Mit dem Qualitätslabel «Swiss-PV» zertifiziert: Die Photovoltaikanlage auf der Tisso-Arena in Biel. ©Bild: Electrosuisse

Neues Label für Photovoltaikanlagen von Electrosuisse: Es werde Licht

(©AH/NZZ) Photovoltaik-Module sind oft schlecht installiert oder erzeugen weniger Strom als versprochen. Ein neues Label von Electrosuisse soll die Qualitätsprobleme beheben, doch die Solarbranche ziert sich.


Dieses Jahr wird Solarstrom auch in der Schweiz zur wichtigsten erneuerbaren Energiequelle nach der Wasserkraft. Hinter der schimmernden Oberfläche der Solaranlagen sieht es bisweilen aber weniger glänzend aus. Das jedenfalls sagt Jürg Rellstab vom Prüfinstitut Electrosuisse in Fehraltorf. Der Ingenieur beurteilt im Auftrag von Bauherren, ob neue Photovoltaikanlagen die vom Lieferanten versprochene Leistung erreichen und ob sie alle elektrischen Sicherheitsnormen erfüllen.

«Es ist manchmal schockierend, was wir zu sehen bekommen», sagt Rellstab. Einige Installateure hätten noch nicht verstanden, dass es sich bei Photovoltaik-Modulen um Generatoren handelt, die gefährliche elektrische Spannungen erzeugen können. «Die Module werden manchmal wie Gipsplatten verlegt», sagt Rellstab. Bisweilen fehlten Erdungskabel, und elektrische Zuleitungen lägen im Wasser. Andere Solaranlagen wiederum erzeugen weniger Strom als vom Verkäufer versprochen.

Qualitätslabel «Swiss-PV»
Die Qualitätsprobleme will Electrosuisse durch das Qualitätslabel «Swiss-PV» bekämpfen. Dieses Gütesiegel soll Importeuren, Handwerkern und den Endkunden garantieren, dass die Solarmodule und die installierten Anlagen die schweizerischen Normen erfüllen und dass sie die im Kaufvertrag angegebene Leistung auch in der Praxis erreichen. «Unser Label soll im Photovoltaik-Markt einmal die gleiche Rolle spielen wie das Minergie-Label im Bereich des energieeffizienten Bauens», sagt Peter Arnold, Leiter Marktentwicklung und Sales bei Electrosuisse.

Kontrollen in China
Das Label ermögliche es den Herstellern von Solarmodulen, ihre Produktionsanlagen zertifizieren zu lassen. Dazu besuchen die Prüfer die Fabriken beispielsweise in China. Sie kontrollieren die Einhaltung von Produktionsvorschriften und entnehmen stichprobenweise Module, die sie einer aufwendigen Kontrolle unterziehen. Auch der anschliessende Transport auf dem Seeweg birgt Gefahren. Zertifizierte Importeure müssen ihre Lieferungen daher mit Datenloggern ausrüsten, die Erschütterungen auf dem gesamten Transportweg aufzeichnen. Auch hier werden einzelne Module aus einer Containerladungentnommen und an ein Labor der Fachhochschule der italienischen Schweiz (Supsi) in Lugano geschickt. Und schliesslich können auch die Installateure die errichteten Anlagen mit dem Swiss-PVE Label zertifizieren lassen. Dabei wird untersucht, ob die Solaranlage alle elektrischen Sicherheitsanforderungen und die Schweizer Vorschriften für Schneelast und Hagel erfüllt. «Wichtig ist auch die Messung des Wirkungsgrads und damit der elektrischen Leistung einer Anlage», sagt Arnold. Weil dieser Wert von der jeweiligen Sonnenstrahlung abhängt, wird er vor Ort mit einem Kennlinienanalysator ermittelt. Dieses Messgerät berücksichtigt die aktuellen Witterungsbedingungen und rechnet die Messwerte entsprechend um.

Ein Teil der Branche ist skeptisch
In der Solarbranche stösst das Label nicht überall auf Zustimmung. Es gebe in der Praxis durchaus Qualitätsprobleme. «Wir befürchten aber, dass ein Label die Baukosten in die Höhe treibt und dass es bei der Prüfung zu Doppelspurigkeiten kommt», sagt David Stickelberger, Geschäftsführer des Fachverbands Swissolar. Grössere Anlagen ab einer Spitzenleistung von 30 Kilowatt werden vom eidg. Starkstrominspektorat (ESTI) auf die Einhaltung der Normen überprüft. Zweckmässig sei das Label, wo es um die Qualität importierter Module gehe, sagt Stickelberger. Dort garantiere es den Anlagebauern und den Bauherren, dass die installierten Module die gemäss Datenblatt versprochene Leistung tatsächlich erbringen.

Die Fachhochschule der italienischen Schweiz unterhält das einzige akkreditierte Prüflabor für die Analyse von Photovoltaik-Modulen in der Schweiz. Die Ursache für Qualitätsprobleme liegt laut dem Supsi-Ingenieur Mauro Caccivio im Kostendruck. «Vor 30 Jahren waren Solarzellen sehr teuer, ihre Qualität aber sehr hoch: Wo eine Zelle heute aus 0.2 Millimeter dickem Silizium gebaut wird, waren es früher mehr als doppelt so viel.» Durch den Boom habe die Qualität gelitten. In Italien zeigten ein Viertel aller Photovoltaik-Anlagen technische Probleme. In der Schweiz gebe es keine vergleichbaren Zahlen, mangelhafte Qualität der Module und der Anlagen sei aber auch bei uns festzustellen. «Manchmal kommt es schon nach 2 bis 3 Jahren zu einem erheblichen Leistungsverlust, weil die Hersteller beispielsweise billige und ungeeignete Materialien verwenden », sagt Caccivio. Solarmodule müssen jedoch 25 Jahre unbeschadet jedem Wetter widerstehen.

Teure Zertifizierung
Bauherren müssen sich auf die Qualität und die versprochene Effizienz verlassen können. Der Verband Swissolar hat deshalb 2002 die Marke «Solarprofis» eingeführt, die nur Installateure verwenden dürfen, die über Erfahrung beim Bau von Solaranlagen verfügen. Für teure Zertifizierungssysteme aber hätten Bauherren kaum Spielraum, sagt David Stickelberger von Swissolar. Das gilt vor allem für die Besitzer von Einfamilienhäusern: Kostet die Anlage auf dem Dach 20 000 Franken, sind sie kaum bereit, noch einmal mehrere tausend Franken für ein Zertifikat zu bezahlen.

Anders ist es bei Grossanlagen auf den Dächern von Einkaufszentren und Sportstadien. «Diese Bauherren betrachten ihre PV-Anlage als Investitionsobjekt, mit dem sie Geld verdienen wollen», sagt Fabien Krämer von der Solartechnikfirma Senero in Winterthur. «Erreichen die Module nicht den geforderten Wirkungsgrad, verlieren die Betreiber Geld.» Auch Versicherungen könnten Druck ausüben. «Es ist möglich, dass sie in Zukunft nur noch zertifizierte PV-Anlagen gegen Produktionsausfälle versichern», sagt Krämer.

©Text: Andreas Hirstein, Ersterscheinung NZZ am Sonntag vom 30.3.16

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4 Kommentare

Bruno Näf

Kauft doch die Solarzellen bei einem schweizer Hersteller! Dann fällt der Transport weg (Frachtschiffe sind Dreckschleudern) unserer Wirtschaft ist geholfen und es braucht keinen Label weil der Hersteller im Land auf seinen Ruf achtet. Es gibt übrigens auch sehr gute Installateure hier, nur an die Sprache muss man sich wieder gewöhnen: sie sprechen Schweizerdeutsch.
Anders rum: investiert in Qualität bei Herstellung und Installation anstatt in einen Label.

max stein

Offenbar - und das hört man immer wieder, auch von Versicherungen - sind selbst Neuanlagen in einem schlechten Zustand, erfüllen weder Normen noch die verkauften Leistungen.
Selbst das BfE und die Swissolar fordern mehr Qualität. Electrosuisse ist die einzige, unabhängige und akkreditierte Stelle, die eine solche Beurteilung durchführen kann.

Daher ist es richtig, dass die Electrosuisse diese Aufgabe übernimmt - zu Gunsten der Kunden, Versicherer, Lieferanten, Hersteller, etc.

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