Solarstromindustrie: Triple Green

(SR) Grün, grün, grün sind die Träume der Fotovoltaikindustrie. Ihre neue Devise "Triple Green" heißt: sauberen Strom erzeugen, Module recyceln und diese obendrein umweltfreundlich herstellen. Doch noch ist der Dreiklang nur eine Vision, denn Ökofabriken sind teuer.

Diesmal stammt die Innovation nicht aus China, sondern aus Osterweddingen bei Magdeburg: Die Firma Malibu, die dort Dünnschichtmodule fertigt, reinigt ihre Prozesskammern neuerdings mit Fluor statt dem gefährlichen Treibhausgas Stickstofftrifluorid (NF3). Das klingt unspektakulär, bringt jedoch großen ökologischen Nutzen: "Wir vermeiden so jegliches Emissionsrisiko", sagt Malibu-Fertigungsleiterin Antje Bönisch. NF3 sei - falls es entfleuche - für die globale Erwärmung 17200-mal gefährlicher als CO2, Fluor habe dagegen kein Treibhauspotenzial. Wirklich attraktiv wird der Ökoschwenk für die Firma aber durch die sinkenden Betriebskosten. "Wir sparen pro Jahr eine sechsstellige Summe", sagt Bönisch.

Reinigung mit Fluor-On-Site-Generator
Der Schlüssel zu effizienterer Fertigung ist ein sogenannter Fluor-On-Site-Generator der Firma Linde. Malibus Module entstehen, indem Silizium in Vakuumkammern auf Glas aufgedampft wird. Da dabei viel Material an den Wänden der Kammern kleben bleibt, müssen diese regelmäßig gereinigt werden. Der Generator leitet dafür das Fluor ein, das mit dem Silizium zu gasförmigem Siliziumtetrafluorid reagiert, welches abgepumpt, abgefangen und abreagiert wird. Die neue Methode verringert die Klimagefahr und ist schnell: Fluor reduziere die Reinigungszeit dank seiner hohen Reaktionsfreudigkeit um die Hälfte, erklärt Linde-Manager Andreas Weisheit. Das verbessert den Durchsatz der Linien und senkt Kosten.
Malibu zählt damit zu den Vorreitern einer Branche, die nicht nur schnell, sondern auch sauber wachsen will. Bei ihren Bemühungen um Kostensenkungen dürften die Hersteller nicht in Versuchung geraten, günstigere Lösungen anzuwenden, ohne deren Einfluss auf die langfristige Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, betonte der frühere Q-Cells-Chef Anton Milner schon auf dem Photovoltaics Fab Managers Forum 2007 in Leipzig. Inzwischen existiert für Milners Ansatz ein einprägsamer Begriff: Triple Green: Module erzeugen grünen Strom, werden recycelt und zudem ressourcenschonend produziert. Das geschieht in Werken, die aus Öko-Materialien gebaut und regenerativen Energiequellen versorgt werden. Hier fallen bei der Produktion von Silizium, Wafern, Zellen und Modulen kaum noch CO2 und Abfälle an, sind Energie-, Gas-, Säure- und Wasserverbrauch auf ein Minimum reduziert.

Siliziumproduktion gefährdet grünes Image
Grund für die grüne Motivation der Solarindustrie: Ihr sauberes Image steht auf dem Spiel, denn sie wächst rasant und mithin ihre Emissionen. Die Siliziumproduktion ist, wie Eric Maiser vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) erklärt, die "eigentliche Sauerei": Der Halbleiter wird in vielen stromfressenden Prozessen aus Sand gewonnen. Meist stammt die Energie aus Atom- und fossilen Kraftwerken, denn herkömmlicher Strom ist für die Hersteller schlicht billiger und leichter verfügbar als regenerativ erzeugter.

Nicht viel ressourcenschonender werden danach die Wafer und Zellen gefertigt: Zum Reinigen der Siliziumscheiben nutzen Hersteller Säuren und Laugen. Zur elektrischen Ausrichtung der Zelle wird Phosphorsäure und Bor eingebracht, und bei der elektrischen Verschaltung kommt schließlich Blei ins Spiel. All diese Chemikalien finden sich später in den Abwässern der Solarfabrik wieder. Diese werden zwar behandelt, dennoch gelangen Schwermetalle und Nitrate auch ins Kanalsystem. Bei der Dünnschichtproduktion kracht und zischt es ebenfalls: CIS- oder CdTe-Module werden bei hohen Temperaturen in langen Prozessen aus Kupfer, Indium, toxischem Selen, Cadmium und Schwefelwasserstoff oder Cadmium-Tellurid gefertigt. Beim Dünnschichtsilizium reinigen die Hersteller ihre Kammern bislang mit NF3, von dem immer ein Teil in die Atmosphäre entfleucht.

Die Zulieferer bieten den Herstellern daher diverse Möglichkeiten, ihre Produktion auf grün umzustellen. Neben Lindes Fluorgenerator gibt es etwa Systeme, die das Prozesswasser aufbereiten und ständig im Kreislauf führen, sodass kein Abwasser mehr in die Kanalisation gelangt Der Berliner Fabrikplaner ib vogt hat sogar eine komplette „Greenfab" entwickelt, die ökologisch gebaut und betrieben wird. Die nötige Energie, erklärt Projektmanager Lino Garcia, erzeugen Solar- oder Erdwärmeanlagen vor Ort. Abwärme dient zum Heizen und Kühlen. Wasser wird wiedergewonnen. Integrierte Logistik- und Transportkonzepte verkürzen Wege und steigern die Energieeffizienz.

Noch kein Öko-Durchbruch in der Solarindustrie
Doch so groß die Vorteile einer grünen Fertigung sind - vom Öko-Durchbruch kann in der Solarindustrie noch keine Rede sein. Obwohl bereits vor drei Jahren entwickelt, hat ib vogt laut Garcia noch keine einzige Greenfab verkauft. „Die PV ist im Gegensatz zur Chipindustrie noch nicht tief ins Green Manufacturing eingestiegen", sagt Carlos Lee vom Halbleiterverband SEMI. Warum Triple Green bisher nicht stattfindet, dürfte vor allem an den hohen Investitionskosten für eine nachhaltige Produktion liegen. Eine Greenfab sei „sicherlich etwas teurer" als eine normale Fabrik, sagt Garcia. Zudem bremst die Rezession grüne Investitionen. Viele Hersteller mussten Einbußen bei Umsatz und Gewinn hinnehmen, große Ausgaben sind daher tabu.

Weil grün teuer, die Wirtschaftlichkeit unklar ist und die Branche sparen muss, bleibt Triple Green vorerst nur eine Vision. "Grün kommt in Dosen", sagt Maiser vom VDMA. Lee von SEMI verweist auf die Entwicklung der Halbleiterindustrie, die ihren Verbrauch erst über die Jahre deutlich gesenkt hat. STMicroelectronics, der größte europäische Halbleiterhersteller, benötigte nach eigenen Angaben von 1994 bis 2009, um seine CO2-Emissionen um 65, seinen Energieverbrauch um 54, seinen Wasserbedarf um 70 und sein Abfallaufkommen um 71 Prozent zu senken.

Die Solarbranche steht heute da, wo die Chipindustrie vor 15 Jahren stand. Solargigant Solarworld baut keine Greenfab, sondern macht in seinem Nachhaltigkeitsbericht erst mal nur alle relevanten Umweltdaten von sich und seiner Vorlieferanten transparent, ebnet grünen Investitionen also erst den Weg. Modulhersteller Solon ebenso: Er hat 200000 Euro in ein neues Umweltmanagementsystem investiert, um einen Überblick zu erhalten, wo nachhaltige Lösungen überhaupt wirtschaftlich Sinn machen. Malibu schwenkt in einem ersten nachhaltigen Schritt von NF3 auf Fluor. Den nächsten grünen Meilenstein werden die Firmen sicher erreichen - aber wohl erst nach der Krise.

Die kritischen Stoffe der Solarproduktion
Trichlorsilan ist ein eine farblose Flüssigkeit, die an Stäben in Siemens-Reaktoren langsam zu Solarsilizium wächst. Sie verströmt einen stechenden Geruch und ist hochentzündlich. Wird sie erhitzt, entstehen giftige und ätzende Gase. Bei Kontakt mit Wasser bildet sich Salzsäure.

Nasschemikalien schwimmen in den zahlreichen Ätz- und Reinigungsbädern, die Wafer und Zellen auf ihrem Produktionsweg durchwandern. Die Hersteller verwenden Fluss-, Salz- und Salpetersäure sowie Wasserstoffperoxid aus dem unteren ph-Wert-Spektrum, Natron- und Kalilauge aus der Basenfraktion. Alle Chemikalien sind gesundheits- und umweltgefährdend. Sie verlangen den Herstellern eine hohe Prozesssicherheit ab.

Stickstofftrifluorid dient zur Reinigung von Vakuumkammern, in denen Dünnschichtmodule aus amorphem Silizium produziert werden. Es ist ein gefährliches Klimagas: Untersuchungen zufolge entweichen 17 Prozent des produzierten NF3 während des Produktzyklus. In der Atmosphäre wirkt es als Treibhausgas 17200-mal stärker als CO2.

Cadmium wird in Dünnschichtmodulen in der kristallinen Verbindung Cadmium-Tellurid (CdTe) verwendet. Als Cadmiumsulfid (CdS) dient es als Puffer zwischen den der Grenz- und der Halbleiterschicht in kupferbasierten Dünnschichtpaneelen. Cadmium ist sehr giftig und befindet sich in derselben Gefahrengruppe wie Quecksilber oder Uran. Als Verbindung soll es laut den Herstellern unbedenklich sein.

 

© Text: Sascha Rentzing, www.rentzing.com

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