Härtetest: Dünnschichtmodule sind zwar dünner, aber ebenso robust und leistungsstark wie kristalline Siliziumzellen. Bild: TÜV Theinland

Photovoltaiktechnologie: Dünnschicht vor dem Comeback

(©SR) Die Dünnschicht-Photovoltaik steckt in der Krise, denn sie hat ihren Kostenvorteil gegenüber den Siliziumzellen eingebüsst. Doch lassen bessere Produktionen und neue Konzepte einen Wiederaufschwung des einstigen Hoffnungsträgers erwarten. Das Spannende an der Dünnschicht ist unter anderem ihr geringer Materialbedarf und die niedrigen Produktionskosten.


Mit einem Kilogramm Kupfer kann man in der regenerativen Energietechnologie nicht viel bewegen. Die Menge reicht gerade einmal für ein halbes Absorberblech eines Solarthermie-Kollektors aus. Oder für einen Meter Kabel in einem 100 Meter hohen Windrad. In der Dünnschicht-Photovoltaik hingegen ist ein Kilogramm Kupfer viel wert. „Damit lassen sich etwa 50 Quadratmeter Fläche beschichten und rund sechs Kilowatt Solarleistung herstellen“, erklärt Christoph Adelhelm, Projektmanager des österreichischen Werkstoffanbieters Plansee. Ein kleiner Metallbarren genügt also, um genug PV-Zellen für ein grosses Hausdach zu fertigen.

Sputterdeposition

Für die gute Materialausbeute sorgt ein spezielles Beschichtungsverfahren, die sogenannte Sputterdeposition: Gasteilchen schlagen die Elemente aus einem Feststoffkörper, die sich dann hauchdünn auf einem Träger – Glas oder Folie – niederschlagen. In marktgängigen Zellen auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIS), wandelt diese maximal zwei Mikrometer dicke Schicht im Schnitt zehn bis zwölf Prozent des Sonnenlichts in Strom um.

Weil so wenig Absorbermaterial so wirkungsvoll Strom erzeugen kann, gilt die Dünnschicht vielen als Photovoltaiktechnik der nächsten Generation. Wobei neben dem CIS noch andere Absorber infrage kommen. Der US-Hersteller First Solar zum Beispiel ist mit dem CdTe abgekürzten Cadmium-Tellurid sehr erfolgreich, andere Produzenten verwenden Dünnschichtsilizium, das sie heute meist als Doppellage aus je einer amorphen und einer mikrokristallinen Siliziumschicht auf ein Substrat auftragen. Ausserdem gibt es verschiedene Beschichtungsmethoden, von denen die thermische Verdampfung neben der Sputterdeposition die verbreitetste ist. Hierbei wird das Ausgangsmaterial durch eine elektrische Heizung solange erhitzt, bis ein Materialdampf entsteht, der auf dem Substrat zu einer Schicht kondensiert. Die Verdampfung läuft wie das Sputtern in geschützter Atmosphäre im Vakuum ab, um den Halbleiter nicht mit schädlichen Fremdkörpern zu verunreinigen.

Leicht, aber relativ teu
er
Doch wie welche Materialkombination letztlich auch verarbeitet wird – das Produkt sind photoaktive Schichten, die dünner sind als ein menschliches Haar. „Das Spannende an der Dünnschicht ist ihr geringer Materialbedarf und die niedrigen Produktionskosten. Ausserdem können die Module dank ihrer Flexibilität und ihres geringes Gewichts leicht transportiert und überall eingesetzt werden“, sagt Solarforscher Klaus Lips vom Helmholtz-Zentrum Berlin. Die Technik bringt noch einen weiteren Vorteil mit sich: Neue Materialien und Beschichtungsverfahren können auch in anderen Bereichen wie der Fensterindustrie oder der Mikroelektronik angewendet werden. Dünne Schichten schützen und veredeln Oberflächen, isolieren Produkte gegen Hitze und Kälte, leiten und regeln Strom und unterstützen nicht zuletzt die Speicherung von Energie oder Informationen.

Siliziumzellen
materialintensiver
Siliziumzellen, die derzeit dominierende PV-Technik, sind weitaus weniger variabel. Zwar arbeiten sie effizienter als ihre feinen Kontrahenten – Siliziumzellen nutzen heute bis zu 20 Prozent des einfallenden Lichts für die Stromproduktion aus. Mit rund 180 Mikrometern sind sie aber auch fast hundertfach dicker und damit deutlich materialintensiver. „Die Siliziumscheiben werden aus multi- oder monokristallinen Siliziumblöcken gesägt. Diese Produktionsweise lässt kaum dünnere Wafer zu“, erklärt Lips. Umständlich ist auch die Herstellung der Blöcke. Ein monokristalliner Ingot wird aus einer langsam erstarrenden Schmelze gezogen. Das dauert bei einem typischen Durchmesser von 15 bis 20 Zentimetern und einem Gewicht von bis zu 60 Kilogramm etwa anderthalb Tage. Zum Vergleich: Die Dünnschichtherstellung ist eine Sache weniger Minuten.

Für ihren entgültigen Durchbruch müsste die Dünnschicht nun nur noch beim Wirkungsgrad zulegen. Im Labor glänzt sie bereits mit Topwerten. Beim Dünnschichtsilizium erreichen Forscher der US-Firma United Solar mit sogenannten Dreifachstapelzellen mittlerweile 16,7 Prozent Effizienz. First Solar schafft mit CdTe-Laborzellen sogar schon 17,3 Prozent. Noch höhere Werte erreicht das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) Baden-Württemberg mit CIS: 20,3 Prozent Wirkungsgrad stehen hier seit 2010 zu Buche.

Marktanteil eingebrochen

Doch so kurz vor dem Marktdurchdringung scheint den Dünnschichtfirmen finanziell die Puste auszugehen. Statt grosse Fensterfronten und das Freiland zu erobern, ist der Marktanteil der schlanken Stromgeneratoren laut der Bostoner Marktforschungsfirma GTM Research seit 2009 um die Hälfte auf zehn Prozent zurückgegangen. Hauptgrund für diesen Rückgang ist der massive Preisverfall bei den Siliziummodulen. Übereifrige chinesische Hersteller haben dafür zu viele und zu grosse Fabriken gebaut. Um ihre Linien am Laufen zu halten, verkaufen sie ihre Produkte nun teilweise unter Fertigungskosten. Daher hat sich der Durchschnittspreis für Siliziummodule aus China nach Erhebungen des Berliner Marktforschers Sologico in den letzten anderthalb Jahren auf 66 Eurocent pro Watt halbiert. Der aus dem geringen Materialverbrauch resultierende Preisvorteil der Dünnschichtmodule ist so in kurzer Zeit dahingeschmolzen – alle drei Dünnschichten sind laut Sologico mit rund 60 Cent pro Watt nur noch unwesentlich günstiger. Dass Investoren bei nahezu identischen Preisen lieber die effizienteren Siziumanlagen bauen, ist nachvollziehbar.

Neue Zellenkonzepte

Noch ist das Rennen um den Platz an der Sonne für die Dünnschicht aber nicht verloren. „Wir denken, dass die Dünnschicht wieder an Bedeutung gewinnt, denn anders als die kristalline Technik hat sie noch viel Optimierungspotenzial“, sagt Helmholtz-Forscher Lips. Einen Beweis dafür liefert der jüngst nach Japan verkaufte Solarmaschinenbauer Oerlikon Solar aus der Schweiz. Der Dünnschichtspezialist hat dieses Jahr eine schlüsselfertige „ThinFab“ für Module aus Dünnschichtsilizium auf den Markt gebracht, die die Vorgängerlinie aus dem Jahr 2010 in allen Belangen in den Schatten stellt. Bei 23 Prozent niedrigeren Investitionskosten schafft sie nach Angaben von Oerlikon einen 17 Prozent höheren Durchsatz und bringt um acht Prozent effizientere Zellen mit 10,8 Prozent Wirkungsgrad hervor.

6,5 Millionen Euro
für das Projekt „CIGSfab
Dass in der Dünnschicht-PV noch viele Neuerungen möglich sind, glaubt auch die deutsche Bundesregierung und fördert die Technik im Rahmen der Innovationsallianz Photovoltaik daher weiter kräftig. Trotz ihres geringen Marktanteils hat ein Drittel aller Projekte der Allianz die Dünnschicht im Fokus. So fliessen allein 6,5 Millionen Euro in das Projekt „CIGSfab“, in dessen Rahmen der süddeutsche Anlagenbauer Manz schlüsselfertige Fertigungslinien entwickelt. Die EU pumpt ebenfalls frisches Geld in die Dünnschichtforschung. Sie hat soeben bis 2015 zehn Millionen Euro für das Projekt „Scalenano“ bewilligt, an dem sich 13. europäische Forschungsgruppen beteiligen. Ehrgeiziges Ziel ist die Entwicklung völlig neuer Zellen. Für schnelle Kostensenkungen wollen die Wissenschaftler alternative, vakuumfreie Prozesse entwickeln, bei denen Nanopartikel ähnlich wie Tinte gedruckt werden. Druckverfahren sind günstiger als das Sputtern oder das Aufdampfen von Halbleitern, da sie höhere Geschwindigkeiten und Durchsätze ermöglichen und keine Energie für das Zerstäuben und Verdampfen benötigen. Zudem will die Kooperative neue Absorber, sogenannte Kesterite, erproben. Diese haben ähnliche Eigenschaften wie die bisher verwendeten CIS-Materialien, nutzen anstelle des seltenen und teuren Indiums aber billigeres Zink und Zinn.

Empa
gehört zu den Schlüsselakteuren
Einer der Schlüsselakteure bei der Erforschung der neuen Zellen ist die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in der Schweiz. Sie hat die Aufgabe, Kesteritabsorber auf Basis von Zinn, Zink und Schwefel zu gewinnen und ausserdem wirkungsvollere sogenannte transparent leitfähige Oxide zu entwickeln, die in Dünnschichtzellen als elektrische Frontkontakte dienen. „In fünf bis zehn Jahren wollen wir Kesteritzellen aus nanostrukturierten Ausgangsstoffen mit 15 bis 20 Prozent Effizienz herstellen, die günstiger sind als Siliziumzellen“, sagt Empa-Solarforscher Jaroslaw Romanyuk. Der jüngste Erfolg des US-Konzerns IBM lässt die Wissenschaftler hoffen. Er stellte im Juni in einer Rolle-zu-Rolle-Beschichtungsanlage die erste Kesteritzelle mit 11,1 Prozent Wirkungsgrad her. Ihre Forschungsergebnisse will Empa später auch für andere Bereiche wie Batterien oder intelligente Fenster nutzbar machen. In Fensterscheiben könnten TCO-Nanoteilchen zum Beispiel dafür sorgen, dass Infrarotwärme zur Kühlung im Sommer reflektiert oder im Winter gesammelt wird, so Romanyuk.

Auch das Helmholtz-Zentrum Berlin beteiligt sich an der Suche nach der Dünnschichtzelle der Zukunft. Im Rahmen von Scalenano entwickelt es neue analytische Methoden zur Chakterisierung der Zellen während des Herstellungsprozesses. Mit den Erkenntnissen wollen die Wissenschaftler die Absorberqualität sowie Ausbeute und Durchsatz bei der Produktion verbessern. Möglich wird die präzise Analyse von Schichten durch das neue, 19 Millionen Euro teure Röntgen-Strahlrohr Emil (Energy Materials in-situ Laboratory Berlin), das 2013 an den Elektronenbeschleuniger Bessy II in Berlin angeschlossen werden soll. „Mit Emil können wir den Schichten quasi beim Wachsen zusehen und genau beobachten, welche Prozesse an der Oberfläche ablaufen“, sagt Lips.

Direkte Umwandlung in Wasserstoff

Die neue Röntgentechnik will das Helmholtz-Zentrum auch für die Entwicklung katalytisch aktiver Beschichtungen nutzen. Die Katalyse bezeichnet die Beschleunigung, Einleitung oder Lenkung chemischer Reaktionen durch Beteiligung bestimmter Stoffe, so genannter Katalysatoren. Mit ihrer Hilfe lassen sich multifunktionale Dünnschichtzellen bauen, die ihren Strom an der Oberfläche direkt in speicherbaren Wasserstoff umwandeln. Dieser kann dann im Erdgasnetz gelagert oder als Sprit für Brenstoffzellenautos genutzt werden. Die grosse Zeit der Dünnschicht steht offenbar erst noch bevor.

©Text: Sascha Rentzing

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1 Kommentare

Edmund Hirner, Ehirner@ aolcom

Das ist sehr positiv dargestellt. Wie sieht jedoch das Zwischenergebnis bis 1.uni 2013aus bzw. wie hoch sind die Kosten je
erzeugem Watt? Lässt sich das Verfahren auf flexibles Trägermatarial ohne grösseren technischen Aufwand übertragen ?
Edmund Hirner, Stuttgart

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