Als Renditeobjekt verlieren Solaranlagen an Bedeutung, dafür wird der Eigenverbrauch immer lukrativer. Bild: BSW-Solar

Photovoltaik: Sonnenstrom selbst nutzen

(©SR) Steigende Strompreise, fallende Kosten für Solartechnik. Da lohnt es sich nicht nur, auf Photovoltaik umzusteigen, sondern die Sonnenenergie auch selbst zu verbrauchen. Die ersten konsequenten Eigenstrom-Lösungen kommen derzeit auf den Markt. Für den Verbraucher noch zu früh?


Immer der gleiche Ärger. Man optimiert seinen Verbrauch und spart Energie, wo es nur geht. Und dennoch wird der Strom mit der nächsten Rechnung wieder teurer. Und das geht so weiter: Steigende Einkaufspreise für Gas und Öl sowie der Emissionshandel für Kohlendioxid, der die Energieversorger ab 2013 zum Kauf von Verschmutzungsrechten verpflichtet, werden die Kosten künftig noch weiter in die Höhe treiben. Zum Glück gibt es einen Ausweg: Sonnenstrom ist dank schneller technischer Fortschritte inzwischen günstiger als herkömmlicher Haushaltsstrom aus der Steckdose. Was liegt also näher, als sich mit Strom aus einer eigenen Photovoltaikanlage direkt selbst zu versorgen?

EEG stellt Branche auf eine harte Probe
Bisher spielte der solare Eigenverbrauch allerdings kaum eine Rolle. In Deutschland speisen die meisten Anlagenbetreiber ihren Strom komplett ins Netz ein und erhalten dafür vom Energieversorger über 20 Jahre hinweg eine gesetzlich garantierte Einspeisevergütung. Doch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) stellt die Branche auf eine harte Probe. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einigte sich Ende Juni darauf, die Solarstromvergütung drastisch zu kürzen und künftig monatliche Kürzungen zu verschärfen je nach dem, wie viele Solaranlagen im Vorquartal neu ans Netz gingen. „Als Renditeobjekt verlieren Solaranlagen damit an Bedeutung“, prophezeit Markus Hoehner, Geschäftsführer der Bonner Marktforschungsfirma EuPD Research.

Dafür wird der Eigenverbrauch immer lukrativer. Die Kilowattstunde (kWh) Solarstrom lässt sich hierzulande derzeit für weniger als 19 Cent erzeugen. Steckdosenstrom kostet den privaten Endkunden hingegen 22 Cent und mehr. Eigenverbraucher können demnach heute schon rund vier Cent pro Kilowattstunde sparen – Tendenz steigend.

Zweirichtungszähler
Äusserlich ist eine Anlage für den Eigenverbrauch kaum von einem einspeisenden Sonnenkraftwerk zu unterscheiden. Sie liefert ihren Gleichstrom ebenfalls an einen Wechselrichter, der ihn in netzfähigen Wechselstrom umwandelt. Auch Elektrogeräte wie Fernseher und Waschmaschinen benötigen Wechselstrom. Lediglich der Bezugszähler wird beim Eigenverbrauch durch einen sogenannten Zweirichtungszähler ersetzt. „Er hat zwei Zählwerke. Das eine zeigt die bezogene, das andere die ins öffentliche Netz eingespeiste Energiemenge an“, erklärt Özcan Pakdemir, Elektroinstallateur aus dem westfälischen Bergkamen. Ein zweiter Zähler misst den von der Photovoltaikanlage erzeugten Strom. Zur Berechnung des Eigenverbrauchs wird die Einspeisemenge von dieser Gesamtenergie abgezogen. Den finanziellen Zusatzaufwand für den Zweirichtungszähler hält Pakdemir für vertretbar. „Das Gerät kostet nur rund 200 Euro mehr als der Zähler für die normale Einspeisung.“

Günstiger Strom vom Dach
Komplizierter und teurer wird es allerdings, wenn der Solarstrom komplett selbst genutzt werden soll. Genau das ist aber mittel- bis langfristig das Ziel. Denn in diesem Fall kommen Anlagenbesitzer gänzlich ohne teuren Netzstrom aus. Ausserdem strömt dann weniger Solarstrom in die ohnehin schon stark überlasteten Ortsnetze. Allerdings scheint die Sonne vor allem mittags, wenn Haushalte relativ wenig Energie benötigen. Zum Fernsehen und Kochen am Abend lässt sie sich kaum noch anzapfen – das Stromnetz ist dann die einzig verfügbare Quelle. Für eine unabhängige Energieversorgung müssen Anlagenbesitzer daher zusätzlich Batterien anschaffen, die Überschüsse zwischenspeichern und bei Bedarf zur Verfügung stellen. Das Problem: Die für den Hausgebrauch am besten geeigneten Lithium-Ionen-Akkus sind noch recht teuer. „Die gespeicherte Kilowattstunde Solarstrom kostet aktuell etwa 40 Cent“, erklärt Matthias Vetter, Leiter der Abteilung elektrische Speichersysteme im Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Von diesem Preis machen die Speicherkosten gut die Hälfte aus. Diese Kosten dürften Verbraucher eher abschrecken. Doch Vetter glaubt, dass sich dank technischer Fortschritte und grösserer Produk¬tionen die Speicherkosten in den kommenden drei bis vier Jahren auf zehn Cent halbiert werden können. „Wenn gleichzeitig der Haushaltsstrompreis weiter wie bisher um fünf Prozent pro Jahr steigt, werden sich Lithium-Ionen-Speicher schon ab 2015 lohnen“, sagt der Batterieforscher.

Lithium-Ionen-Akkus von Leclanché
Seine Prognose könnte aufgehen, denn renommierte Batteriehersteller wie Leclanché aus der Schweiz, die japanische Panasonic oder Varta aus Hannover starten die Massenfertigung von Lithium-Ionen-Akkus für die Solarenergie. Leclanché zum Beispiel will ab kommendem September in einer umgerüsteten Magnetbandfabrik im badischen Willstätt eine Million Lithium-Titanat-Zellen pro Jahr produzieren. Das entspricht etwa 20‘000 Speichern für Eigenheime.

Die Schweizer reagieren mit ihrer neuen Fabrik auf die zunehmenden Bestellungen der Solaranbieter, die sich im jungen Speichermarkt positionieren wollen. „Eigenstromlösungen sind der neue Trend in der Photovoltaik. Die Verbraucher streben nach mehr Unabhängigkeit“, sagt Leclanché-Chef Ulrich Ehmes. Zu den ersten grossen Solarkunden des Unternehmens zählt der chinesische Modulhersteller Talesun. Mit ihm hat Leclanché ein Solarsystem entwickelt, das den Eigenverbrauch eines typischen Vierpersonen-Haushalts von 30 auf 70 Prozent erhöht. Derzeit wird die Technik allerdings noch in Pilotprojekten in Südeuropa und Asien getestet.

Talesun sollte sich jedoch mit der Markteinführung sputen, denn der Kampf um Kunden und Marktanteile ist schon in vollem Gange. Auf der Solarmesse Intersolar zeigten 140 Aussteller Lösungen rund um den Eigenverbrauch, die ersten Firmen platzieren ihre Speichersysteme bereits auf den Markt. Der Hamburger Solaranbieter Conergy zum Beispiel startet zum Winter den Verkauf seines neuen „Sonnenspeichers“. Mit fünf Kilowatt Leistung und einer Speicherkapazität von 8,8 bis 13,2 Kilowattstunden ist er in zwei unterschiedlichen Grössen für einen Vier-Personen-Haushalt ausgelegt. Jaak Palisaar, Leiter Produktmanagement, stellte die Technik auf der Solarmesse Intersolar im Juni vor. Der Solarstrom kann mittels des gut mannshohen Geräts nicht nur gelagert werden, der Batterieschrank mit integriertem Wechselrichter und einem Managementsystem entscheidet auch selbstständig, wie die Energie jeweils am besten zum Einsatz kommt. Also ob direkt Haushaltsgeräte angesteuert, die Lithium-Ionen-Batterien befüllt oder ins Netz ein gespeist wird. Ein einfaches Display zeigt dem Anwender, welche Nutzung das Management-System wählt.

Speicher vor dem Durchbruch
Palisaar macht keinen Hehl daraus, dass das Conergy-System wegen der Lithium-Ionen-Akkus in der Anschaffung noch teurer sei als manche Lösung mit herkömmlichen Bleibatterien. „Allerdings muss der Bleiakku über die 20 Jahre auch mindestens drei Mal ausgetauscht werden, während der „Sonnenspeicher“ 20 Jahre hält.“ Das liege an der höheren Zyklenfestigkeit der Lithium-Ionen-Batterien, erklärt Palisaar. „Sie können etwa 7000 Mal vollständig be- und entladen werden, Bleibatterien hingegen schaffen nur 2000 Zyklen.“ Weitere Besonderheit des „Sonnenspeichers“: Der Gleichstrom der Module vom Dach wird vom Wechselrichter nicht automatisch in Wechselstrom umgewandelt. Muss der Akku geladen werden, wird dieser zur Vermeidung von Verlusten direkt mit Gleichstrom gespeist. Erst wenn die Batterien gefüllt sind, gibt das System dem Inverter das Signal, den Gleichstrom zur Versorgung häuslicher Verbraucher oder zur Netzeinspeisung in Wechselstrom umzuwandeln. „Durch diese Regelung steigt der Systemwirkungsgrad und mehr Energie kommt im Akku und später im Hausnetz an“, erklärt Palisaar.

Bleiakkus bei Solarworld
Solarworld hingegen verbaut in seinen Eigenstromlösungen bisher ausschliesslich Bleiakkus. Das neue Batteriesystem der Firma namens „Sunpac“ gibt es für Einfamilienhaushalte in zwei Ausführungen mit 6,9 und 13,8 Kilowattstunden Speicherkapazität. „Blei-Gel-Batterien sind für diese Kapazität derzeit die Speicher mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis“, sagt Solarworld-Produktmanager Markus Grasser. Was man der Bleitechnik nach den Aussagen anderer Anbieter kaum zutraut: Die 6,9 Kilowattstunden-Version hält laut Grasser 13 Jahre, die grössere Ausführung sogar 18 Jahre – fast so lange wie die als wesentlich robuster geltende Lithium-Ionen-Technik. Weiterer Pluspunkt: „Sunpac“ ist nicht grösser als ein Koffer und passt damit selbst in kleine Keller. Allerdings gehört zum System mehr als nur die Batterie. Mit dem Laderegler wird die Anlage gesteuert. Hier wird entschieden: laden, verbrauchen, einspeisen. Die nötigen Daten dafür liefert der Zweirichtungsstromzähler. Im integrierten Schaltrelais können Stromverbraucher beim Überschreiten eines definierten Ladezustands ein- oder ausgeschaltet werden. Den Ladestand der Anlage kann man sich über das Portal Suntrol anzeigen lassen, auf Wunsch auch über eine App auf dem Handy oder dem Tablet-PC.

Im Photovoltaiksystem der Zukunft, wie es sich Solarworld-Chef Frank Asbeck vorstellt, sind Batteriespeicher wie „Sunpac“ aber nur ein Mosaikstein. Seine Vision: Mit Solarstrom vom eigenen Dach werden künftig auch Elektroautos und -fahrräder sowie transportable Verbraucher versorgt. Erste Lösungen hat Solarworld dafür schon parat: Hingucker auf der Intersolar waren das „Suncarport“, eine mit Modulen bespickte Unterstellkonstruktion, die gleichzeitig als Tankstelle für Hybrid- oder Elektrofahrzeuge dient. Oder das „Sunshed“ zum unterstellen und Laden von E-Bikes. Auch Experten sehen in der Verbindung von Solarstromerzeugung, Eigennutzung im Haushalt und Elektromobilität die Perspektive der Photovoltaik. „Elektromotoren haben einen höheren Wirkungsgrad als Verbrennungsmotoren, und die Solarstromerzeugung ist effizienter als die mit Biotreibstoffen“, sagt ISE-Batterieforscher Vetter. Zusätzlich könnten die Elektrofahrzeuge durch intelligente Be- und Entladestrategien zur Netzstabilisierung beitragen.

Bisher sind Batteriesysteme und Elektrofahrzeuge zur solaren Energieautarkie nicht wirtschaftlich und damit für Verbraucher wenig attraktiv. Doch die neuen Anwendungen sind mehr als nur entfernte Zukunftsmusik, denn die Solarindustrie treibt Innovationen in diesem Bereich mit hohem Einsatz voran. In etwa fünf Jahren, erwarten Experten, werden die ersten wirtschaftlichen Speicher und Solarfahrzeuge erhältlich und die Einspeisevergütung für Solarstrom überflüssig sein. Bis es so weit ist, können sich die Verbraucher schon einmal langsam vom EEG loseisen: indem sie in eine Solaranlage investieren und mithilfe einfacher Technik wie einem zusätz¬lich¬en Zähler ihren Eigenverbrauch steigern.

©Text: Sascha Rentzing

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