Gesetz – um so besser, je höher die Temperatur des Heissgases beim Eintritt in die Turbine ist. Dabei zeigen relativ geringe Temperaturerhöhungen einen relativ grossen Effekt: Kann die Turbinen-Eintrittstemperatur um 50 Grad erhöht werden, nimmt die Nutzleistung um 8-9 % zu und der thermische Wirkungsgrad erhöht sich um 2-3 %.

Kühlung verbessern
„Neue Herstellungstechnologien für die Turbinenschaufeln helfen uns, die Kühlung immer weiter zu verbessern“, sagt Dr.-Ing. Marc Henze, Fachmann für Gasturbinen-Kühlung bei Alstom Schweiz. Die Wege, um die Kühlung einer Turbinenschaufel zu optimieren, sind dabei vielfältig. Ein Hauptziel besteht darin, das Kühlsystem so zu konstruieren, dass das Kühlgas in der Turbinenschaufel eine möglichst grosse Kühlwirkung entfaltet. Entscheidend dafür ist unter anderem das Design der Schaufeln, aber auch die Anordnung der Kühlkanäle.

Wertvolles Knowhow aus Lausanne
Alstom beliefert einen weltweiten Markt mit Turbinen unter anderem für Gaskraftwerke. Um konkurrenzfähige Produkte anbieten zu können, sucht die unternehmenseigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Kooperation mit universitären Partnern unablässig nach Verbesserungen. Zur Zeit hat Alstom allein im Bereich Kühlung zehn Projekte am laufen, eines davon mit der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL). Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Prallkühlung, ein drittes Kühlverfahren neben interner Kühlung und Filmkühlung. Bei der Prallkühlung (engl. impingement cooling) hat die Turbinenschaufel eine doppelte Wand. Die innere Wand ist gelocht; aus dem Innern der Schaufel strömt das Kühlgas durch die Löcher und prallt als Strahl auf die Innenseite der äusseren Wand – und kühlt diese ab. Der grosse Vorteil dieser Methode: Sie hat einen sehr guten Wärmeübertragungskoeffizienten. Einfacher ausgedrückt: Man erzielt mit weniger Kühlluft die gleiche Kühlwirkung in der Turbinenschaufel.

Kühlung mit verdichteter Luft
Den Verbrauch an Kühlluft zu senken ist wichtig, denn die Luft zur Kühlung der Turbinenschaufeln wird vom Verdichter am Eingang der Gasturbine abgezwackt. Typischerweise werden heute rund 20 % der verdichteten Luft zur Kühlung der Turbinenschaufeln benötigt. „Unser Ziel ist, diesen Wert deutlich unter 20 % zu drücken“, sagt Dr. Peter Ott, Lehrbeauftragter für thermische Turbomaschinen an der EPFL, der das vom Bundesamt für Energie unterstützte Projekt leitet. „Indem wir dem Verdichter weniger Luft für Kühlungszwecke entziehen, steht mehr verdichtete Luft für den Verbrennungsvorgang zur Verfügung. Die Gasturbine bekommt damit einen höheren Wirkungsgrad.“

Grundlagen der Prallkühlung
Die Prallkühlung für Flugzeugtriebwerke wird seit rund zehn Jahren erforscht. So arbeitet etwa Rolls Royce an entsprechenden Triebwerken. Bei Gaskraftwerken zur Stromproduktion ist das Kühlsystem ebenfalls schon im Einsatz, die wandnahe Integration des Kühlsystems gelangt jedoch erst vereinzelt zur Anwendung und wird weiter an Prototypen getestet. Die Prallkühlung war bis anhin technisch schwer umsetzbar. Erst neue Werkstoffe und Fertigungstechniken von extremer Präzision haben die Voraussetzung zum industriellen Einsatz (speziell die wandnahe Integration) der Prallkühlung geschaffen. Bestand früher die innere Wand aus einem gelochten Blech, das eigens angebracht werden musste, könnten heute die beiden Wände – also die innere, gelochte Wand der Turbinenschaufel und deren Aussenwand – direkt beim Guss hergestellt und so insbesondere auch wandnahe, innovative Kühlschemen realisiert werden. Peter Ott: „Der Entwicklungsaufwand ist zwar erheblich, aber der dadurch erzielte Gewinn beim Temperaturniveau und damit beim Wirkungsgrad der Gasturbinen wird sich auszahlen.“

Durchbruch der Prallkühlung
Ott untersucht an der EPFL mit seinen Forscherkollegen die Grundlagen, die der Prallkühlung zum Durchbruch verhelfen sollen. Die Wissenschaftler wollen die Parameter beschreiben, die die Wirksamkeit der Kühlmethode beeinflussen, also Fragen der folgenden Art: Welches ist die wirkungsvollste Anordnung der Löcher in der inneren Wand der Turbinenschaufel? Bei welchem Abstand zwischen innerer und äusserer Wand tritt die optimale Kühlwirkung ein? Welches ist die optimale Strömungsgeschwindigkeit der Kühlluft (ausgedrückt in der Reynolds-Zahl)?

Turbinenschaufel im Plexiglasmodell
Um diese Fragen zu untersuchen hat der EPFL-Forscher Alexandros Terzis im Rahmen einer von Peter Ott betreuten Doktorarbeit zahlreiche Modelle aus Plexiglas aufgebaut. Diese Modelle bilden Kühlkanäle in einer Turbinenschaufel im Massstab 50:1 nach und dienen dazu, den Kühlvorgang in der Turbinenschaufel detailliert zu untersuchen und seine Parameter quantitativ und mit hoher räumlicher Auflösung zu bestimmen. Als Temperaturindikatoren verwendet der Wissenschaftler thermochromatische Flüssigkristalle. Die dabei erzielten Ergebnisse sind von grosser Relevanz: Die systematischen Messungen für unterschiedliche Geometrien erlauben eine Optimierung der Kühlkanalgeometrie entsprechend unterschiedlicher Auslegungskriterien (z.B. maximale lokale Kühlung, sehr gleichmässige Kühlung, Minimierung des Kühlluftverbrauchs, Minimierung von Druckverlusten). Die sehr hohe räumliche Auflösung der Messergebnisse erlaubt auch eine Validierung von Rechenmethoden, mit denen die Kühlkanäle ausgelegt werden.

Validierungsdaten für Designtools
Solche Ergebnisse aus der Grundlagenforschung der EPFL kann Alstom künftig als Validierungsdaten für seine Designtools zum Bau stationärer Gasturbinen einsetzen. Bedeutsam sind die Ergebnisse auch für den Betrieb von Gaskraftwerken in Teillast. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kraftwerke dazu herangezogen werden, die schwankende Produktion von Solar- und Windstrom flexibel auszugleichen. Die Gasturbine wird in diesem Fall dynamisch geregelt, was völlig neue Anforderungen an den Betrieb stellt. Um hier optimierte Ergebnisse zu erzielen, werden an der EPFL auch Versuche mit verschiedenen Betriebszuständen angestellt.

Breite Anwendungspalette
Anwendung könnten die Resultate aus der Gasturbinen-Forschung in Lausanne auch bei Flugzeugtriebwerken finden. Diese Turbinen arbeiten generell auf einem höheren Temperaturniveau als stationäre Gasturbinen und müssen daher noch stärker gekühlt werden. „Durch die breite Anwendungspalette, die die fortschrittlichen Kühltechniken abdecken, sind die erzielten Fortschritte für das Erreichen der im Rahmen der Energiestrategie 2050 angestrebten Effizienzziele von grosser Relevanz“, sagt Dr.-Ing. Peter Jansohn, Experte für Verbrennungsforschung am Paul Scherrer Institut in Villigen (AG) und Leiter des BFE-Forschungsprogramms Gas- und Dampfkraftwerke ('Kraftwerk 2020').

Weitere Informationen:
Auskünfte zu dem Projekt erteilt Dr.-Ing. Peter Jansohn (peter.jansohn@psi.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Kraftwerk 2020/CCS.

Text: ©Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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