Eine referendumsfähige Vorlage sollte zwingend ein Gesamtpaket darstellen und nicht nur als gesetzliche Erfüllung von Artikel 34 Absatz 3 StromVG ausgestaltet sein.

AEE Suisse: Marktöffnung unter Einbezug von Energiestrategie 2050

(AEE Suisse) Die AEE Suisse unterstützt die Absicht des Bundesrates die wettbewerbliche Marktöffnung des Elektrizitätssektors für alle Konsumentinnen und Konsumenten zu gewähren. Sie fordert jedoch ökologische Leitplanken, Effizienzmassnahmen und den Einbezug des ersten Massnahmepakets der Energiestrategie 2050.


Die Schweiz ist mit ihrer Stromversorgung eng mit dem europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt verknüpft. Die Markt-und Wettbewerbsregeln des europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes beeinflussen daher auch unser Land. Wenn die Schweizer Produktions-und Speicherkapazitäten optimal für die inländische Versorgung und für den Handel in und aus dem europäischen Binnenmarkt genutzt werden sollen, dann muss die Schweizer Marktregulierung dem europäischen Binnenmarkt entsprechen. Folgt das Schweizer Marktgebiet diesen Regeln nicht, dann wird unser Marktgebiet als teilabgeschottetes nicht EU-binnenmarktkonformes Marktgebiet betrachtet und es muss mittelfristig mit weiteren Marktzugangsbeschränkungen und Handelshemmnissen rechnen. Diese Überlegung und die anerkannte Forderung, dass jeder Stromkunde -unabhängig von seinem Energiebezugsvolumen -seinen Lieferanten wählen soll, verlangt nach unserer Ansicht die Vollendung der wettbewerblichen Strommarktöffnung in der Schweiz, wobei diese Marktöffnung weiterhin ökologische Leitplanken braucht.

Im Zeichen der Ökologie und Effizienz
Ökologische Leitplanken heisst für die AEE Suisse, dass der Bundesrat die vollständige wettbewerbliche Öffnung des Schweizer Strommarktes wiederum wie bei der ersten Stufe der Marktöffnung mit konkreten Massnahmen zur Steigerung der Effizienz in der Stromversorgung und zur Steigerung der Produktion aus erneuerbaren Energien ergänzen muss. Für die Integration der Erzeugungskapazitäten mit erneuerbaren Energien sind offene Märkte eine wichtige Bedingung. Dazu gehört aber auch die Finanzierung von Investitionen für den Erhalt, die Erneuerung und den Ausbau von solchen Kraftwerken. Eine Marktöffnungsvorlage, welche die weiterhin herausfordernde wirtschaftliche Situation des inländischen erneuerbaren Kraftwerkparks einfach ausblendet oder den weiteren Ausbau der erneuerbaren dezentralen Erzeugungskapazitäten behindert, kann von der AEE Suisse nicht unterstützt werden.

Folgt man demgegenüber alleine der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung nach Artikel 34 Absatz 3 des StromVG, so ist mit dem Bundesbeschluss einzig eine referendumsfähige Inkraftsetzung bereits beschlossener Gesetzesartikel des StromVG vorzunehmen. Dies soll auf 1. Januar 2017 erfolgen.

Ohne Konflikt mit Energiestrategie 2050
Dies vorausgesetzt, erwartet die AEE Suisse, dass im aktuellen energie- und europapolitischen Umfeld der beantragte Bundesbeschluss für eine vollständige wettbewerbliche Regulierung des Strommarktes per 1. Januar 2017 mit einer zweiten Vorlage zur Revision des Stromversorgungsgesetzes und des Energiegesetzes ergänzt wird. Eine referendumsfähige Vorlage sollte zwingend ein Gesamtpaket darstellen und nicht nur als gesetzliche Erfüllung von Artikel 34 Absatz 3 StromVG ausgestaltet sein. Damit die volle Marktöffnung nicht in Konflikt mit dem ersten Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 gerät, empfiehlt die AEE Suisse zudem mit der Botschaft zur Marktöffnung zu zuwarten, bis die Beratungen zu diesem ersten Massnahmenpaket abgeschlossen sind.

Zusammenfassend beurteilen wir folgende Aspekte als zentral für das Gelingen der zweiten Stufe der Marktöffnung:

  1. Festlegung eines Zielpfades zur Entwicklung des EE-Selbstversorgungsgrades bei der schweizerischen Stromversorgung
    Die Strompreise sind in den letzten Jahren auf ein Niveau gesunken, welches die Refinanzierung und die Erneuerung von Kraftwerken nicht mehr zulässt. Der in der Europäischen Union angestrebte Ausbau der erneuerbaren Energien wird den Strommarkt und die Preisbildung noch stärker verändern. Das System wird gekennzeichnet sein durch Kraftwerke mit hohen Kapitalkosten und sehr niedrigen kurzfristigen Grenzkosten. Durch das steigende Angebot von Wind-und Solarstrom, die einen Kapazitätsfaktor von unter 50 % aufweisen, wird die Volatilität der Preise weiter zunehmen. Schon im Jahre 2025 wird erwartet, dass während mehr als 1500 Stunden im Jahr am Strommarkt Preise von null gelten, was zu noch grösseren Ertragsausfällen für sämtliche Besitzer von Kraftwerken führt. Mit der vollen Marktöffnung kann sich die wirtschaftliche Situation der Wasserkraftwerke in der Schweiz weiter akzentuieren. Ohne wirtschaftlichen Betrieb der Wasserkraft und ohne Ausbau der neuen erneuerbaren Energien würde aber der Selbstversorgungsgrad der Schweiz absinken. Eine zu starke Importabhängigkeit würde die Versorgungssicherheit der Schweiz grundlegend in Frage stellen. Der Bundesrat sollte deshalb einen gesetzlichen Zielpfad zur Entwicklung des EE-Selbstversorgungsgrades bei der schweizerischen Stromversorgungdefinieren und dabei auch die Ausbau-Ziele der Energiestrategie 2050 mit berücksichtigen.

  2. Nullpreis-Perioden erfordern EU-kompatible ergänzende Finanzierungslösungen
    Das Angebot an «Gratisstrom» mag für die Konsumenten erfreulich sein. Und es ist aus Gründen der Systemlogik richtig, diese günstigen Angebote auch den Kleinkunden zugänglich zu machen. Die Ertragsminderungen der Wasserkraftwerke und der übrigen Betreiber von erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen müssen jedoch auf geeignete Art kompensiert werden. Die Energiestrategie 2050 bringt bei den Finanzierungsherausforderungen zwar punktuelle Verbesserungen. Die Schweiz muss aber im Zuge sinkender Strompreise gleichwertige Regelungen wie die Mitgliedsstaaten der EU einführen: Contracts for difference, Einspeisevergütungen, Einspeiseprämien, Ausschreibeverfahren oder eine ausgewogene Mischung an solchen Finanzierungs-Instrumenten. Für die AEE Suisse ist ein solcher EU-kompatibler Regulierungsrahmen zwingend.

  3. Das Grundversorgungsmodell ist als 100%-Erneuerbar-Modell auszugestalten
    Mit dem WAS-Modell wird die Grundversorgung sichergestellt. Im Interesse der inländischen erneuerbaren Erzeugung ist diese Grundversorgung als verpflichtende Versorgung aus erneuerbarer Energie auszugestalten. Diese Situation sollte spätestens in 10 Jahren erreicht werden.

  4. Kraftwerksstillegungen als Massnahme zu einem Marktgleichgewicht bei Erzeugung und Nachfrage
    Die europaweit steigenden Energiemengen aus erneuerbarer Energie verlangen auch, dass Kraftwerksstillegungen geplant und durchgesetzt werden. Nur so kann ein Marktgleichgewicht bei der Erzeugung und der Nachfrage erreicht werden. Dem Bundesrat wird daher empfohlen, für die drei ältesten Atomkraftwerke verbindliche Schliessungspläne gesetzlich zu verankern. Volkswirtschaftlich wäre dabei auch denkbar, gewisse Kosten der Allgemeinheit zu überbinden, wenn damit die notwendigen Finanzierungskosten für die gefährdete Wasserkraft erheblich reduziert werden können.

  5. Keine Gefährdung des Netzbetriebes durch Privatisierung und keine forcierte Anreizregulierung beim Netzentgelt
    Ergänzend möchten wir noch darauf hinweisen, dass die wettbewerbliche Strommarktöffnung politisch nur eine Chance hat, wenn sich das Konzept konsequent von einer „Privatisierungsoption für die Netze“ entfernt. Wir empfehlen daher Regelungen ins Gesetz aufzunehmen, dass die heute bestehende öffentliche Eigentumsstruktur bei den Netzen auch zukünftig gesichert ist. Damit kann der Wert des funktionstüchtigen Netzes weiter gestärkt werden. Weiter stellen wir fest, dass eine Unsicherheit besteht, wie in Zukunft die Netzentgeltregulierung stattfinden soll. Auch dazu sollte die Botschaft verlässliche Angaben machen.

  6. Zusätzliche Berichterstattung, Inkraftsetzung der Energiestrategie 2050
    Die Botschaft über die weitere Marktöffnung sollte die Auswirkungen der Margenerosion am Strommarkt für die Versorgungssicherheit aufzeigen. Bezüglich des Energie-Vertrags mit der Europäischen Union sollte der Bundesrat genau informieren. Es besteht eine Informationslücke. Dazu gehört, dass der Bundesrat darlegt, welchen Anforderungen die Schweiz beim Eintritt in den Strombinnenmarkt und beim Abschluss eines Energievertrags mit der EU zu genügen hat. Marktöffnung und Ausbau der erneuerbaren Energien stehen in der EU in einem klaren Zusammenhang. Ohne Kenntnis der Einzelheiten, die mit diesem Vertrag verbunden sind, kann die angestrebte Marktöffnung, die ja der Anpassung an die EU-Bestimmungen vorwegnehmen soll, nicht sinnvoll beurteilt werden. Die Vorlage über die volle Marktöffnung sollte deshalb alle gesetzlichen Anpassungen enthalten, die für den Zugang zum Strombinnenmarkt nötig sind. Zu diesem Zweck sind die Konditionen für den Abschluss eines Energievertrages mit der Europäischen Union offen zu legen.

Text: AEE Suisse

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