Dr. Timm Kehler, Vorstand Zukunft Erdgas: «Wir stehen zum Ziel, die CO2-Emission bis 2050 um etwa 80% gegenüber 1990 zu reduzieren. Bislang blieb aber die Modernisierungsrate hinter den Erwartungen zurück.» ©Bild: T. Rütti

DEPV-Geschäftsführer Martin Bentele: «Der Pelletbranche ist es in den letzten 10 Jahren gelungen, ein marktreifes und in der Praxis bewährtes System für das Heizen mit Holzpellets zu entwickeln.» ©Bild: T. Rütti

Das Heizkraftwerk der Uniklink Freiburg gehört mitunter zu den grössten seiner Art an deutschen Kliniken und macht den rund 600‘000 m2 grossen Komplex energieautark. ©Bild: T. Rütti

Das Heizkraftwerk der Uniklinik Freiburg verfügt über einen eigenen Gleisanschluss. Jährlich werden rund 7‘000 Tonnen der klimafreundlichen Holzpresslinge für das Klinikum verheizt. ©Bild: T. Rütti

Das Heizkraftwerk Landwasser versorgt den Freiburger Stadtteil Landwasser mit Energie und Wärme. Die BHKW-Module werden mit einer Mischung aus Bio-, Deponie- und Bioerdgas betrieben. ©Bild: T. Rütti

Im Heizkraftwerk Landwasser wurde ein innovatives Holzvergaser-BHKW konzipiert: Anstatt der bisher für Holzvergaser üblichen Holzhackschnitzel verwendet die heutige Anlage Pellets. ©Bild: T. Rütti

Entwickelt wurde das Projekt «Monte Ziego» vom Schweizer Agraringenieur Dr. Markus Bieri. Einsparung: 14,6 Tonnen CO2 gegenüber einer Energieversorgung aus konventionellen Quellen. ©Bild: T. Rütti

12 biodynamisch arbeitende Landwirte liefern mehr als 800‘000 Liter Ziegenmilch. Die Käserei will zu 100% mit nachhaltig erzeugter Energie arbeiten, vor allem aus dem Molkegas und einer Photovoltaikanlage. ©Bild: T. Rütti

Hotelier Bertram Späth: «Strom, Wärme und Kälte werden im Hotel Best Western Victoria ausschliessliche aus regenerativen Energien gewonnen. Auf Wunsch zeigen wird den Gästen Anlagen und Konzept sehr gerne.» ©Bild: T. Rütti

Süddeutschlands Vorzeigebeispiele: Von Pellets-Spitzenlastkesseln bis zu Pellets betriebenen BHKW

(©TR) Die Kombination von Erdgas und Holzpellets weist ein grosses ungenutzes Potenzial auf. Das Pellets-BHKW im Heizkraftwerk Landwasser, der Pellets-Spitzenlastkessel der Heizzentrale für das Uniklinkum Freiburg (D) und das Biogaskonzept der Käserei Monte Ziego sind drei Beispiele, die den Medien auf einer Pressereise in Süddeutschland gezeigt wurden.


Die Pressefahrt wurde durchgeführt, um die Ergebnisse der Studie «Wärmemarkt 2050 – So erreicht Deutschland kosteneffizient das Klimaziel» zu präsentieren, wonach sich bis 2050 und  im Vergleich zu 1990 bis zu 80% an CO2 durch die Kombination von Holzpellets und Erdgas einsparen lassen.

Wie genau die Verbindung von Erdgas und Holzpellets in der Praxis funktionieren kann oder könnte, erörterten am 11. und 12. Juli 2017 Martin Bentele und Timm Kehler vom Vorstand Zukunft Erdgas e.V. sowie weitere Brancheninsider des deutschen Energiebereichs; Bentele ist Geschäftsführer des Deutschen Energieholz- und Pellet-Verbands (DEPV). Der Studie «Wärmemarkt 2050 – So erreicht Deutschland kosteneffizient das Klimaziel» zufolge lassen sich die CO2-Emission im Wärmesektor bis 2050 um etwa 80% gegenüber 1990 reduzieren. «Die deutsche Gaswirtschaft steht zu diesem Ziel und unterstützt seine Umsetzung in die Praxis, doch bislang blieb die Modernisierungsrate im Wärmemarkt hinter den Erwartungen zurück», so Dr. Kehler. Der promovierte Maschinenbauer und Industriedesigner war langjährig in Führungspositionen bei BMW tätig, konzentrierte sich dann auf das Thema Erdgasmobilität und ist heute Vorstand von Zukunft Erdgas e.V. Die Gaswirtschaft strebe nun eine Verdoppelung an, wobei der Wärmesektor im Vergleich zu anderen Sparten wie etwa Verkehr und Strom «gut unterwegs» sei.

Minus 40% CO2 bis 2020
Als Meilenstein wird in der Studie sektorenübergreifend eine CO2-Redktuion bis 2020 um 40% definiert. «Der Wärmesektor wird der einzige Bereich sein, in welchem Deutschland dieses Etappenziel fristgerecht erreichen kann», so Dr. Kehler. Die angepeilte CO2-Reduktion fusst dabei auf drei Säulen:

  • Effizienzsteigerung beim Heizungs- und Gebäudebestand, u.a. durch die Marktdurchdringung der Brennwerttechnik.
  • Brennstoffwechsel von Öl oder Kohle auf klimaschonendes Erdgas.
  • Einbindung von erneuerbaren Energien, vor allem «grünes Gas und Solarthermie».

Ein Muss: Eine CO2-orientierte Förderung der Heiztechnik
Der Studie sowie Zukunft Erdgas e.V. und DEPV zufolge soll und muss die vorgesehene CO2-Einsparung zur eigentlichen Leitgrösse avancieren. Eine CO2-orientierte Förderung der modernen Heiztechnik sei ein Muss. Desgleichen brauche es «Grünes Gas eine faire Chance». Um die Vorgaben nicht zu verpassen, seien die richtigen Rahmenbedingungen alles entscheiden, waren und sind sich die deutschen Energieexperten einig. Inputs kamen auf der Pressereise unter anderem von Dr. Veit Bürger, stv. Leiter, Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e. V. Freiburg, Dr. Thorsten Radensleben, Geschäftsführer badenova AG & Co. KG, Physiker und Pellet-Unternehmer Helmut Schellinger, Klaus Preiser, Geschäftsführer, badenova Wärme PLUS, sowie Martin Buhl, Inhaber, Bio-Ziegenkäserei Monte Ziego.

Die Pelletbranche
generiert kaum noch Wachstum
Martin Bentele zufolge ist es der Pelletbranche in den vergangen 10 Jahren tatsächlich gelungen, ein «marktreifes, in der Praxis bewährtes System für das Heizen mit Holzpellets zu entwickeln». Dieses basiere auf dem europaweit höchsten Angebot an Sägeresthölzern (Späne, Hackschnitzel), die in Sägewerken beim Rundholzeinschnitt in einer Menge von 6 bis 7 Mio. Tonnen pro Jahr anfielen. Und dennoch gebe es aktuell und künftig zu bewältigende Herausforderungen. Der Diplom-Forstwirt steht seit zehn Jahren dem DEPV vor und ist auch Geschäftsführer der Deutschen Pelletinstitut GmbH sowie Vorstandsmitglied des Bundesverbands Erneuerbare Energie e. V. Wörtlich sagte er: «Trotz Marktreife des Systems und trotz hervorragender staatlicher Förderung kann die Pelletbranche heute kaum noch Wachstum generieren.» Das könnte seiner Meinung nach an folgenden Problemfeldern liegen: Eine fehlende Bewertung von Energieträgern und Heizsystemen nach ihrem CO2-Einsparpotenzial; fossile Brennstoffe sind laut DEPV immer noch zu günstig. «Brennwertsysteme auf Basis von Öl und Gas werden weiterhin vom Staat gefördert. Erneuerbare Wärmesysteme werden jeweils bei der staatlichen Kommunikation kaum angemessen berücksichtigt», so Bentele. Die Handwerksbetriebe im Heizungsbau seien ausgelastet und sie verspürten keinen Druck, dem Kunden erneuerbare Heizsysteme anzubieten und sich hierzu fortzubilden. Der DEPV schlägt unter anderem folgende Lösungen zur Problembewältigung und Verbesserung vor:

  • Bepreisung der Energieträger nach ihrer CO2-Bilanz.
  • Kurzfristiger Ausstieg aus der Förderung fossiler Heizsysteme.
  • Deutlich verstärkte Kommunikation der Fördermöglichkeiten für erneuerbare Wärme.
  • Ordnungspolitische Ansätze nach dem Modell EWärmeG in Baden-Württemberg, mit einer Nutzungspflicht auch beim Heizungstausch im Bestand.
  • Ausweitung der Austauschpflicht für 30 Jahre alte Heizungen auf Niedertemperaturkessel.

Mit Pellets betriebenes BHKW
Anschauungsunterricht wurde den Medienvertretern unter anderem im Heizkraftwerk Landwasser geboten, welches den Freiburger Nordwesten mit Energie und Wärme versorgt: Hier betreibt die Firma Badenova Wärme Plus GmbH & Co. Kg seit 1990 eine BHKW-Anlage, deren erzeugte Wärme über ein 15 km langes Nahwärmenetz den Freiburger Stadtteil Landwasser versorgt. Als Brennstoff für die Gasmotoren kam bis 2006 überwiegend Deponiegas einer Mülldeponie zum Einsatz. Doch aufgrund der in den letzten Jahren gesunkenen Deponiegasmenge wurde die Anlange 2011 saniert. Installiert wurden zwei neue BHKW-Module, die seither mit einer Mischung aus Bio-, Deponie- und Bioerdgas betrieben werden. Als zusätzliches Modul wurde nun ein innovatives Holzvergaser-BHKW konzipiert: Anstatt der bisher für Holzvergaser üblichen Holzhackschnitzel verwendet die Anlage Pellets. Diese sind in Brenneigenschaften und Grösse genormt und sorgen so für eine gleichmässigere Vergasung sowie einen geringeren Wartungsbedarf, wurden die Medienschaffenden auf dem Rundgang orientiert. Dazu folgende Eckdaten:

  • Dank des Holzvergasers werden ca. 40% des Wärmebedarfs des Freiburger Stadtteils Landwasser aus erneuerbaren Energien abgedeckt.
  • Der Anteil an regenerativ erzeugter Wärme wurde somit um 15% erhöht.
  • Insgesamt macht die durch die Holzvergaseranlage erzeugte Wärmemenge 6% des gesamten Wärmebedarfs aus.
  • Die thermische Leistung beträgt 220 bis 250 kW, die elektrische Leistung 180 bis 190 kW.

Pellets und Erdgas für die Uniklinik Freiburg/D
Von 30‘000 Tonnen Steinkohle im Jahre hin zu 45‘000 Tonnen CO2-Einsparung jährlich: Wenn ein solcher Klimaerfolg nicht für positive Schlagzeilen sorgt! Dr. Kehler von Zukunft Erdgas e. V. wörtlich: «Das Uniklinkum Freiburg hat mit der Umstellung seines Heizkraftwerks auf Erdgas und Holzpellets im Jahre 2011 von sich reden gemacht.» DEPV-Geschäftsführer Bentele ergänzte: «Für Freiburg war diese Einzelmassnahme ein sehr grosser Schritt zur ‹Green City›, konnte doch der gesamte CO2-Ausstoss der Stadt auf einen Schlag um 5% verringert werden.» Die Holzpellets – eine übergrosse Sonderanfertigung für den umgerüsteten Steinkohlekessel – kommen per Eisenbahn aus dem nahegelegenen Pelletwerk in Kehl: das Heizkraftwerk der Uniklinik Freiburg verfügt über einen eigenen Gleisanschluss. Jährlich werden rund 7000 Tonnen der klimafreundlichen Holzpresslinge für das Klinikum verheizt. Das entspricht 10% des Energiebedarfs, die anderen 90% werden durch Erdgas abgedeckt. Nachhaltigkeit gehört zum Leitbild des Universitätsklinikums, das seinen Gesamtbedarf von 165‘000 kWh an Strom und Wärme möglichst klimafreundlich erzeugen möchte. Dazu wird Abwärme aus Abluft gewonnen, die nun ein Niedertemperaturfernwärmenetz sowie neuartige Kältemaschinen speist. Mit der Leistung des Heizkraftwerks könnten theoretisch 25‘000 Haushalte mit Wärme, 35‘000 Haushalte mit Strom und 45‘000 Kühlschränke mit Kälte versorgt werden. Fakten zur Anlage:

  • Das Heizkraftwerk der Uniklink Freiburg gehört mitunter zu den grössten seiner Art an deutschen Kliniken und macht den rund 600‘000 m2grossen Komplex energieautark.
  • Zu 90% wird Erdgas eingesetzt, zu 10% Holzpellets für die Spitzenlast.
  • Zwei Festbrennstoffhochdruckkessel (früher für Steinkohle, heute für Holzpellets) mit rund 65 MW stehen zur Verfügung.
  • Zwei Gas-/Öl-Kombihochdruckkessel (110 MW).
  • Ein Gas-/Öl-Kombiniederdruckkessel (15 MW).

Energie aus Abfallstoff gewinnen: Käserei Monte Ziego
In Teningen ist die auf Ziegenmilch spezialisierte Käserei Monte Ziego dabei, sich zu 100% aus erneuerbaren Quellen selbst zu versorgen. Dazu wurde gesamten Produktionsprozess optimiert: Die Abwärme der Kälteanlage erwärmt das Wasser für die Milchverarbeitung, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach der Käserei erzeugt emissionsfreien Strom. Deutschlandweit einzigartig ist die Biogasanlage: Aus Molke, einem Abfallprodukt der Käseproduktion, entsteht hier hochwertiges Biogas. Konventionelle Käsereien benötigen viel Energie, weil sie Milch und Endprodukte sowohl kühlen müssen als auch Wärme benötigen, um Käse herzustellen. Geben die Ziegen im Winter weniger Milch, können die Betreiber das BHKW mit Biogas befeuern. Kälte stammt von einer klimafreundlichen Absorptionskältemaschine. Stolz ist man auf das Konzept, welches gerade Kunden von Biolebensmitteln entgegenkommt; diese Kundschaft orientiert sich stark an Kriterien der Nachhaltigkeit. Dazu ein paar Angaben:

  • Die Käserei hat zum Ziel, zu 100% mit nachhaltig auf dem Betriebsgelände erzeugter Energie zu arbeiten, vor allem aus dem Molkegas und einer Photovoltaikanlage.
  • 12 Demeter-Höfe, also biodynamisch arbeitende Betriebe mit über 1‘200 Ziegen liefern mehr als 800‘000 Liter Ziegenmilch.
  • Bereits im ersten Jahr verwendete die Biogasanlage ca. 365 m3Molke und produzierte ca. 9100 m3Methan. Das entspricht einer Leistung von 90‘800 kWh.
  • Pro Jahr werden rund 14.6 Tonnen CO2 gegenüber der Energieversorgung aus konventionellen Quellen eingespart.

Abfallprodukte in Energie verwandeln
«Monte Ziego ist es gelungen, mit einem innovativen Verfahren Abfallprodukte in Energie zu verwandeln (siehe ee-news.ch vom 13.7.17 >>). Das beispielhafte Engagement zeigt, wie kleine und mittelständische Unternehmen die Energiewende im eigenen Betrieb voranbringen können», lobte die Wettbewerbsjury unlängst das Projekt, dem sie einen der beiden «Georg Salvamoser Preise 2017» verliehen hatte. Entwickelt wurde das Projekt «Monte Ziego» von Agraringenieur Dr. Markus Bieri aus Rüschlikon ZH. Der verliehene Preis wird gemeinsam von der deutschen Stadt Freiburg und der Georg-Salvamoser-Stiftung ausgelobt. Der zweite Hauptpreise ging übrigens an den Solarpionier Josef Jenni (Oberburg BE) für das Projekt «100% solarbeheiztes Mehrfamilienhaus».

Im «umweltfreundlichsten
Hotel der Welt» übernachtet
Logiert wurde im Freiburger Best Western Premier Hotel Victoria, das als «umweltfreundlichstes Hotel der Welt» für sein Nachhaltigkeitskonzept schon mehrfach ausgezeichnet worden war. Zum Auftakt der Pressereise erklärte der Gastgeber des Hauses: «Hier übernachten Sie mit guten Umweltgewissen und Null-CO2-Fussabdruck». Laut Hotelier Bertram Späth werden in diesem Haus Strom, Wärme und Kälte ausschliessliche aus erneuerbaren Energien gewonnen. Auf Wunsch werden den Hotelgästen die thermische Solaranlage und die Windanlage auf dem Hoteldach, die Holzpellet-Heizung im Keller, die Holzpellet-Heizung im Keller sowie die Grundwasserkühlung gerne gezeigt oder erörtert. Die Lebensmittel stammen aus Bio-Anbau und fairem Handel. Bettwäsche, Frottee und Laken sind aus Bio-Baumwolle hergestellt. Slogan: «So angenehm kann Umweltschutz sein!»

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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