Ohne Kurzfristige Unterstützung der EU dürfte kaum ein Investor das Risiko einer solaren Grossinvestition in Europa eingehen. ©Bild: SolarWorld AG

Solar-Gigafab: Jahr der Entscheidung

(©SR) Solartechniken entwickeln sich rasch, die Modulpreise sinken. Wenn sich die geplante europäische Gigawatt-Solarfabrik lohnen soll, muss sie schnell gebaut werden. Ein Technologiepfeiler sind die Heterojunction-Zellen von Meyer Burger. Bisher hat sich aber für das Projekt, für das eine halbe Milliarde Euro veranschlagt sind, kein Investor gefunden. Die Initianten hoffen unter anderem auf Unterstützung von der EU.


Die Zeit für die geplante europäische Multi-Gigawatt-Fabrik wird knapp. „Der Marktpreis für Solarmodule sinkt jährlich um sechs bis sieben Prozent. Wenn wir nicht noch dieses Jahr mit dem Projekt beginnen, schrumpft unser preislicher und technischer Vorsprung“, erklärt Ruggero Schleicher-Tappeser, Koordinator des Konsortiums „xGWp European Gigawatt Fab“. Die teilnehmenden Institute und Unternehmen haben in den vergangenen Monaten das Konzept für die Solarproduktion mit mindestens einem Gigawatt Jahreskapazität entwickelt. In der „Gigafab“ sollen konkurrenzlos günstig Module hergestellt und somit der Wiederaufschwung der europäischen Solarindustrie eingeleitet werden. Das Problem: Es fehlen nach wie vor die Investoren für das Vorhaben, das mit rund einer halben Milliarde Euro veranschlagt ist.

25% Wirkungsgrad dank Heterojunction-Zellen
„Zwar zeigen Finanzinvestoren und eine Reihe mittlerer Investoren der Photovoltaik-nahen Industrie Interesse, aber sie sind nach dem Einbruch der Solarmärkte und den vielen Insolvenzen immer noch sehr zögerlich“, sagt Schleicher-Tappeser. Dabei soll die Gigafab chinesische Grossproduktionen technologisch in den Schatten stellen. Nach den Plänen des Konsortiums, dem das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, das französische nationale Solar-Forschungsinstitut CEA-INES und das Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik (CSEM) sowie mehrere Solarmaschinenbauer angehören, sollen in dem neuen Hightech-Werk neuartige Heterojunction-Zellen, eine Entwicklung von Meyer Burger, produziert werden. Bei dieser Technik werden monokristalline Siliziumscheiben (Wafer) beidseitig mit amorphem Silizium beschichtet. Durch die Schutzschicht gehen weniger Ladungsträger an der Oberfläche des Siliziumkristalls verloren – der Wirkungsgrad der Zellen steigt auf bis zu 25 Prozent. Damit sind sie deutlich effizienter als die heutige Generation Silizium-Solarzellen, die knapp 20 Prozent Wirkungsgrad erreichen.

Gleichzeitig sollen neueste Fertigungsmethoden die Produktionskosten senken. Nach dem Gigafab-Konzept soll die Herstellung der als Ingots bezeichneten Siliziumbarren, Wafer, Zellen und Module nicht mehr getrennt voneinander, sondern konzentriert unter einem Dach stattfinden. Dadurch könnten die Prozesse effizienter zusammenwirken, heisst es. Zunächst sei eine Demonstrationsfabrik mit bis zu 100 Megawatt Jahreskapazität geplant. Mit ersten Erfahrungen aus dieser Produktion soll dann direkt im Anschluss die Gigafab gebaut werden. Ihr Standort ist noch offen und wird massgeblich von der Entscheidung des Hauptinvestors abhängen. Als Referenzwerk soll es als Blaupause für weitere Solarfabriken in Europa und anderen Weltregionen dienen.

Hoffen auf die EU
Ob das Projekt jedoch realisiert wird, ist fraglich. Die weltweite Modulnachfrage boomt und führt dazu, dass in Asien und den USA bereits in neue, hochmoderne Solarfabriken investiert wird. Das US-Unternehmen Solarcity zum Beispiel baut in Buffalo im US-Bundesstaat New-York bereits ein Gigawatt-Werk mit Heterojunction-Technik, das im nächsten Jahr in Betrieb gehen soll. In China sind Fabriken dieser Grössenordnung längst gang und gäbe. Module aus derartigen Massenproduktionen werden heute teilweise schon für weniger als 50 Cent pro Kilowattstunde angeboten, Tendenz fallend. Wenn Europa bei Kosten und Technik mithalten will, müsste es seine Gigafab bald an den Start bringen, da die internationale Konkurrenz sonst uneinholbar enteilt.

Das Konsortium ist zuversichtlich, dass das Vorhaben noch glückt. Ende Januar trafen sich in Brüssel Vertreter der Europäischen Union sowie der Solarbranche und der Wissenschaft, um Lösungen aus der Solarkrise zu diskutieren. Ein wesentlicher Punkt: die Gigafab. „Ein hoher Vertreter der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission erklärte, dass eine europäische Energiepolitik klar auf erneuerbare Energien und auf die Photovoltaik setzen müsse“, berichtet Schleicher-Tappeser und meint: „Wenn das offizielle EU-Politik wird, dann wird das auch grosse Investoren wieder motivieren.“ Um das xGWp-Projekt voranzutreiben, wäre aber auch tatkräftige Unterstützung der EU nötig, etwa in Form von Kreditgarantien der Europäischen Investitionsbank. Doch derartige Zusagen habe es auf dem Treffen noch nicht gegeben, sagt Schleicher-Tappeser. „Die Promotoren von xGWp und grosse Player in der Solarindustrie haben nach dem Round Table ein gemeinsames Papier ausgearbeitet, das jetzt in die kommissionsinterne Debatte einfliessen und eine wirksame Initiative der EU-Kommission anschieben soll.“

Experten sind skeptisch
Allerdings fehlt die Zeit für lange Debatten. Ohne kurzfristige Unterstützung der EU dürfte kaum ein Investor das Risiko einer solaren Grossinvestition in Europa eingehen. Das bestätigt etwa die Kehrtwende des französischen Industriekonzerns Areva, der zunächst starkes Interesse an der Gigafab zeigte, aber wegen ungeeigneter politischer Rahmenbedingungen wieder absprang. Experten halten Solarfabriken in Europa mittlerweile grundsätzlich für schwierig. Sie hätten in Hochlohnländern keine Zukunft, sagt Oliver Schäfer vom europäischen Photovoltaikverband Epia. Analyst Stefan de Haan vom Marktforschungsunternehmen IHS sieht allenfalls in den Niedrigkostenländern in Osteuropa eine Chance für Gigafabs. Und das auch nur dann, wenn grosse internationale Auftragsfertiger, die das Commodity-Geschäft beherrschten, die Werke betrieben. „Dass ein auf einer staatlichen Initiative beruhendes Firmenkonglomerat das genauso gut beherrscht, bezweifeln wir“, sagt de Haan.

Bessere Chancen dank neuen Strategien
Solarunternehmen sind in Europa aber nicht per se chancenlos. Solarworld zum Beispiel geht es nach seiner Beinahe-Insolvenz 2013 mittlerweile auch deshalb wieder besser, weil es sich vom reinen Modulhersteller zum Anbieter von Solar-Komplettlösungen für Privatkunden und kleine Gewerbe gewandelt hat. Das Bonner Unternehmen verkauft neben Paneelen auch Wechselrichter, Speicher und Energiemanagement-Systeme, um Hausbesitzern den Eigenverbrauch von Solarstrom zu ermöglichen. Seine Systeme sind weltweit, vor allem in den USA, gefragt. Der Dresdner Solaranbieter Solarwatt verfolgt eine ähnliche Strategie: Statt auf reine Modulproduktion setzt er seit seiner Insolvenz 2012 auf Qualität und zielt mit seinen aus neuartigen Glas-Glas-Modulen bestehenden Komplettpaketen auf das Premium-Segment. „Mit den chinesischen Modulherstellern können wir uns kostenmässig nicht mehr messen“, sagt Firmenchef Detlef Neuhaus. Solarwatts Umbau trägt erste Früchte: 2014 verfehlte das Unternehmen nur knapp die schwarze Null. Es deutet vieles darauf hin, dass die Zeit der Photovoltaik-Massenproduktion in Europa vorbei ist.

©Text: Sascha Rentzing

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2 Kommentare

Lisa

Das wüsste man aber, wenn Solarworld "weit mehr als 1 GW pro Jahr" produzieren würde.
Vielleicht sollte man ein bisschen mässiger kommentieren, und sich erst dokumentieren ...
Und Solarworld geht's nach seiner Beinah-Insolvenz 2013 mittlerweile wieder besser weil sie Geldgeber in Qatar gefunden haben, aber damit ist's bei der Innovation nocht nicht so weit, seit Jahren kam da nichts mehr umwerfendes heraus, egal wieviel Pressemeldungen publiziert werden !

Phillip

Wir haben doch mit Solarworld schon eine Gigawattfabrik!

Kapiere ich nicht was das soll, warum baut man nicht mit Solarworld zusammen noch eine Gigawattfabrik, Solaroworld hat doch fast 20 Jahre Erfahrung und trotz Widerstand der Chinesen produzieren sie weit mehr als 1 Gigawatt pro Jahr!

Also wie wäre es wenn die EU zusammen mit den xGWp Leuten mal bei Solarworld vorbeisprechen um mit denen eine neue Gigawattfabrik zu bauen?

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