„Beim Hilti Trapezsystem verwenden wir nund dieselben Klemmen wie bei allen anderen Systemen. Und bei den Schrauben haben wir eine Selbstbohrschraube ohne Späne entwickelt, die es uns erlaubt, nur noch 4 Schrauben pro Modul zu verwenden.“ Helge Hartwig

Ernst Schweizer: Ist die Photovoltaik-Talsohle erreicht?

(©AN) „In Irland gibt es einen Photovoltaikmarkt, der zwar ohne Förderung, dafür aber auf tiefem Niveau stabil läuft und damit die für den Markt so schwierigen Boom-and-Bust-Phasen nicht aufweist“, erklärte Helge Hartwig, Leiter Verkauf und Technik PV-Montagesysteme von Schweizer. Ein Intersolar-Standgespräch über verschiedene Photovoltaikmärkte in der EU und die neuen Produkte von Schweizer.


Anita Niederhäusern: Was hat sich seit letzte
m Jahr im Photovoltaikmarkt verändert?

Helge Hartwig: Die Branche wartet darauf, dass sich die Märkte stabilisieren und wieder anfangen, moderat zu wachsen. In Deutschland warten wir immer noch darauf, im Moment sieht es allerdings eher nach einem dramatischen Rückgang vom letzten Jahr auf dieses Jahr aus. Die Marktzahlen zeigen, dass der Markt noch einmal deutlich schrumpfen könnte. Trotzdem merken wir, dass die Unternehmen, die noch am Ball sind, ihre Geschäftsmodelle finden. Eine Marktbereinigung ist jedoch immer noch im Gange, es gibt immer noch Leute, die aussteigen oder den Markt nicht mehr aktiv bearbeiten, andere sind zwar noch da, haben aber das Volumen verkleinert. Wir sind meiner Meinung nach jedoch kurz davor, dass der Photovoltaikmarkt wieder anziehen könnte.

Sie sehen also positive Zeichen?

Damit rechne ich und damit rechnet auch die Fachpresse. Wir schieben einfach die Talsohle so vor uns her, weil immer wieder ein leichter Rückgang kommt. Ich frage auch unsere Kunden nach ihren Einschätzungen. Da ist der Grundton schon optimistisch, von den Zahlen her ist es aber ein Rückgang.

Das heisst, die Anlagen werden kleiner?

Gerade in Deutschland sind es sehr viel mehr Anlagen, dafür kleinere. Die grösseren haben einen sehr viel längeren Vorlauf. Und da muss der Strom ab 100 kW selber vermarktet werden. Also wird das Geschäft schwieriger.

Und wie sah es im Boom-Markt Grossbritannien 2015 aus?

Da ist genau das passiert, was in Deutschland jetzt schon ein paar Jahre her ist: Die Vergütungen wurden durch die konservative Regierung rabiat um 60 bis 70 Prozent gekürzt. Wobei die Vergütung nur einer von drei Gründen ist, warum eine Anlage gebaut wird. Das erste Standbein ist der Eigenverbrauch, auf den erhält man in Grossbritannien auch die Vergütung. Das zweite Standbein ist der Verkauf ans Netz. Das dritte Standbein ist die Speicherung im Wasserboiler.

Also gehen Sie nicht davon aus, dass der Zubau um 60-70 Prozent zurückgeht?

Der Markt ist trotzdem anfälliger geworden, weil er neue Modelle finden muss, um mit den neuen Vergütungssätzen zu funktionieren, deshalb rechne ich trotz den verschiedenen Standbeinen mit einem starken Rückgang. Das ist ja in Deutschland auch so: Wenn ich bisher mit 8-12 Prozent Rendite rechnen konnte und jetzt kriege ich nur noch 3-4 Prozent, tut das dem Markt erstmal weh, da müssen andere Player reinkommen. Für die, die bis jetzt im Markt tätig waren, sind die neuen Bedingungen nicht mehr interessant. Daher sind die neuen Player mit neuen Modellen wichtig. Das sind die, die sich sagen, wenn ich mein Geld auf ein Sparbuch lege, verliere ich Geld, demgegenüber sind die 3-4 Prozent dann eine relativ gute Anlage.

Welche neuen Marktmodelle sehen Sie denn?

Eigenverbrauch ist ja bereits ein gutes Modell, das im Prinzip auch funktioniert. Aber das Modell ist einfach stark davon abhängig, wie viel Hürden es dafür gibt. Netmetering, also den Zähler einfach vorwärts-rückwärts laufen lassen, wäre auch ein gutes Modell. Wenn es zu attraktiv sein könnte, wird es im Moment nicht gemacht: Man will den Markt immer noch bremsen. Er wird immer dann gebremst, wenn die grossen Player feststellen, dass es noch funktionierende Modelle gibt, und sie dann befürchten, dass immer noch zu viel gebaut werden kann. Da liegt ein Interessenskonflikt. In Deutschland vor allem, weil es eine relativ hohe Sättigung gibt und es darum gehen kann, wer einspeisen darf und wer abregeln muss. Und drum stehen die Zeichen im Zweifelsfall immer noch auf Einbremsen.

Das heisst folglich, dass die konventionelle Strombranche immer noch bremst, sprich im Stande ist, der Branche Steine in den Weg zu legen?

Genau, durch ausgeklügeltes Lobbying in der Politik oder bei denen, die die Rahmenbedingungen definieren. Daher ist heute Bremsen stärker angesagt als Fördern. Natürlich liegt auch ein Grund in der noch nicht ausreichend ausgebauten Infrastruktur, so wie zum Beispiel aufgrund des Widerstands gegen die Nord-Süd-Trasse in Bayern.

So zum Beispiel beim Eigenverbrauch

Ja, der Eigenverbrauch ist ein gutes Beispiel. Wenn ich den Strom aus meiner eigenen Photovoltaikanlage im privaten Haushalt selbst verbrauche, kann sich das schon lohnen. Sogar für ein mittelständisches Unternehmen, das einen Maschinenpark hat, der Strom braucht, kann sich dieses Modell auszahlen. Für 6-8 Eurocent die Kilowattstunde kann ich Strom produzieren, für die Kilowattstunde ab dem Netz müsste ich 15 Eurocent zahlen. Zugegeben, 6 Cent sind schon sehr optimistisch. Aber darauf haben wir ja die sogenannte „Rüeblisteuer“. Sprich auf den 6-8 Eurocent wird für den Eigenverbrauch eine Steuer erhoben. Nehmen wir an, ich kann den Strom für 13 Eurocent ab dem Netz beziehen oder für 8 Cent produzieren. Jetzt kommen da noch 1.6 Cent drauf und neu soll eventuell noch eine weitere Steuer mit 2 Cent kommen. Da wird das mit diesem Businessmodell schon knapp. Das eigentliche Problem liegt aber in der psychologischen Verunsicherung, weil die Rahmenbedingungen nicht mehr stabil sind.

Dann gibt es ja noch die Möglichkeit, dass ein Hauseigentümer eine Photovoltaikanlage baut und den Strom zum Beispiel an die Mieter weiterverkauft. Aber solche Modelle sind sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz schwierig umzusetzen.

Gibt es die auch in Grossbritannien?

Doch, die gibt es auch dort. Doch wenn Sie nach Grossbritannien schauen, möchte ich auch noch den irischen Markt erwähnen. Die beiden Märkte sind ja grundverschieden. Denn in Irland gibt und gab es nie Förderung für Photovoltaik. Der irische Markt läuft eigentlich ganz gut, damit meine ich, wir haben da Kunden, die gut am Ball sind. Die machen zwar nicht riesige Umsätze, aber meiner Meinung nach sparen sich die Iren so die Boom-and-Bust-Phasen, ganz im Gegensatz zu Deutschland und Grossbritannien. Viele Briten schauen nun nach Irland und versuchen da ihren Fuss in den Markt zu kriegen. Im Idealfall muss sich die Branche in Irland nicht mit einem Peak auseinandersetzen, der dann in sich zusammenfällt. Der Markt wächst natürlich und die konventionellen Energieversorger bauen dann auch nicht diese Hürden auf, die bei einer höhen Förderung aufgebaut werden, um den Markt einzubremsen.

Die Förderung hat zwar den Vorteil, dass der Markt angeschoben wird, aber das tut den konventionellen Versorgern irgendwann weh. Wenn es zu viel wird und wenn sie ihren Strom nicht mehr verkaufen können, dann beginnen sie natürlich mit ihrer Lobbyarbeit.

Kommen wir noch zu Ihren Produkten, die Sie dieses Jahr an der Intersolar vorstellen, welche Neuheiten sind dabei?

Wir waren bis anhin mit den integrierten Systemen schwerpunktmässig als Baufirma vertreten, letztes Jahr sind dann die Hilti-Aufdachprodukte und Flachdach Ost-West dazugekommen und diese Produkte haben wir nun um weitere Bausteine erweitert. Dabei handelt es sich um zwei wichtige Neuheiten: Montagesysteme für Trapezblech und ein nach Süden aufgeständertes Flachdach-Systeme.

Ist das
eine Weiterentwicklung des Hilti-Systems?

In der Tat. Hilti hatte selber ein System, das wir nicht übernommen haben, weil es auf dem Markt aufgrund der Kosten nicht konkurrenzfähig war. Wir haben das Südsystem auf der Vorlage des Ost-West-Systems entwickelt. Die beiden Systeme sind nun kombinierbar. Das neue System hat nur wenige zusätzliche Teile. Dazu haben wir ein System für Trapezblech entwickelt, das ist auch neu. Es handelt sich um eine minimalistische Anbindung für Trapezbleche. Im Prinzip werden Profilstücke auf die Bleche geschraubt und darauf werden die Module festgeklemmt, so dass es wenig Material und Teile braucht. Das spielt eine bedeutende Rolle, denn auf Trapezdächern werden oft grosse Anlagen gebaut. Beim Hilti Trapezsystem wurden noch spezielle Klemmen eingesetzt, bei unserem verwenden wir dieselben Klemmen wie bei allen anderen Systemen. Und bei den Schrauben haben wir eine Selbstbohrschraube ohne Späne entwickelt, die es uns erlaubt, nur noch 4 Schrauben pro Modul zu verwenden. Beim Hilti-System brauchte es noch 6-9 Schrauben.

Was erwarten Sie von der Intersolar?

Zunächst einmal Sichtbarkeit für unsere Kunden. Die Unternehmen, die noch in der Photovoltaik tätig sind, sollen uns sehen und als langfristig verlässlichen Partner wahrnehmen. Natürlich sind auch neue Kontakte wichtig. Wir haben auch viele Termine mit bestehenden Kunden vereinbart. Wenn man uns auf der Intersolar treffen kann, werden wir in der Branche ernst genommen. Zudem sind wir als Firma Schweizer in Deutschland noch nicht sehr bekannt, also ist es wichtig, dass wir uns hier zeigen. Auch die Vernetzung zwischen den Kunden ist wichtig, sie können sich hier treffen. So können Modelle wiederbelebt werden, die schon einmal gelaufen sind. Es gibt ja auch Player, die verschwinden und mit einem neuen Modell wieder am Markt auftauchen. Diese wollen wir natürlich auch wieder erreichen.


Intersolar Europe Special
ee-news.ch führte an der Intersolar Europe vom 22.-24. Juni 2016 in München Standgespräche mit Schweizer Ausstellern. Hier weitere Interviews sowie der Kommentar von Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch, auf einen Blick:

©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

Studer Innotec: Die Schweizer Insel-Spezialisten >>

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Partner

  • Agentur Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ist Ihr Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Energieeffizienz tätig? Dann senden sie ein e-Mail an info@ee-news.ch mit Name, Adresse, Tätigkeitsfeld und Mail, dann nehmen wir Sie gerne ins Firmenverzeichnis auf.

Top

Gelesen
|
Kommentiert