Energie aus tausend Sonnen

Riesige solarthermische Anlagen ersetzen Atom- und Kohlekraftwerke. Seit der Wüstenstrom-Initiative Desertec ist die Solarthermie in aller Munde: In der Sahara sollen Kraftwerke gewaltigen Ausmaßes Sonnenwärme in Strom für Millionen Europäer umwandeln. Doch während Desertec bislang nur kühne Vision ist, boomen die solaren Kraftmeier bereits in Spanien und den USA. Technik und Expertise stammen vor allem aus Deutschland.

 

Riesige solarthermische Anlagen ersetzen Atom- und Kohlekraftwerke. Seit der Wüstenstrom-Initiative Desertec ist die Solarthermie in aller Munde: In der Sahara sollen Kraftwerke gewaltigen Ausmaßes Sonnenwärme in Strom für Millionen Europäer umwandeln. Doch während Desertec bislang nur kühne Vision ist, boomen die solaren Kraftmeier bereits in Spanien und den USA. Technik und Expertise stammen vor allem aus Deutschland.

Franz Trieb ist momentan nur schwer zu erreichen. Ständig ist der Physiker vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterwegs, hält Vorträge, nimmt an Expertenrunden teil, gibt Interviews. Dass Trieb im Augenblick so gefragt ist, hat er nicht etwa geplanten Weltraummissionen zu verdanken, sondern der Solarenergie. Mit seiner Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung ist der Wissenschaftler auch am Wüstenprojekt Desertec beteiligt, der wohl größten privaten Ökostrom-Initiative aller Zeiten.

0,3% der Wüstenfläche
Desertec gilt als Symbol der Energiewende: Diverse Unternehmen in Europa, darunter die Energiekonzerne Eon und RWE, wollen in Nordafrika solarthermische Kraftwerke bauen, die bis 2050 15 Prozent des Strombedarfs in Europa decken sollen. Anders als Photovoltaikanlagen, die Licht direkt in Elektrizität umwandeln, erzeugt diese Technik mithilfe von Sonnenwärme zunächst Dampf, der dann der Stromproduktion dient. 400 Milliarden Euro soll Desertec kosten, für das das DLR die wissenschaftliche Basis liefert: „Unsere Studien zeigen, dass solarthermische Kraftwerke auf weniger als 0,3 Prozent der Wüstenflächen des Großraums Europa-Mittlerer Osten-Nordafrika genügend Strom für den steigenden Bedarf dieser Länder und Europa erzeugen können“, sagt Trieb.

Alte Technik neu entdeckt
Nicht nur in der Sahara ist die Expertise des DLR gefragt: Klimaauflagen verpflichten die Energieversorger, ihren Ökostromanteil kurzfristig deutlich zu erhöhen. Im sonnenreichen Spanien wollen sie daher bis Ende 2010 Sonnenwärme-Kraftwerke mit 800 Megawatt (MW) Leistung aufstellen, im heißen Südwesten der Vereinigten Staaten sind sogar 6000 MW geplant. Spezielle Förderprogramme heizen den Bauboom an: Rund 0,27 Euro pro eingespeiste Kilowattstunde Solarthermie-Strom erhalten Kraftwerksbetreiber in Spanien, in den USA können Investoren bis zu 30 Prozent der Investitionssumme von der Steuer abziehen. Experten glauben, dass solarthermische Kraftwerke so effizient sind, dass sie schon bald ohne Förderung auskommen. „Das Kostensenkungspotenzial dieser Technik ist enorm“, erklärt Trieb.

Perfektionieren
Neu ist die Idee nicht, mit Sonnenwärme Strom herzustellen. Schon zu Zeiten der Ölkrise in den achtziger Jahren entstanden in der kalifornischen Mojave-Wüste die ersten Parabolrinnen-Kraftwerke. Riesige Felder parabolisch gewölbter Spiegel werfen dort ihr Licht auf lange Absorberrohre. Das darin zirkulierende Medium erhitzt sich dabei auf 400 Grad Celsius, durchfließt Wärmetauscher und erzeugt Dampf, der über eine Turbine einen Generator antreibt. Aber so verlässlich die solaren Kraftmeier auch arbeiteten – als der Ölpreis wieder fiel, verlor sich das Interesse an ihnen. Nur auf der Forschungsstation Plataforma Solar de Almería in Andalusien befassten sich spanische und deutsche Ingenieure weiter intensiv mit der Technik, perfektionierten die Parabolrinnen, entwickelten parallel neue Kraftwerkskonzepte. 2007, mit der Inbetriebnahme des 64-MW-Kraftwerks Nevada Solar One bei Las Vegas, gelang der Solarthermie schließlich der Durchbruch. Der spanische Baukonzern Acciona errichtete die Anlage für 250 Millionen Dollar, betreibt sie auf Basis von Stromabnahmevereinbarungen mit regionalen Energieversorgern.

726 MW Gesamtleistung
Der Erlanger Kraftwerksbauer Solar Millennium plant nun noch viel größer: Die Firma will im kalifornischen Kern County drei Parabolrinnen mit 726 MW Gesamtleistung aufstellen. Jede dieser Anlagen ist fast viermal größer als der Nevada-Block. Die Schlüsselkomponenten dafür, die Absorberröhren, liefert der Mainzer Glasspezialist Schott. Abnehmen wird den in Kern County generierten Strom der Energieanbieter Southern California Edison. Über weitere Anlagen in den USA verhandle Solar Millennium derzeit, wie Firmensprecher Sven Moormann erklärt: „Versorger haben mehr als 1.500 MW in die Auswahl genommen.“

Im Fokus der Stromriesen
Gut im Geschäft ist Solar Millennium auch in Spanien: Es entwickelte das 150-MW-Projekt Andasol, das derzeit bei Granada entsteht. Der erste von drei Teilabschnitten der Anlage läuft bereits. Dessen Dimensionen beeindrucken: Auf einer Fläche von 510.000 Quadratmetern oder 70 Fußballfeldern fangen Spiegel die andalusische Sonne ein. Das besondere an Andasol 1 ist aber, dass es erstmals großmaßstäbliche Speichertechnik nutzt: In zwei großen Tanks wird überschüssige Wärme mittags in flüssigem Salz gespeichert. So kann das Kraftwerk auch im Dunkeln Strom produzieren. „Die Kraftwerke können damit in die Grundlast eingerechnet werden“, sagt Manuel Silva, Professor an der Ingenieurschule der Universität Sevilla. Zusätzlich zu einer dezentralen, fluktuierenden Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windkraft könnten damit weiterhin große, zentrale Kraftwerke betrieben werden.

Das macht die Technik für die Stromwirtschaft interessant: Sieben Anlagen laufen in Spanien inzwischen, an mehr als 20 Kraftwerksstandorten wird gebaut. Dass Madrid offiziell nur 500 MW solarthermische Leistung fördern will, lässt die Industrie offenbar kalt: 800 MW sollen laut Branchenverband Protermosolar bis 2010 entstehen, Pläne gebe es sogar für 13'000 MW.

Temperaturen bis 1000 Grad
Sinkende Investitionskosten könnten das Wachstum der Solarthermie noch beschleunigen. Die Lernkurve, die Verringerung der Kosten einer Technik bei Verdopplung der Kapazität, sei bei Spiegelkraftwerken mit etwa zwölf Prozent sehr gut, erklärt Trieb. Auch Innovationen sorgen für Kostensenkungen: In einem neuen Versuchskraftwerk in Jülich forschen Ingenieure des DLR und der FH Aachen an der Technik von morgen: Spiegel werfen ihr Licht auf einen Empfänger, der an der Spitze eines 60 Meter hohen Turms sitzt. Darin heizt sich Luft auf 700 Grad auf und entsteht Dampf für die Stromproduktion. Künftig wollen die Forscher sogar Temperaturen von 1'000 Grad schaffen und so die Effizienz auf mehr als 25 Prozent steigern. Die marktgängigen Rinnen erreichen nur 15 Prozent. Der technische Fortschritt nährt die Hoffnung, dass das Desertec-Projekt keine kühne Vision bleibt.

© Text: Sascha Rentzing, www.rentzing.com

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