Zu viele Module
Verbaut wird Solartechnik in Deutschland in immer leistungsstärkeren Anlagen: Lag ihre durchschnittliche Größe laut Bundesnetzagentur im Januar noch bei 8,7 Kilowatt (kW), betrug sie im Juli bereits 21,6 kW. Das gilt als Indiz dafür, dass vor allem Landwirte mit großen Scheunen- und Stallkraftwerken aktiv geworden sind. Die Solarbegeisterung der Bauern kommt nicht von ungefähr: Obwohl die Fördertarife am 1. Januar gesenkt wurden, können Sonnenkraftwerke in guten deutschen Lagen immer noch attraktive Renditen von zehn Prozent und mehr einspielen. „Die Preise fallen mit der Degression“, sagt pvXchange Geschäftsführer Kai Malkwitz.
Zeit der grossen Gewinne vorbei
Für die Hersteller ist die Zeit der großen Gewinne dagegen vorbei. Trotz Ausbaus der Massenproduktion und technischem Fortschritt sind ihre Fertigungskosten nicht annähernd so stark gesunken wie die Modulverkaufspreise. Das lässt ihre Margen schrumpfen. „Das Preisniveau ist nicht befriedigend“, sagt Waldmann. Eine Trendwende ist nicht in Sicht: Da das globale Modulangebot größer ist als die Nachfrage, wird die Industrie vorerst keine höheren Preise durchsetzen können. Zwar lässt der Boom in Deutschland den gewaltigen Modulberg, den die Hersteller während der Krise aufgebaut haben, abschmelzen – ganz verschwinden wird er jedoch nicht. Laut Marktforscher iSupply wurden 2009 weltweit Module mit 8,55 GW Leistung produziert, aber nur 5,16 GW installiert. 3,39 GW muss die internationale Industrie demnach abschreiben.
USA: 2010 Zuwachs von einem Gigawatt
2010 dürfte sich die Lage kaum entspannen: 14,56 GW Module sollen global produziert, aber nur 8,34 GW aufgestellt werden. Nach wie vor entwickeln sich die Märkte nur langsam: Ob Frankreich, Italien oder Griechenland – auch in diesem Jahr dürfte keiner der Mittelmeeranrainer beim Zubau in die Nähe der GW-Grenze kommen. In China und Japan dümpeln die Installationszahlen ebenfalls im unteren dreistelligen MW-Bereich. Allein die USA, so Experten, seien auf dem Sprung zum Massenmarkt: Für 2010 erwartet der europäische PV-Industrieverband (EPIA) dort einen Zubau von mindestens einem GW. Doch selbst dann bliebe noch ein Riesenbatzen Module für Deutschland, betont Bernd Schüßler, Sprecher der Zeitschrift Photon.
Equipment aus Deutschland
Um Druck abzubauen, könnten die Firmen weniger produzieren. Aber das ist für sie offenbar tabu: Dünnschicht-Marktführer First Solar will 2010 1,55 GW fertigen – 550 MW mehr als im Vorjahr. Der chinesische PV-Konzern Suntech will seine Produktion nach gebremstem Wachstum 2009 sogar um 900 MW auf 1,6 GW kristalline Module hochschrauben. Mit ihren insgesamt 3,15 GW könnten die beiden Firmen den deutschen Markt allein sättigen. Dieser wird – sofern die Bundesregierung beim EEG Milde walten lässt – 2010 bei drei GW gesehen.
Chinesen produzieren mit Herstellungstechnik aus Deutschland
Bremst Berlin den Zubau durch massive Extra-Kürzung der Solarzuschüsse, wird der Druck auf die Branche noch größer. Deutsche Firmen könnten dabei leicht zwischen der preisaggressiven Konkurrenz aus Ost und West zerrieben werden. Vor allem die Chinesen haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: „Firmen wie Suntech oder Yingli produzieren kostengünstiger als ihre europäischen Konkurrenten“, sagt Jesse Pichel, Analyst der US-Investment Bank Piper Jaffray. Möglich sei dies aufgrund niedriger Löhne sowie eines technischen Vorsprungs bei Innovationen und Produktivität. „Chinas Topproduzenten fertigen mit modernster Herstelltechnik aus Deutschland“, sagt Pichel. Ihren Vorteil spielen die Asiaten im Kampf um Marktanteile derzeit gnadenlos aus. Für 2010 hätten einige Firmen bereits weitere kräftige Preisnachlässe angekündigt.
Auch wenn die Konkurrenz aus den USA oder China den Wettbewerb anheizt – ganz schuldlos ist die deutsche Solarindustrie an ihrer misslichen Lage nicht. „In der Boomphase haben viele Firmen ihre Kosten nicht im Blick behalten“, erklärt Götz Fischbeck, Analyst der Frankfurter BHF Bank. So seien sie in Zeiten des Siliziumengpasses dank Langfristverträgen mit den Chemiekonzernen immer ausreichend und relativ günstig mit Rohstoff versorgt worden. Die asiatischen Newcomer hätten Silizium dagegen wesentlich teurer auf dem Spotmarkt einkaufen, daher anderweitig Kosten senken müssen, um wirtschaftlich zu bleiben. „Davon profitieren die Chinesen jetzt.“
Bislang fehlte der deutschen Solarindustrie die passende Antwort auf die erstarkten Asiaten. Ihre erste Reaktion war, Maßnahmen gegen vermeintliches Preisdumping sowie Qualitäts-, Sozial- und Umweltstandards zu fordern. Inzwischen hat sie jedoch erkannt, dass dies die falschen Hebel sind. Man dürfe den vermeintlichen Qualitätsvorsprung nicht wie eine Monstranz vor sich hertragen, sagt Andreas Hänel, Chef des Systemanbieters Phönix. Stattdessen müsse bei den Innovationen zugelegt, und Kosten rasch gesenkt werden.
Innovationen wieder im Fokus
Q-Cells, das mit einem Verlust von fast einer Milliarde Euro in den ersten drei Quartalen 2009 zu den großen Verlierern der Finanzkrise zählt, schreitet voran: Die Firma will noch 2010 eine multikristalline „Solarzelle der neuen Generation“ einführen, die mindestens 17 Prozent des Sonnenlichts in Strom umwandelt. Bislang schaffen deren Multizellen 15,5 bis 16,4 Prozent. Parallel sorgt die Q-Cells-Tochter Solibro im Dünnschichtbereich für Furore, entwickelte ein Modul aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) mit einem Wirkungsgrad von 12,3 Prozent. Kein anderes Dünnschichtpaneel erreicht mehr Effizienz. „Wir tun alles, um unsere Technikführerschaft auszubauen“, sagt Q-Cells-Technologe Peter Wawer. Derweil errichtet Solarworld am Standort Freiberg einen „europaweit einzigartigen Technologiecampus“: Neben dem bereits fertiggestellten Wafertechnikum entsteht ein neues Zellen- und Modulforschungszentrum. Hier sollen von 2010 an die „Technologien von morgen“ entwickelt werden.
Neue Zellenkonzepte und Herstellprozesse aus Deutschland
Bei ihrer Innovationsoffensive können die Firmen auf solarwissenschaftlichen Input renommierter Einrichtungen wie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) aus Freiburg oder des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) aus Stuttgart zurückgreifen. Deren Forscher haben in den letzten Jahren diverse neue Zellenkonzepte und Herstellprozesse entwickelt, die auf ihre industrielle Umsetzung warten. Modernstes Produktionsequipment dafür finden die Hersteller quasi direkt vor ihren Werkstoren: Deutsche Ausrüster sind mit ihren Maschinen, Robotern und Lösungen für komplett schlüsselfertige Solarfabriken weltweit gefragt, könnten mit ihrem Angebot ihre benachbarten Mitstreiter produktionstechnisch weit nach vorne bringen.
Turnkey-Linien für CIGS-Module
Turnkey-Anbieter Schmid zum Beispiel hat eine Druck- und Ätztechnik entwickelt, mit der die Kristallschicht direkt an der Oberfläche kristalliner Siliziumzellen gezielt so manipuliert werden kann, dass dort mehr Strom generiert wird. „So lassen sich bis zu 0,9 Prozent mehr Wirkungsgrad erreichen“, sagt Schmid-Technologe Helge Haverkamp. Centrotherm könnte der deutschen Solarindustrie indes auf den Dünnschicht-Olymp verhelfen. Die Firma bietet als weltweit einzige bereits Turnkey-Linien für CIGS-Module an. Die hiesige Industrie strebt in diesem Dünnschichtsegment, dem Experten das größte Effizienzpotenzial zusprechen, offensichtlich die globale Technikführerschaft an: Neben Solibro haben sich diverse deutsche Firmen auf die kupferbasierten Paneele spezialisiert. Vom 28. September bis 1. Oktober 2010 können sich PV-Hersteller auf der „solarpeq – International Trade Fair For Solar Production Equipment“ in Düsseldorf ein Bild vom Portfolio der Maschinen- und Anlagenbauer machen. Dort präsentieren sich Unternehmen, die Produktionstechnik für Dünnschicht- oder kristalline Photovoltaik anbieten – seien es Maschinen und Anlagen zur Fertigung von solaren Produkten oder auch Komponenten- beziehungsweise Rohstoffanbieter.
Equipment made in Germany gefragt
Das Interesse der Solarindustrie an modernem Equipment „made in Germany“ dürfte bereits kurzfristig stark steigen. Die Hersteller haben erkannt, dass sie Innovationen mit hohem Einsatz vorantreiben müssen, um rasch ihre Kosten zu senken. Ansonsten werden sie ihren asiatischen und US-Konkurrenten kein Paroli bieten können.
Quelle: Messe Düsseldorf
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