So sieht die erneuerbare Energieversorgung gemäss der Pläne von Desertec aus. ©Grafik: DESERTEC Foundation

Bundesrat: Kein Wüstenstrom für die Schweiz

(ee-news.ch) Das Zauberwort Desertec, das schier unermessliche Strommengen aus Nordafrika auch für die Schweiz heraufbeschwor, wird durch den Bericht „Wüstenstrom für die Schweiz“, entzaubert. Für die Solarstromproduktion auf Schweizer Dächern sprechen unter anderem die rasch gesunkenen Solarstrompreise sowie die Nähe zu den Stromkonsumenten.


Desertec sei ein „verführerisches“ Konzept, um das Potenzial der Sonnenenergie in den Wüsten zu nutzen, steht im Schlussbericht „Wüstenstrom für die Schweiz“ des Bundesamts für Energie. Der Bericht ist die Antwort auf das Postulat 11.3411 „Wüstenstrom für die Schweiz“ von Nationalrat Bastien Girod, das 2011 eingereicht wurde und in dem er den Bundesrat bat, zu prüfen, mit welchen Massnahmen das Projekt Desertec sowie ähnliche Initiativen gefördert werden können.

Die Ausgangslage
Der Postulant wies darauf hin, dass Desertec eine Initiative zur Förderung der Nutzung des enormen Energiepotenzials der Sonneneinstrahlung in der Wüste sei. Damit das Potenzial realisiert werden könne, müsse aber insbesondere die Investitionssicherheit vor Ort sowie der Transport der Energie nach Europa sichergestellt werden. Neben dem Potenzial für eine klimafreundliche und atomstromfreie Stromversorgung führte der Postulant noch weitere Gründe für eine Unterstützung seitens des Bundesrats an, so z. B. die Unterstützung seitens Deutschland, die geografische Lage sowie die Stromspeicherkapazitäten der Schweiz.

Bundesrat abwartend, Nationalrat fordernd
In seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2011 zeigte sich der Bundesrat bereits abwartend, er beobachte die Entwicklung von Desertec aufmerksam. Seiner Ansicht nach sei es aber zu früh, an eine Realisierung derartiger Systeme zu denken. Aus diesem Grund erachtete er es auch als verfrüht, zum damaligen Zeitpunkt Förderinstrumente zu prüfen. Er beantragte deshalb die Ablehnung des Postulats. Der Nationalrat folgte dem Antrag des Bundesrats nicht und nahm das Postulat in seiner Sitzung vom 9. Juni 2011 an.

In der Schweiz ohne Landverbrauch

Um den aktuellen Stromverbrauch der Schweiz zu 100 % mit Strom aus der Wüste zu decken, müsste dort eine Bruttofläche mit Sonnenkollektoren bedeckt werden, die der Fläche des Genfersees entspricht, ist nun im Schlussbericht zur Motion zu lesen. Das heisst, mit den in der Wüste angewandten Technologien könnten rund 15 W/m2 (Bodenfläche) erbracht werden, Freiflächenanlagen in der Schweiz erbringen etwa die halbe Leistung. Würden die ungenutzten Dachflächen in der Schweiz verwendet, könnte jedoch mit heutigen Technologien eine durchschnittliche Produktion von 17 W/m2 (Dachfläche) ohne zusätzlichen Landverbrauch erzielt werden.

Umwelt- und Sozialverträglich nicht gesichert

Wenn auch der Bau elektrischer Leitungen für den Transport der Energie aus der Wüste technisch machbar sei, sei die Übertragung mit Verlusten verbunden, schreibt das BFE. Zudem bestehe keine Gewissheit, dass die Versorgung Europas mit Strom aus der Wüste umwelt- und sozialverträglich sei. Da die Zukunft des Stromabkommens ungewiss sei, sei auch unsicher, welchen Zugang die Schweiz zum europäischer Stromnetz haben werde, um über die europäische Netzinfrastruktur den Strom aus der Wüste zu importieren. Weiter steht im Bericht: „Andere Transportmittel, wie die Umwandlung in Methan und Benützung der Transportinfrastruktur für Gas, sind ebenfalls denkbar.“ Von dieser heute immer wichtigeren Technologie sprachen 2011 nur einige sehr weitsichtige Forscher.

Konzept von PV-Kostenentwicklung überholt

Obschon bei seiner Entstehung 2009 interessant, sei das Konzept von Desertec durch die Kosten-entwicklung der Photovoltaik bereits überholt, steht im Schlussbericht: 2009 kostete die photovoltaische Produktion in Europa zwischen 60 und 90 Rp./kWh und die Solarstromproduktion in Nordafrika etwa 20 Rp./kWh. Mittlerweile koste die photovoltaische Produktion in Deutschland zwischen 11 und 15 Rp./kWh und sei somit vergleichbar mit den Kosten der Solarstromproduktion in Nordafrika. Auch in der Schweiz kostet Solarstrom von Grossanlagen mittlerweile weniger als 20 Rp./kWh. Werde der Solarstrom jedoch in der Nähe der Verbraucher produziert und direkt in das Verteilnetz eingespeist, entstünden deutlich geringere Transportverluste.

Strommehrbedarf in Maghreb-Staaten decken
Das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in den Mittelmeerländern – besonders in den Maghreb-Staaten und der Türkei – sorge bei der Elektrizitätsnachfrage für zweistellige Wachstumsraten. Diese Länder hätten einen zunehmenden Strombedarf und richteten ihre interne Versorgung und ihre Energiepolitik mehr und mehr auf die erneuerbaren Energien aus, wird im Bericht festgehalten. Ein Export nach Europa erscheine kurzfristig als eher unrealistisch. Die Idee habe auch zu Diskussionen über die Moralität unseres möglichen Verbrauchs erneuerbarer Ressourcen der Entwicklungsländer geführt, die diese dringend selbst benötigten, während die gleichen Ressourcen auch in den entwickelten Ländern zur Verfügung stünden.

PV in unseren Breitengraden konkurrenzfähig
Aufgrund der Marktentwicklung bei der Photovoltaik seien mittlerweile auch kleine PV-Anlagen von einigen Dutzend kWp in der gebauten Umgebung in unseren Breiten ebenfalls konkurrenzfähig geworden, schreiben die Experten. Unter diesen Umständen stelle sich die Frage, ob die Produktion im Ausland nicht eher eine Art Verlagerung der Umweltbelastung sei als eine konsequente Energiepolitik. Die Wahl ausländischer anstelle inländischer erneuerbarer Energien sei allerdings ein politischer Entscheid, steht in der Zusammenfassung des Schlussberichts. Die Energiestrategie 2050 sehe vor, dass ein grosser Teil der schweizerischen Versorgung mit einheimischen erneuerbaren Energien gedeckt werde. Dennoch sei es wichtig, dass die Schweiz ihre Zusammenarbeit mit den Ländern im Süden fortsetze und die Forschung zur Energieproduktion in den Wüsten unterstütze. Die bestehenden Instrumente wie die Entwicklungszusammenarbeit, die technologische Forschung, die Exportrisikoversicherungen und die Vorzugskredite müssten aufrechterhalten werden.

Schlussbericht „Wüstenstrom für die Schweiz“ >>

©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch, Quelle: Schlussbericht Wüstenstrom für die Schweiz

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1 Kommentare

Klaus Schmidtke Dii (Desertec Industrieinitiative)

Wüstenstrom muss natürlich zuallererst den wachsenden Bedarf in Nordafrika und dem Nahen Osten decken. Desertec wie hier noch verstanden als Projekt für Europa wäre geradezu kolonialistisch. Am Ende profitieren Europa und die MENA-Region aber von Vernetzung und Marktentwicklung. Schön, dass der Bundesrat die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit Europas südlichen Nachbarn betont. Hier ein Blick auf die schon vorhandenen Projekte in der Region:

http://is.gd/jmMpmo

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