Der schwäbische Maschinenbauer Centrotherm blickt derzeit gespannt nach Asien: Das Unternehmen fährt für die taiwanesische Firma Sunshine ein Werk für CIGS-Dünnschichtmodule mit 30 Megawatt (MW) Kapazität hoch. Das Besondere: Es ist die weltweit erste komplett schlüsselfertige Produktionslinie für Module auf Basis von Kupfer, Indium und Selen. Centrotherm baut sie, übernimmt das „Ramp-up“ und garantiert Leistungsparameter wie Ausbeute, Ausstoß und Moduleffizienz. „CIS-Hersteller haben es noch nicht geschafft, sehr hohe Kapazitäten in den Markt zu legen. Wir können das ändern“, sagt Centrotherms Dünnschicht-Bereichsleiter Hartmut Gross. Die Industrie zeigt großes Interesse an dem neuen Turnkey-Werk: Man habe, so Gross, bereits mehrere Kontrakte geschlossen. Als nächstes will Centrotherm für die Hamburger Illies Renewables in Magdeburg eine 50-MW-Fabrik installieren.
Aufholjagd auf die Dünnschichtkonkurrenz
Nicht nur durch Centrotherm erfährt die Kupfer-PV derzeit einen kräftigen Schub. Weltweit bereiten CIS-Produzenten die Massenproduktion vor. Damit beginnt die Aufholjagd auf die Dünnschichtkonkurrenz, Module aus amorphem Silizium und Cadmium-Tellurid (CdTe), deren Ausbau schon länger boomt. Deutsche Firmen geben dabei den Takt vor: Neun der 15 größten CIS-Produzenten stammen laut einer aktuellen Analyse des PV-Beraters Accelios Solar aus Deutschland oder nutzen deutsche Expertise und Herstelltechnik. Auch beim Wirkungsgrad liegt mit der Q-Cells-Tochter Solibro eine deutsche Firma vorn: Ihr Paneel erreicht 12,3 Prozent Effizienz, mehr als jedes andere in Serie gefertigte CIS-Modul.
Effizienzen wie Siliziummodule
Noch sind die Kupferspieler mit einer Jahresweltproduktion von knapp 300 MW keine relevante Größe auf dem PV-Markt – allein die US-Firma First Solar setzte 2009 mit einem GW mehr als die dreifache Leistung ab. Doch sehen Experten große Wachstumschancen für die Technik. „CIS-Module versprechen höhere Wirkungsgrade als die anderen Dünnschichttechniken, lassen sich aber theoretisch ebenso günstig fertigen“, sagt Michael Powalla vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart. Den Effizienzbeweis hat das ZSW selbst erbracht: Es erreichte mit CIS-Zellen in einer vorindustriellen Linie 19,6 Prozent Wirkungsgrad. Zum Vergleich: Das CdTe-Effizienzpotenzial beträgt 16, das des Dünnschichtsiliziums sogar nur 13 Prozent. Matthias von Armansperg von Accelios Solar ist deshalb überzeugt: „Wenn man bei CdTe-Modulen in einigen Jahren an die Leistungsgrenze stößt, dürfte die Nachfolgetechnik im Dünnschichtbereich unter den CIS/CIGS-Technologien angesiedelt sein.“
Fertigung komplexer
Zum großen CIS-Geschäft ist es aber noch weit. Das Hauptproblem: CIS-Module bestehen mindestens aus drei Elementen. Das macht die Fertigung komplexer als bei anderen Zellentypen. Die CIS-Herstellkosten lägen noch bei durchschnittlich rund 1,20 Euro pro Watt, sagt EU-Solarexperte Arnulf Jäger-Waldau. Kostenführer First Solar fertigt dagegen bereits für knapp die Hälfte.
Um mithalten zu können, treiben die CIS-Entwickler Innovationen eifrig voran. Centrotherm ist First Solar offenbar schon dicht auf den Fersen: Für die 50-MW-Linie nennt Dünnschichtchef Gross Kosten von einem Euro pro Watt und garantiert für die 1,5 Quadratmeter großen Module 9,2 Prozent Wirkungsgrad. In einer größeren und optimierten 100-MW-Linie seien 2012 dann Kosten von 0,70 bis 0,75 Euro Watt und zwölf Prozent Effizienz realistisch.
Schlüssel zu hoher Kosteneffizienz sei Centrotherms zweistufiger Prozess zur Erzeugung des CIGS-Absorbers. In einem ersten Schritt werden die metallischen Schichten auf Glas gesputtert. Dabei schlagen Gasteilchen die benötigten Elemente aus Festkörpern, die sich dann auf dem Träger absetzen. Die kristalline Verbindung bildet sich anschließend durch schnelle Erhitzung in einer Selenatmosphäre. „Das dauert nur 60 bis 75 Sekunden“, sagt Gross. Zum Vergleich: Beim alternativen Koevaporationsprozess, bei dem alle Elemente gleichzeitig aufgedampft werden, liegt die Taktzeit pro Modul bei bis zu mehreren Stunden.
Nur noch 0,70 Euro pro Watt
Die drei ostdeutschen Firmen Avancis, Johanna Solar und Sulfurcell arbeiten in eigens entwickelten Linien ebenfalls erfolgreich mit sequentiellen Verfahren zur Halbleitererzeugung. Avancis’ CIGS-Paneele zum Beispiel wandeln bereits bis zu elf Prozent Licht in Strom um. Kostensenkungen will die Torgauer Firma durch Effizienzsteigerungen sowie die Verdreifachung der Herstellkapazität auf 60 MW bis 2010/2011 erreichen. Würth Solar, das im Gegensatz zum Ost-Trio auf die Koverdampfung der CIGS-Elemente setzt, erreicht mit Modulen in seiner 30-MW-Fabrik im Mittel sogar schon zwölf Prozent Effizienz. Und Entwicklungschef Bernhard Dimmler sieht weiteres Optimierungspotenzial: „Wir können im Schnitt 14 Prozent erreichen.“ Dafür will Würth unter anderem die Pufferschicht aus Cadmiumsulfid (CdS), die CIS-Absorber und Frontkontakt voneinander trennt, durch einen lichtdurchlässigeren Stoff ersetzen. Die Funktion des Puffers ist bis heute nicht ganz geklärt. Man weiß nur, dass er wichtig für den Wirkungsgrad ist. Die Suche nach CdS-Alternativen ist bei Würth schon weit gediehen: In Zusammenarbeit mit dem Berliner Helmholtz-Zentrum fertigten die Schwaben Kleinmodule mit einem Indium-basierten Puffer von 14,4 Prozent.
Internationale Konkurrenz
Doch die deutschen Firmen müssen sich mit der Aufskalierung ihrer Innovationen sputen. Die internationale Konkurrenz drückt bei der Expansion kräftig auf die Tube, könnte die deutschen Hersteller kapazitätsmäßig klar abhängen. Die japanische Firma Showa Shell etwa will bis 2011 ein GW Kapazität aufbauen. Stoßen Würth & Co nicht zeitnah in die gleichen Dimensionen vor, werden sie bei den Kosten vermutlich nicht mithalten können, da sie kaum von Skaleneffekten durch eine größere Produktionsmenge profitieren. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich derzeit auf dem kristallinen Solarmarkt: Chinesische Hersteller bauen gewaltige Werke, sättigen die Märkte mit billigen Siliziummodulen, verdrängen so die europäischen Produzenten immer mehr aus dem Wettbewerb. „Die Mengen an Venture Capital, die Firmen zur Verfügung gestellt werden, sind hierzulande im Vergleich zu anderen Ländern begrenzt“, nennt von Armansperg einen Grund für den bisher fehlenden deutschen Drang zur Masse. Ein weiterer: Das Aufskalieren von CIS-Produktionen ist keine leichte Übung. Noch fertigen die Firmen weitgehend mit prototypischen Anlagen, Standards, wie sie Applied Materials oder Oerlikon mit ihren Maschinen beim Dünnschichtsilizium gesetzt haben und die Massenproduktion begünstigen, fehlen beim CIS. Turnkey-Anbieter Centrotherm kann die Bedenken überhören: Als global agierender Zulieferer ist es ihm egal, wer seine Linien kauft.
© Text: Sascha Rentzing
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