Die Schmid Group wird in Zusammenarbeit mit der iranischen Organisation für industrielle Entwicklung Idro eine voll integrierte Photovoltaik-Produktion im Iran errichten. ©Bild: Schmid Group

Meyer Burger ist in Asien gefragt, insbesondere die industrieführenden Diamantdrahtsägen der neusten Generation, DW288 Series 3. Bild Meyer Burger

Photovoltaik: Gespaltene Entwicklung

(SR) Während der Anschluss der europäischen Zellen- und Modulproduzenten an die asiatischen Spitzenhersteller immer schwieriger wird, profitieren die Solarmaschinenbauer vom Ausbauboom in Fernost. Doch auch ihre gute Position könnte in Gefahr geraten, denn auch in Asien etabliere sich eine starke Equipment-Industrie.


Innovationen entwickeln sich in der Photovoltaik unvermindert rasch. Nach der aktuellen Studie „The Price of Solar – Benchmarking PV Module Manufacturing Cost“ des Analystenhauses IHS, die auf der Intersolar im Juni vorgestellt wurde, haben alle weltweit führenden Hersteller die Kosten in der Produktion von Solarmodulen seit Anfang 2015 um acht bis 13 Prozent gesenkt. Vor allem asiatische Produzenten seien dabei überdurchschnittlich erfolgreich, heisst es. „Sie nutzen die Skaleneffekte sehr grosser Fertigungen, haben Zugang zu einer dichten Lieferkette vor Ort und konzentrieren sich auf wenige Produkte“, sagt IHS-Analyst Henning Wicht. So werden chinesische Module mittlerweile für 0.43 Dollar pro Watt angeboten. Zum Vergleich: Die Preise für Paneele aus europäischer Produktion liegen mit umgerechnet mehr als 0.50 Cent deutlich darüber.

China baut im ersten Halbjahr 16 20 GW zu
Ein wesentlicher Grund für die raschen Kostensenkungen ist die starke Nachfrage nach günstiger Solartechnik in China und in den aufstrebenden Solarstaaten Indien und Lateinamerika. Nach Informationen der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua errichteten chinesische Solarunternehmen im ersten Halbjahr 2016 im eigenen Land Solaranlagen mit rund 20 Gigawatt Leistung – damit hat China das staatlich vorgegebene Jahresziel von 18 Gigawatt bereits erreicht. Durch den starken Zubau im eigenen Land sei die Modulproduktion im ersten Halbjahr um mehr als ein Drittel auf 27 Gigawatt angestiegen.

Das Problem aus europäischer Sicht: Hiesige Verbraucher und Investoren profitieren von den Fortschritten und Kostensenkungen in Fernost nicht. Denn 2013 hat die Kommission der Europäischen Union (EU) Anti-Dumping-Zölle auf China-Module beschlossen, um staatlich subventionierte chinesische Billigimporte zu verhindern. Die Abgaben müssen alle chinesischen Hersteller entrichten, die sich nicht im Rahmen eines sogenannten Undertakings verpflichtet haben, für ihre Module einen Mindestpreis von 0.56 Euro pro Watt zu verlangen. Die Konsequenz: „Während die Photovoltaik weltweit boomt, stagniert sie in Europa“, sagt Holger Krawinkel, Sprecher der Solar Alliance for Europe (SAFE), eines Netzwerks von Unternehmen und Verbänden, das sich gegen Modulzölle und für freien Wettbewerb einsetzt. Doch ein baldiges Ende der Massnahmen ist nicht in Sicht. Derzeit überprüft die EU-Kommission, ob die Sanktionen gegen China noch gerechtfertigt sind. Das Verfahren wird voraussichtlich noch bis Frühjahr 2017 dauern, und zu welchem Schluss die EU-Experten kommen, ist völlig offen.

Fehlende Investoren
Theoretisch gäbe es noch einen anderen Weg zu günstiger Solartechnik in Europa: Die hiesige Solarindustrie würde ebenfalls Gigawatt-Fabriken in der Grösse asiatischer Produktionen errichten. Noch sind die Pläne für eine gemeinsame europäische „Gigafab“, die das Fraunhofer-ISE 2013 erstmals ins Spiel brachte, nicht vom Tisch. So hat die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission untersucht, unter welchen Bedingungen eine solche Grossproduktion in Europa aktuell Sinn machen würde. Die Hürden hierfür sind nach dem Ergebnis der Untersuchung allerdings technisch wie finanziell immens. Zwar böte der wachsende Weltmarkt genügend Absatzchancen, doch um mit chinesischen Produktionen konkurrieren zu können, müsste die Gigafab mit einer Produktionskapazität von mehreren Gigawatt konzipiert werden und kurzfristig Module zu Kosten von weniger als 0.40 Euro pro Watt hervorbringen, erklärt der Photovoltaikexperte Arnulf Jäger-Waldau von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission. „In China sehen wir bereits Fünf-Gigawatt-Fabriken. Für die kleinen europäischen Unternehmen wäre das ein Riesensprung.“

Hauptproblem sei die Finanzierung der Grossfabrik, sagt Jäger-Waldau. „Mit der Technologie würde es keine Schwierigkeiten geben, das Know-how ist vorhanden, aber es gibt keine Investoren.“ Ein einfacherer Zugang zu finanziellen Mitteln und eine bessere Infrastruktur für die Solarindustrie könnten Abhilfe schaffen, doch mangele es an der hierfür nötigen Industriepolitik in den Ländern, so Jäger-Waldau. „Eine Massnahme wäre, Industriegebiete auszuweisen, die für die Solarindustrie bereits verifiziert sind. Aber diese Hilfe haben Hersteller nicht.“ Stattdessen übernehmen in Europa mehr und mehr mit teils üppigen staatlichen Krediten ausgestattete asiatische Solarunternehmen das Ruder. Aleo Solar etwa produziert mittlerweile unter der Flagge der taiwanesischen SAS, Dünnschichtspezialist Avancis ging bereits 2014 an den chinesischen Baukonzern CNBM und Shanghai Electric aus China stieg Anfang dieses Jahres beim Reutlinger Solarmaschinenbauer Manz ein. Auch Roboterspezialist Kuka ist in den Fokus chinesischer Interessenten geraten. „Wenn die Europäer nicht bis 2018 mit einer eigenen Solarproduktion aufwarten, wird der Anschluss an China schwierig“, so Jäger-Waldau.

Asiatische Newcomer
Während ein Wiederaufschwung für die europäischen Zellen- und Modulproduzenten immer schwieriger wird, profitieren die deutschen Maschinenbauer von der Finanzstärke der chinesischen Hersteller. Denn diese setzen in ihren Produktionslinien vornehmlich Fertigungsequipment deutscher Ausrüster ein, die vor allem dank der starken Asien-Nachfrage auf einen Weltmarktanteil von 50 Prozent kommen. Nach Angaben des Maschinenbauverbands VDMA ist ihr Umsatz im ersten Quartal 2016 um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. „Die hohe Investitionstätigkeit der Solarzellenhersteller in den Ausbau bestehender und neuer Produktionskapazitäten hält an, die Produktion ist ausgelastet, jedoch wirken sich die niedrigen Preise negativ auf die Umsätze aus. Aufträge kommen auch schon aus den neuen Märkten wie Indien“, erklärt Peter Fath, Vorsitzender des Vorstands der VDMA-Sparte Photovoltaik-Produktionsmittel.

Schmid Group goes Iran
So wird etwa die Schmid Group in Zusammenarbeit mit der iranischen Organisation für industrielle Entwicklung Idro eine voll integrierte Photovoltaik-Produktion im Iran errichten. Das Werk soll die gesamte Photovoltaik-Wertschöpfungskette umfassen, einschliesslich Siliziumproduktion, Wafer-, Zellen- und Modul-Fertigung und von anfänglich 200 Megawatt auf eine Jahreskapazität von mehr als 1000 Megawatt ausgebaut werden. Ausserdem rüstet Schmid derzeit die erste Modulproduktion des asiatischen Staats Kirgisistan aus. Die wesentliche Innovation in der 35-Megawatt-Fertigung sei, dass die einzelnen Stationen nicht mit einem Förderband, sondern mit Förderfahrzeugen verbunden seien. Die Shuttles bewegten sich auf engerem Raum, verkürzten so Wege, liefen sicherer und steigerten daher die Effizienz der Produktion, heisst es bei Schmid.

Meyer Burger in Asien gefragt
Die Firma Singulus wiederum hat jüngst von der russischen Firma Hevel einen Auftrag für den Umbau einer bestehenden Dünnschichtproduktion auf Hochleistungszellen aus Silizium mit einer Jahreskapazität von 160 Megawatt erhalten. Konkret wird Singulus Prozessanlagen zur nasschemischen Behandlung der Zellen liefern. Dadurch entstehen auf ihrer Oberfläche spezielle Strukturen, die einen besseren Lichteinfall ermöglichen. Auch andere europäische Zulieferer wie Meyer Burger aus der Schweiz sind bei den asiatischen Solarproduzenten gefragt. So hat das Unternehmen nach eigenen Angaben von einem führenden chinesischen Hersteller im Juli einen Anschluss-Grossauftrag über die Lieferung und Installation von Maschinen zur Produktion von Solarzellen auf Basis der sogenannten Perc-Technik in Höhe von rund 17 Millionen Euro erhalten. Das Besondere der Perc-Zellen ist eine spezielle Verspiegelung auf der Rückseite, die die Lichtausbeute steigert. Die Lieferung und Inbetriebnahme der Anlagen ist für das vierte Quartal 2016 vorgesehen. Zusammen mit einem bereits im Juni bekanntgegebenen Auftrag hat dieser chinesische Kunde Diamantdrahttechnik zum Sägen der Wafer und weitere Maschinen im Gesamtwert von knapp 40 Millionen Euro bei Meyer Burger bestellt.

Die Lage der europäischen Solarindustrie ist gespalten: Während die Zellen- und Modulproduzenten bei den Kosten aktuell kaum mit den Asiaten konkurrieren und wohl nur durch neue Grossfabriken wieder Anschluss finden können, profitieren die Anbieter von Solarmaschinen von der Expansion in Asien. Solarexperte Jäger-Waldau von der Gemeinsamen EU-Forschungsstelle hält den weiteren Erfolg der Zulieferer jedoch für keine Selbstverständlichkeit, denn auch in Asien etabliere sich eine starke Equipment-Industrie. „Der Technologievorsprung der europäischen Ausrüster beträgt maximal noch zwei bis drei Jahre, sie müssen daher weiterhin stark auf technische Neuerungen setzen.“ Als Problem für die Europäer könnte sich allerdings abermals herausstellen, dass die Finanzausstattung und das Innovationstempo der Asiaten grösser ist.

©Text: Sascha Rentzing

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