„Ohne Zölle hätten wir eine völlig andere Photovoltaik-Entwicklung“, sagt Holger Krawinkel, Sprecher der Solar Alliance for Europe (Safe).

Folgt die Kommission EU Prosuns Antrag, gelten Zölle und Mindestimportpreise für die Zeit der Prüfung weiter.

Der europäische Photovoltaikverband Solarpower Europe möchte ebenfalls, dass die Zölle auslaufen.

Modulzölle auf chinesischen Solarmodulen: Solarfirmen fordern Abschaffung

(©SR) Helfen Anti-Dumping-Zölle auf chinesische Solarmodule der europäischen Solarindustrie oder behindern sie Preissenkungen und Marktwachstum? Die Europäische Kommission wird im Dezember über das weitere Vorgehen gegen China entscheiden. Auch wenn es derzeit noch als wahrscheinlich gilt, dass die Zölle verlängert werden, könnte die Stimmung kippen.


Die europäischen Staaten haben sich aus der Liga der führenden Solarnationen verabschiedet: Während die jährlichen weltweiten Neuinstallationen von 2012 bis 2014 um fast 50 Prozent auf 40 Gigawatt gestiegen sind, sank der Zubau in Europa im gleichen Zeitraum um 60 Prozent auf sieben Gigawatt. Und die Aussichten bleiben trübe: Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber prognostizieren, dass in Deutschland in der Zeit von 2016 bis 2020 jährlich nur knapp mehr als zwei Gigawatt Solarstromleistung neu installiert wird. Damit dürfte nicht einmal das ohnehin schon bescheidene Ausbauziel der Bundesregierung von 2.4 bis 2.5 Gigawatt pro Jahr erreicht werden.

EU-Module verpassen Lernkurve
Ein Grund für die Absatzkrise: 2013 hat die Kommission der Europäischen Union (EU) Anti-Dumping-Zölle auf China-Module beschlossen, um die europäische Solarindustrie vor staatlich subventionierten chinesischen Billigimporten zu schützen. Die Abgaben müssen alle chinesischen Hersteller entrichten, die sich nicht im Rahmen eines sogenannten Undertakings verpflichtet haben, für ihre Module einen Mindestpreis von 0.56 Euro pro Watt zu verlangen. Das Problem: Während Module in anderen Weltregionen gemäss der Lernkurve immer preiswerter werden, bleiben sie in Europa künstlich teuer. „Ohne Zölle hätten wir eine völlig andere Photovoltaik-Entwicklung“, sagt Holger Krawinkel vom Mannheimer Energieversorger MVV Energie.

0.35 Euro pro Watt möglich
Der Energieexperte ist zugleich Sprecher der Solar Alliance for Europe (Safe), eines Netzwerks von 40 Unternehmen und Verbänden, das sich bei der EU-Kommission gegen Modulzölle und für freien Wettbewerb einsetzt. Safe argumentiert, ohne Handelsbarrieren für die chinesischen Preis- und Technologieführer würde der Knoten bei der Photovoltaik in absehbarer Zeit auch in Europa platzen. „In zwei bis drei Jahren wäre mit Modulpreisen von weniger als 0.40 Euro pro Watt zu rechnen, in fünf Jahren bereits von weniger als 0.35 Euro. Die Förderabhängigkeit der Solarbranche könnte sich stark verringern“, erklärt Krawinkel.

Stichtag 7. Dezember
Ob Safes Argumente die Kommission überzeugen, wird sich schon bald zeigen. Zwar laufen die EU-Zölle am 7. Dezember offiziell aus. Doch die vom Bonner Solarhersteller Solarworld geführte Allianz EU Prosun, die die Anti-Dumping-Massnahmen seinerzeit angestossen hat, hat bei der EU-Kommission bereits eine Auslaufprüfung des Undertakings beantragt. Die Kommission muss nun bis zum 7. Dezember über den Antrag entscheiden. Lehnt sie ihn ab, weil mittlerweile offensichtliche juristische oder politische Gründe gegen weitere China-Sanktionen sprechen, enden heute auf morgen am 8. Dezember sämtliche EU-Massnahmen gegen die chinesischen Solarunternehmen. Folgt die Kommission EU Prosuns Antrag, gelten Zölle und Mindestimportpreise für die Zeit der Prüfung weiter. EU Prosun könnte dadurch viel Zeit gewinnen. Die Erfahrung zeigt, dass sich Auslaufprüfungen anderthalb bis zwei Jahre hinziehen können.

Freier Handel und die Umwelt gehen Hand in Hand
Auch wenn es derzeit noch als wahrscheinlich gilt, dass die Kommission den Antrag von EU Prosun annehmen und den China-Fall noch einmal aufrollen wird – die Stimmung könnte in den kommenden Wochen noch gegen die Zölle kippen, denn der Druck auf die Kommission wächst. So haben im Oktober Abgeordnete aller grossen Parteien des EU-Parlaments die Kommission in einem offenen Brief aufgefordert, die Handelsbarrieren für China abzuschaffen. „Freier Handel und die Umwelt gehen Hand in Hand. Die europäische Handelspolitik muss alles tun, um die ehrgeizigen EU-Klimaziele zu erreichen. Aber durch die Beschränkung des Freihandels und hohe Mindesteinfuhrpreise erschweren wir es Bürgern und Unternehmen, ihren Beitrag zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen zu leisten“, erklärt der schwedische Abgeordnete Christofer Fjellner von der Europäischen Volkspartei, der den Brief an die Kommission initiiert hat. Der europäische Photovoltaikverband Solarpower Europe begrüsste die Initiative der Parlamentarier und wies darauf hin, dass erst zwei Wochen zuvor 21 nationale Solarverbände und -organisationen aus ähnlichen Gründen ein Auslaufen der Mindestimportpreise gefordert hatten.

USA noch schärfere Massnahmen gegen die Chinesen
Die Befürchtung der Firmen, Parlamentarier und Verbände, die Zölle gefährdeten die EU-Klimaziele und Arbeitsplätze in Europa, erscheint naheliegend. Die Marktrückgänge sind ein klares Indiz, dass in den EU-Staaten etwas falsch läuft. Solarworld-Sprecher und EU Prosun-Präsident Milan Nitzschke sieht jedoch keinen Zusammenhang zwischen den rückläufigen Neuinstallationen in Europa und den Anti-Dumping-Massnahmen. Der Markt sei bereits ein Jahr vor Einführung des Undertakings eingebrochen, und dies sei allein auf politische Entscheidungen in den EU-Mitgliedsstaaten zurückzuführen, in denen die Solarförderung teils dramatisch gekappt worden sei, sagte Nitzschke dem Fachblatt PV Magazine. Er verwies auf die Vereinigten Staaten, wo derzeit noch schärfere Massnahmen gegen chinesische Hersteller ergriffen würden und der Markt dennoch wachse.


20000 verlorene Jobs
EU Prosun bleibt deshalb auch bei seiner Forderung, die Anti-Dumping-Massnahmen beizubehalten. Der Mindestpreis verhindere lediglich Dumpingpreise chinesischer Hersteller unter chinesischen Herstellkosten, heisst es in einer Stellungnahme der Allianz. Die Hälfte der europäischen Solarindustrie sei chinesischen Dumpingpraktiken bereits zum Opfer gefallen, 20000 verlorene Jobs und endlos viel Knowhow. Nach einer langen Anlaufzeit wirkten die Massnahmen nun endlich. Damit hätten europäische Hersteller wieder die Chance, in Technologie und Arbeitsplätze zu investieren, argumentiert EU Prosun.

Eine Handvoll Modulhersteller
Allerdings stellt sich die Frage, wem Handelsbarrieren für China noch helfen könnten. Die verbliebenen Modulhersteller in Europa lassen sich an einer Hand abzählen, wobei letztlich nur noch Solarworld in grösseren Mengen produziert. „EU Prosun will eine Industrie retten, die nicht mehr zu retten ist. Tatsächlich geht es hier nur um Solarworld“, sagt der Sprecher eines deutschen Solarprojektierers. Auch diesen Einwand müsste die Kommission bei ihrer aktuellen Auslaufprüfung ins Kalkül ziehen. Zölle oder freier Wettbewerb? Die Entscheidung ist alles andere als leicht.

©Text: Sascha Rentzing

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