Süd- und Südostseite des Gebäudes wurden 70 Quadratmeter unverglaste Kollektoren des Walliser Produzenten Energie Solaire installiert, sie liefern Wärme für die Wärmepumpe und laden die Erdsonden im Sommer wieder auf. ©Bild: kämpfen für architektur

Dank der Sanierung erreicht das Justinus-Haus nun den Minergie-Standard für Altbauten. ©Bild: Energie Solaire/Ludwig Deuss

Bei der Sanierung des Justinus-Hauses wurden die architektonischen Merkmale, die bei früheren Umbauten entfernt wurden, wieder hergestellt, so zum Beispiel die Fensterläden und die Oberlichter. ©Bild: kämpfen für architektur

Studentenhaus Justinus: Sanierung im Einklang mit dem Denkmalschutz

(©AN) „Das Dachgeschoss und die Kellerdecke bestens gedämmt, neue Fenster, kontrollierte Lüftung, unverglaste Kollektoren und ein Erdsondenfeld kombiniert mit einer Wärmepumpe, damit senken wir den Einkauf von Energie fast um Faktor fünf“, erklärt der Architekt Beat Kämpfen. Die Merkmale des denkmalgeschützten Studentenheims Justinus wurden bei der Sanierung zum Teil wiederhergestellt.


Die Aussicht vom Haus Justinus zuoberst auf dem Züriberg ist grandios: Die Stadt liegt dem Haus zu Füssen, der Blick öffnet sich vom Zürichsee bis hin zu den Glarner Alpen. Da das Gebäude von der Stadt aus an vielen Orten zu sehen ist, bildet es zudem einen Orientierungspunkt.

Platz für 80 Studentinnen und Studenten
Im Erdgeschoss befinden sich ein Essraum, Verwaltungsräume und eine Gemeinschaftsküche, im ersten Stock eine Wohneinheit mit acht Zimmern mit einer Gemeinschaftsdusche und WC und in den oberen drei Stockwerken je zwei Wohneinheiten mit je acht Zimmern, ebenfalls mit je einer Gemeinschaftsdusche mit WC. Die Zimmer sind klein und es gibt nur noch wenige Doppelzimmer. Rund 80 Studenten wohnen hier. In den Semesterferien können die Zimmer auch gemietet werden (siehe Kasten).

Weg von fossilen Energien
Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude wurde 1910 erbaut, 1961 konnte es die Justinus Stiftung erwerben. Ende der 80er Jahre wurden umfangreiche Modernisierungsmassnahmen durchgeführt. Dabei wurden auch einige architektonische Merkmale wegmodernisiert. Geheizt wurde im Justinus Haus auf dem Züriberg bis anhin mit Gas- und Heizölkesseln, die auch das Warmwasser lieferten. „Bei der aktuellen Sanierung war der Auftrag klar: Die Stiftung wollte sich sowohl von Gas als auch von Heizöl verabschieden“, erklärt Beat Kämpfen, Inhaber und Geschäftsleiter der kämpfen für architektur AG in Zürich, der mit der Sanierung beauftragt wurde.

Architektur und Energieeffizienz im Einklang
Das Architekturbüro verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Bau und Sanierung mit höchsten Anforderungen an die Energieeffizienz. Dabei setzt Beat Kämpfen auch stets auf hohe architektonische Qualität: „Heute werden zu viele alte, architektonisch wertvolle Gebäude zugunsten einer Verdichtung abgerissen, oder sie werden in dicke Hüllen gepackt, so dass sich ganze Strassenbilder verändern.“ Das ärgert ihn, denn es geht auch anders, wie das Beispiel Haus Justinus und andere Sanierungen des Architekturbüros kämpfen für architektur in Zürich zeigen.

Zurück zu Sprossen und Oberlichtern
„Die Fassade wies praktisch keine Risse auf. Konstruktiv ist das Gebäude in einem sehr guten Zustand“, erklärt Beat Kämpfen bei einem Rundgang. Energetisch gab es jedoch einiges aufzuwerten. Als erstes wurden zwischen Mai und November 2013 schrittweise die Fenster ersetzt, denn die gesamte Sanierung wurde bei normalem Betrieb durchgeführt. „Die Studenten wurden informiert und mussten ihre Zimmer für den Fensterersatz für 24 Stunden räumen“, erklärt Beat Kämpfen. Die neuen, dreifachverglasten Holzfenster verfügen im Gegensatz zu den in den 80er Jahren eingesetzten wieder über ein Sprossenkreuz. „Damals sind die Oberlichter den Blechkisten für die Rollläden zum Opfer gefallen. Wir haben nun wieder Fenster mit Oberlichtern montiert. Die Rollläden wurden wieder durch Fensterläden ersetzt, so wie es ursprünglich war.“


Stiftung Justinus
Die Stiftung Justinus betreibt in Genf, Freiburg und Zürich Studentenheime für junge Menschen aus Entwicklungsländern. Sie bietet ihnen neben Stipendien günstigen Wohnraum. Die bescheidenen Zimmer in Zürich kosten zwischen CHF 350 bis 600 pro Monat inkl. Frühstück. Während der Semesterferien werden sie auch als Hotelzimmer vermietet, Einzelzimmer ab CHF 55 und Doppelzimmer ab CHF 120 inklusive Frühstück. www.justinus.ch


30 cm Dämmung auf dem Dach
Gleichzeitig mit dem Fensterersatz im ganzen Gebäude wurde der Dachstock saniert: Das gesamte Dach wurde zwischen und auf den Sparren mit Cellulose und 30 cm dicken Holzfaserplatten gedämmt. Die Dachzwischenräume der im Sommer sehr heissen und im Winter sehr kalten Dachzimmer mit Lukarnen wurden mit Zellulose ausgeblasen und die Fenster auch hier durch Holzfenster mit 3-Fachverglasung ersetzt. Aussen wurden die Lukarnen mit 4 cm Aerogel gedämmt. „Das entspricht ca. 12 cm Wärmedämmung“, erklärt Beat Kämpfen. Dass die Lukarnen nun etwas breiter sind, ist von aussen kaum sichtbar. Die Kellerdecken wurden gegen die beheizten Räume ebenfalls gedämmt.

Wärmepumpe und
unverglaste Kollektoren
„Da das Dach im Verhältnis zum Gebäude relativ gross ist, konnten auf der Süd- und Südostseite 70 Quadratmeter unverglaste Kollektoren des Walliser Produzenten Energie Solaire installiert werden, die nach Süd-Ost ausgerichtet sind.“ Sie fügen sich perfekt in die Architektur des Haus Justinus ein, so dass die Denkmalpflege damit einverstanden war, auch weil dem Haus einige architektonische Merkmale, wie die Fensterläden und die Fenstersprossen zurückgegeben wurden. „Die Wärme der Kollektoren wird mittels der Wärmepumpe direkt zum Heizen und für Warmwasser genutzt und im Sommer, wenn es lediglich Warmwasser braucht und zu viel Wärme anfällt, den sechs je 380 Meter tiefen Erdsonden zugeführt, damit diese nicht auskühlen,“ erklärt Architekt Kämpfen. Zudem stehen im Heizungsraum ein 3000 Liter-Speicher. Die Erdsonden wurden bereits 2013 gebohrt. Die Heizung wurde im Spätsommer 2014 ausgetauscht.

„Das Abkühlen von Erdsonden wird unterschätzt, “ erklärt Beat Kämpfen: „Neueste Studien zeigen klar, dass der Wirkungsgrad von Erdsonden nach 15 bis 20 Jahren abnimmt. Der Begriff Erdwärme ist irreführend, denn nur 20 Prozent der Wärme stammen aus dem Erdinneren, 80 Prozent sind gespeicherte Sonnenenergie! Mit der Einspeisung der Sommerwärme regenerieren wir die Erdsonden, zudem weisen die unverglasten Kollektoren in Kombination mit einer Wärmepumpe einen besseren Wirkungsgrad auf als verglaste.“

Der richtige Kompromiss
Die Fassade wurde neu gestrichen und der Verputz, dort wo es nötig war, erneuert. „Wir haben die Fassade aber nicht gedämmt. „Ich bin beim Dämmen von bestehenden Gebäuden für den richtigen Kompromiss: Das Dach und den Keller optimal wärmedämmen, wie beim Haus Justinus, die Fenster ersetzen und die Haustechnik erneuern. Gemäss der Theorie von Professor Leibundgut ist die Dämmung sekundär, er setzt vor allem auf den Solarertrag vom Dach in Kombination mit Erdsonden. Im vorliegenden Fall könnten wir jedoch damit nicht annähernd genug Heizenergie produzieren.“

Eckdaten Sanierung Justinushaus

 

Vor der Sanierung

Nach der Sanierung

Jährlicher Energieverbrauch für Heizung

232‘000 kWh

192‘000 kWh

Jährlicher mittlerer Energieverbrauch für Warmwasser

83‘000 kWh

70‘000 kWh

Ertrag Solaranlage

-

- 30‘000 kWh

Bereitstellung durch Wärmepumpe

 

- 232‘000 kWh

 

 

 

Energiebedarf insgesamt

315‘000 kWh (Heizöl und Gas)

65‘500 kWh (Strom)

Minergie-Standard
Bis Ende Jahr werden in einer neuen Steigleitung und den heruntergehängten Decken die Lüftungsrohre für die kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung gezogen. Beat Kämpfen: „Und im Estrich ist auch Platz für das Lüftungsgerät“. Danach erreicht das Justinus-Haus den Minergie-Standard für Altbauten. „Diesen erreichen wir nur dank der kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung, und zudem verfügen jetzt alle im Haus über ausreichend frische Luft“, freut sich Beat Kämpfen.

Siehe auch Sanierungsbericht auf ee-news.ch des Büros kämpfen für architektur vom 25.9.14. >>

©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

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