Es ist eine Horror-Vorstellung für jeden Photovoltaik-Investor: Man gibt viele Tausend Euro für eine Solaranlage aus und freut sich auf mindestens 20 Jahre sichere Stromernte, doch schon nach kurzer Laufzeit sinkt die Leistung des Heim-Kraftwerks merklich. Was tun? Die gesetzliche Gewährleistungsfrist von zwei Jahren, in denen Verbraucher eine Nachbesserung, eine Preisminderung oder sogar den Rücktritt vom Kaufvertrag fordern können, ist bereits verstrichen. Muss man die teure Reparatur jetzt aus eigener Tasche bezahlen?
Mit generösen Garantien Absatz ankurbeln
Zum Glück sind Photovoltaikbetreiber besser abgesichert als Kunden vieler anderer Produkte. Hersteller von Solarmodulen geben freiwillige Garantien, die viele Jahre vor Mängeln schützen sollen. Einerseits wollen sie so das Vertrauen potenzieller Solarkäufer gewinnen, andererseits treibt sie der harte Wettbewerb zu weitreichenden Zugeständnissen. In Deutschland trifft ein rapide wachsendes Modulangebot auf eine schrumpfende Zahl von Kunden. Mit generösen Garantien wollen sich Modulhersteller von der Konkurrenz abheben und ihren Absatz ankurbeln.
Die meisten Unternehmen kombinieren in ihren Rundum-Sorglos-Paketen zwei Garantien, die sie in den vergangenen Jahren stetig erweitert haben. Mit der Produktgarantie bürgen Hersteller für Material und Verarbeitung. Diese Garantie gilt mittlerweile bis zu zehn Jahre und dient im Prinzip als verlängerte Gewährleistung. Die Leistungsgarantie, die Kunden eine gleichbleibend hohe Leistung der Module von 80 oder 90 Prozent der im Datenblatt ausgewiesenen Nennleistung zusichert, wird inzwischen sogar bis zu 25 Jahre gewährt. Und die Unternehmen satteln weiter drauf: Die Stuttgarter Sungreen Energy zum Beispiel hat die Produktgarantie ihrer Module im September auf 15 Jahre erhöht – kein anderer Hersteller verbürgt sich so lange für die Haltbarkeit seiner Paneele. Das fränkische Systemhaus IBC Solar wiederum garantiert seit Oktober, dass die tatsächliche Leistung seiner Module im ersten Betriebsjahr 100 Prozent der Nennleistung beträgt. Auch das ist bisher einmalig: Selbst Premiumanbieter wie Q-Cells oder Solarworld garantieren für ihre Module anfänglich „nur“ 97 Prozent der Nennleistung.
Kunden müssen zahlen
Bei so viel Schutz müssen sich Anlagenbetreiber über ihre Erträge keine Sorgen machen. Also investieren, solange Photovoltaikkraftwerke günstig sind, und unbeschwert Sonne ernten. Doch ganz so einfach ist die Sache leider nicht. „Die Garantien geben nur ein Gefühl von Sicherheit, tatsächlich ist das aber nicht der Fall“, berichtet die Rechtsanwältin Christina Bönning aus Kerpen bei Köln, die schon vielen Anlagenbesitzern bei der Durchsetzung von Garantieansprüchen geholfen hat. Das Problem: Das Kleingedruckte zu den grosszügigen Zertifikaten erweist sich oft als Hintertürchen, durch das Hersteller bei Modulfehlern gern entwischen.
Einer der grössten Knackpunkte ist Bönnings Erfahrung nach, dass es fast immer im Ermessen der Hersteller liegt, wie sie einen Schaden ersetzen. „Oft wird nur der Restwert eines kaputten Moduls erstattet“, sagt die Expertin. Das habe mit der Leistungsgarantie allerdings nichts zu tun, denn die Leistung der Anlage bleibe reduziert, so dass der Betreiber weiterhin weniger Strom erzeuge und somit auch weniger Einspeisevergütung erhalte. „Diese Einbusse kann grösser sein als der blosse Restwert“, sagt Bönning. Am verbraucherfreundlichsten wäre es aus ihrer Sicht, wenn sich Kunden und Hersteller einvernehmlich auf eine angemessene Entschädigungslösung einigen würden. „Das wird aber nicht als Möglichkeit vorgesehen.“
17 Klauseln im Widerspruch zum Verbraucherrecht
Verbraucherschützer haben die Hersteller daher genau ins Visier genommen. Die Verbraucherzentrale NRW prüft derzeit die Garantiebedingungen von Unternehmen, die auf dem deutschen Markt agieren. 30 Verträge hat sie bereits gecheckt – mit besorgniserregendem Ergebnis: „Sie alle enthalten unzulässige Regelungen“, sagt der Jurist Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW. „Wir haben insgesamt 17 Klauseln gefunden, die im Widerspruch zum Verbraucherrecht stehen.“ Fünf der grössten Akteure, Bosch Solar und Solarworld aus Deutschland, Trina und Yingli aus China sowie Mitsubishi aus Japan, hat der Verband bereits aufgefordert, in den Geschäftsbedingungen neuer Verträge auf die unzulässigen Klauseln zu verzichten und sich bei alten Kontrakten nicht mehr auf die geahndeten Bestimmungen zu berufen.
Besonders ärgerlich finden die Verbraucherschützer, dass selbst bei nachgewiesenen Schadensfällen Kosten auf Kunden abgewälzt werden. So müssten gemäss den meisten Garantiebedingungen Betreiber für die Demontage, den Transport, die Prüfung der Module im Labor sowie den Wiederaufbau zahlen, obwohl hierfür eigentlich die Hersteller verantwortlich seien. „Das sind vertragliche Nebenpflichten“, erklärt Schneidewindt. Der Kosten-Kniff spart den Unternehmen viel Mühen und Geld: Da das Abbauen, Durchmessen und die Wiedereinbindung alter Solarkacheln oft teurer sei als die Anschaffung neuer Paneele, verzichteten viele Betreiber lieber auf eine Garantieleistung, so Schneidewindt.
Keine Reaktion auf Kritik
Auch die Regelungen zur eigentlichen Garantieleistung geben Anlass zur Kritik. Hersteller legten in der Regel nicht nur fest, wie ein Schaden ersetzt wird, sondern behielten sich oft auch die Entscheidung vor, ob überhaupt ein Schaden vorliegt. „So können sie willkürlich walten“, kritisiert Schneidewindt. Zwar müsse ein Betreiber einen Garantiefall im Zweifel beweisen, doch könnten Unternehmen für sich daraus kein subjektives Vetorecht ableiten. „Ist der Beweis erbracht, müssen sie die Rechtmässigkeit des Anspruchs anerkennen.“ Ausnahme: Es liegt ein Ausschlussgrund vor, zum Beispiel wenn Leistungseinbussen auf einen Montagefehler des Installateurs zurückgehen. Lehnt es der Hersteller ab, den Garantieanspruch anzuerkennen, bleibt dem Anlagenbesitzer nur die Klage.
Stress mit Kunden und schlechte Schlagzeilen wollen die Unternehmen jedoch gerade in der augenblicklichen Marktlage unbedingt vermeiden. Vier der fünf von der Verbraucherzentrale NRW abgemahnten Hersteller, Bosch Solar, Solarworld, Trina und Yingli, haben darum bereits umfassende Unterlassungserklärungen abgegeben und verpflichten sich damit, die monierten Klauseln nicht weiter zu verwenden und sich auch in bisherigen Garantiebedingungen nicht mehr darauf zu berufen. Wichtiger Teilerfolg der Verbraucherschützer: Die vier „Big Player“ übernehmen die Kosten für den Transport der Module. „Wir haben den Passus bezüglich des Kostenausschlusses ersatzlos gestrichen“, sagt Bosch-Solar-Sprecherin Heide Traemann. Zudem bietet das Unternehmen an, im Garantiefall neben dem Austausch oder der Reparatur der Module alternativ auch den entgangenen Ertrag des jeweiligen Moduls zu entschädigen – von der angeprangerten Restwerterstattung liest sich in den neuen Garantiebedingungen dagegen erfreulicherweise nichts mehr. Auch Solarworld zahlt neuerdings für den Transport und gewährt eine Pauschale für die Demontage alter und die Installation neuer Paneele.
Wer bezahlt die Modulprüfung?
Dennoch sehen die Verbraucherschützer Anlagenbesitzer längst nicht auf der sicheren Seite. „Es bleibt weiter offen, wer für die Modulprüfung aufkommt“, sagt Schneidewindt. Zur Klarstellung hat sein Verband jetzt Klage gegen die Garantiebedingungen eines der grossen Solaranbieter eingereicht. „Wir wollen entgültig wissen, in welchem Umfang Hersteller Kosten übernehmen müssen.“ Auch monieren die Verbraucherschützer die fehlende Bereitschaft der anderen 25 überprüften Hersteller, ihre Garantiebedingungen zu überarbeiten. „Es fehlt bisher jede Regung. Freiwillig passiert in der Solarbranche offensichtlich nichts“, moniert Schneidewindt.
Dabei wird Sicherheit für Kunden zu einem immer wichtigeren Thema. Vieles spricht dafür, dass die Zahl der Garantiefälle in nächster Zeit stark steigen wird. Zum einen erhöht sich bei starkem Photovoltaikzubau schlicht die Wahrscheinlichkeit von Modulschäden, zum anderen zwingt der hohe Preisdruck die Hersteller, wesentlich kosteneffizienter zu produzieren. Das könnte dazu führen, dass sie billigere Materialien verwenden oder weniger Geld fürs Qualitätsmanagement ausgeben, was leicht zulasten der Haltbarkeit gehen kann.
Pleite bedrohte Firmen
Die Unternehmen sind ihren Kunden noch eine weitere Erklärung schuldig. Im harten Konkurrenzkampf wächst das Risiko von Pleiten. Gerade die deutschen Hersteller sind davon bedrohtm, denn sie verlieren immer mehr Kunden an chinesische Produzenten, die günstiger fertigen und ihre Module daher zu niedrigeren Preisen verkaufen können. Wer übernimmt die Modulgarantie, wenn das gewährende Unternehmen nicht mehr existiert?
Um Investoren zu beruhigen, denken deutsche Hersteller inzwischen über Versicherungen nach, die selbst im Fall einer Insolvenz die Garantieansprüche aufrecht erhalten. Q-Cells erwägt nach eigenen Angaben eine solche Versicherung, der Hamburger Anbieter Conergy verkauft sie mit seinen Photovoltaikanlagen bereits. Sie sichert 90 Prozent der Erträge ab. Sollte die Anlage also zu wenig Strom liefern und dem Kunden somit Ausfälle enstehen, zahlt sie die Differenz. Diese Versicherung schützt Betreiber fünf Jahre lang vor Ausfällen, bei Grossanlagen für zehn Jahre. Nachteil solcher Lösungen ist allerdings, dass sie den Preis der Module erhöhen. Die Frage ist, ob Kunden bereit sind, diese Mehrkosten zu tragen. Theoretisch könnten sie stattdessen bei einem starken, finanziell stabil aufgestellten Anbieter kaufen, der ohne kostentreibende Absicherung auskommt.
Garantien abspecken
Jurist Schneidewindt empfiehlt Firmen einen anderen, viel einfacheren Ansatz als die Versicherung. Er hielte es für die beste und ehrlichste Lösung, bei den Garantien einfach abzuspecken. „Keiner weiss, was in einem Vierteljahrhundert ist.“ Eine Leistungsgarantie mit zehn Jahren Laufzeit und kundenfreundlichen Regelungen mache daher am ehesten Sinn.
Solange bei den Garantien keine absolute Klarheit herrscht, raten Verbraucherschützer Anlagenbesitzern, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. „Man sollte seine Anlage kurz vor Ende der Gewährleistung von einem Sachverständigen überprüfen lassen“, rät Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein in Aachen. Stelle der bereits Mängel fest, könne man sicher sein, dass sie anstandslos behoben werden. Nach zwei Jahren werde das bedeutend schwieriger.
©Text: Sascha Rentzing
0 Kommentare