Eigenverbrauch optimieren und Überschüsse selbst vermarkten: Vor diesen Herausforderungen stehen Betreiber von Photovoltaikanlagen. Im Bild: Mehrfamilienhaus in Aesch LU mit PV-Anlage. (Architekt Röösli, Luzern) ©Bild: Ernst Schweizer AG

Eine intelligente Speicherlösung optimiert am Meggenhorn den Eigenverbrauch und sorgt für eine netzdienliche Einspeisung, dank der das Stromnetz nicht ausgebaut werden musste. ©Bild: Schweizer Solarpreis 2014, Solar Agentur Schweiz

Swissolar: Neue Situation auf dem Strommarkt

(Anzeige) Einmalvergütung und Direktvermarktung statt kostendeckender Einspeisevergütung: Diesen Systemwechsel für die Förderung erneuerbarer Energien hat das Parlament mit dem ersten Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 eingeläutet. Das Marktsystem wird dadurch zwar komplizierter, es entstehen aber auch neue Geschäftsfelder und der Eigenverbrauch wird immer wichtiger.


Die Förderung erneuerbarer Energien wird umgekrempelt. Das System, das bisher als kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) bekannt war, wird marktnäher ausgestaltet und dezentrale Stromproduzenten stärker in die Pflicht genommen: Wegen der knappen Mittel werden nur noch wenige Produzenten von der KEV profitieren können. Viele müssen ihren Strom neu direkt am Markt verkaufen. Gleichzeitig gewinnt die Einmalvergütung an Bedeutung – sie kann neu auch für grosse Anlagen bezogen werden und deckt rund 25 Prozent der Investitionskosten. Um eine Anlage unter den neuen Voraussetzungen wirtschaftlich zu betreiben, ist ein optimaler Eigenverbrauch nötig. Dafür können mit der Energiestrategie 2050 nicht nur mehrere Parteien in einem Gebäude, sondern auch verschiedene benachbarte Häuser eine Eigenverbrauchsgemeinschaft bilden und so den Solarstrom von den eigenen Dächern gemeinsam nutzen.

Grosse Umwälzungen

«Der Energiebereich steht in absehbarer Zeit vor einer ähnlichen Situation wie die Hotellerie mit Airbnb oder die Taxibranche mit Uber: Die Stromversorgung durch die grossen Energieversorgungsunternehmen (EVU) wird mehr und mehr von einer dezentralen Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen abgelöst», sagt Gianni Operto, Präsident der Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz AEE SUISSE. Die Photovoltaik wird immer günstiger, der Eigenverbrauch damit immer lukrativer. Und die Pflicht zur Direktvermarktung des Stroms lässt eine netzdienliche Einspeisung attraktiver werden. «Das ist gut so», sagt Operto. «Gleichzeitig wird allerdings das gesamte System des Strommarktes komplizierter.»

Neue Player auf dem Markt
Für Privatpersonen und Gewerbebetriebe mit kleinere Anlagen ist die neue Regelung eine Herausforderung. Sie verfügen kaum über die Kompetenzen und Mittel, um überschüssigen Strom selber zu vermarkten. So kommen neue Player auf den Markt. Einer dieser Player ist die Zürcher Firma Ampard: Sie bietet Solarstromspeicher an, die an den Ampard-Schwarmspeicher angeschlossen werden können. Ist überschüssiger Strom im Netz vorhanden, werden die intelligent vernetzten Speicher mit Netzstrom geladen. Im umgekehrten Fall werden sie angezapft und Strom ins Netz eingespeist. Mit dieser Lösung können die Anlagenbetreiber ihren Eigenverbrauch optimieren und tragen gleichzeitig zur Stabilisierung des Stromnetzes bei.

Diese intelligenten, zentral gesteuerten Speicher bieten verschiedene Vorteile: Die Betreiber der PV-Anlagen können dank den Speichern ihren Eigenverbrauch etwa verdoppeln. Damit müssen sie weniger Strom zukaufen und steigern die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlage. Zudem können intelligent genutzte Speicher sogenannte Regelenergie liefern, mit der kurzfristige Schwankungen im Stromnetz ausgeglichen werden können. Speicherlösungen können sogar eine Alternative zu einem Ausbau des Stromnetzes sein, wie das Beispiel des Schlossgutes Meggenhorn zeigt. Ampard entwickelte gemeinsam mit der ENPLA GmbH ein Speichersystem, das optimalen Eigenverbrauch und intelligentes Einspeisemanagement ermöglicht und so den Netzausbau unnötig macht. Dies, weil die stark schwankenden Einspeisungen von Solarstrom lokal zwischengespeichert werden können und nicht über weite Strecken transportiert werden müssen – und dies meist zur Mittagszeit, wenn das Stromnetz sowieso stark belastet ist.

Rahmenbedingungen nötig
Operto begrüsst Anbieter wie Ampard: «Gerade kleine Produzenten können mit ihren kleinen Energiemengen auf dem Strommarkt nichts machen und sind auf solche Dienstleistungen angewiesen.» Doch genau darin sieht er auch einen Nachteil: «Woher soll der Betreiber einer kleinen PV-Anlage wissen, dass sein Aufwand fair entlöhnt wird?» Für die Einspeisung des überschüssigen Solarstroms seien zudem intelligente Zähler nötig, für welche die EVUs momentan überhöhte Preise verlangen können. Hier sieht Operto Handlungsbedarf: «Der Gesetzgeber muss Rahmenbedingungen schaffen, die sicherstellen, dass Strom zu angemessenen Preisen verkauft werden kann und netzdienliches Verhalten gefördert wird.»

EVUs entdecken neue Märkte

Auch vom Netzstrom unabhängige Stromversorgung können bald attraktiver werden. «Die Preise für PV-Anlagen sinken. Jene für Speichermöglichkeiten vermutlich auch», glaubt Operto. «Besonders interessant wird dies, wenn sich mehrere Häuser zusammenschliessen und eine Art autarke Insel bilden, die Strom produziert und mit intelligent gesteuerten, vernetzen Speichern gemeinsam nutzt», sagt er.

Und die EVUs? «Sie werden umdenken müssen. Von Stromlieferanten werden sie zu Anbietern von Gesamtenergielösungen», prognostiziert Operto. «Einige springen gerade auf den fahrenden Zug auf.» EWZ, das EVU der Stadt Zürich, verkauft Teile von PV-Anlagen und liefert den Käufern pro gekauften Quadratmeter jährlich 80 kWh Solarstrom. So erhöht das EVU seine Investition in Solarenergie und sichert gleichzeitig den Absatz des Stromes. Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) fassen mit Hilfe von Informationstechnologie dezentrale Einheiten zu einem virtuellen Kraftwerk zusammen, das eine Leistung in der Grössenordnung eines konventionellen Kraftwerks besitzt. Zentral und intelligent gesteuert, trägt es zur Netzstabilität bei: Wärmepumpen oder grosse Kühlhäuser werden betrieben, wenn Strom im Überfluss vorhanden ist. Steigt der Strombedarf, werden Notstromaggregate eingeschaltet oder angeschlossene Verbraucher kurzzeitig ausgeschaltet. «Mit diesen Leistungen positionieren sich die EVUs im Dienstleistungsbereich und binden ihre Kunden, die zunehmend unabhängiger werden», erklärt Operto. Gleichzeitig werden die erneuerbaren Energien weiter gefördert und das Stromnetz mit intelligenten Steuerungen stabilisiert.

Nationale Photovoltaik-Tagung
Am 23. Und 24. März 2017 findet im SwissTech Convention Center in Lausanne die 15. Nationale Photovoltaik-Tagung von Swissolar, VSE und Bundesamt für Energie statt. Die Umsetzung der Energiestrategie 2050 und ihre Folgen für den Schweizer PV-Markt wird einer der thematischen Schwerpunkte sein. Das Potential von Eigenverbrauch und dezentraler Speicherung wird aufgegriffen, innovative Geschäftsmodelle vorgestellt und neuste Forschungsansätze präsentiert. In der Eröffnungssession wird Bertrand Piccard einen Einblick in die Forschung und Entwicklung zu «Solar Impulse» bieten. Weitere Informationen und Anmeldung: www.swissolar.ch/pv2017

Text: Christine Arnold im Auftrag von Swissolar

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1 Kommentare

Solarinteressent

Was bedeutet grössere Anlagen bei der EiV? Beim BFE geht man immer noch nach dem max. vom 30 kWp aus. Aus der Swissolar Homepage gibt es dazu auch keine besseren Daten. Bitte präzisieren.

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