Für das Zwei-Grad-Klimaziel ist die totale Menge CO2, die wir ausstossen können, stark begrenzt.

ETH Zukunftsblog: Keine Trendwende beim CO2-Ausstoss

(©RK/ETH) Am 23. September 2014 trafen sich Staatsoberhäupter und Wirtschaftsvertreter zum UN-Klimagipfel in New York, der den blockierten klimapolitischen Einigungsprozess wieder in Gang bringen soll. Derweil zeigen die neusten Daten zum CO2-Kreislauf, dass uns die Zeit für ein griffiges Klimaabkommen immer mehr davonläuft.


Sogar der Tagesschau war es ein Beitrag >> wert: Vor zwei Wochen gab die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) bekannt, dass im Jahr 2013 die CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen neuen Höchststand erreicht hat [1], [2]. Wirklich erstaunt hat die Meldung jedoch kaum jemanden, denn solange die CO2-Emissionen weltweit ansteigen (und das tun sie), nimmt auch die CO2-Menge in der Atmosphäre zu. Interessanterweise ist der Anstieg vom Vorjahr der grösste seit fast dreissig Jahren. Dafür hauptverantwortlich sind die menschgemachten Emissionen. Es ist daher spannend zu fragen, wie sich diese verändern und warum.

Wie kann man Emissionstrends abschätzen?
Emissionen von allen Treibhausgasen werden durch die Länder erfasst und publiziert. In unserer neusten Studie in Nature Geoscience zum Global Carbon Project, das alle Daten zum CO2-Kreislauf zusammenfasst, zeigen wir, dass die CO2-Emissionen aktuell immer noch um rund 2.5 Prozent pro Jahr zunehmen, trotz allen Diskussionen um den Klimaschutz [3] [4].

Die vergangenen und zukünftigen Trends können mit der sogenannten Kaya Identität einfach durch das Produkt von vier Faktoren berechnet werden:

Gaya-Gleichung

  • Der erste Faktor ist die globale Bevölkerung. Sie lässt sich kaum beeinflussen und wächst, was die Emissionen ansteigen lässt.
  • Der zweite Faktor ist das Bruttosozialprodukt, und das «muss» nach gängigen Vorstellungen immer wachsen (obwohl das durchaus hinterfragt wird, siehe auch den Beitrag >> von Irmi Seidl).
  • Der dritte Faktor ist im Wesentlichen die Energieeffizienz. Diese verbessert sich zwar, das heisst wir brauchen weniger Energie um etwas zu produzieren. Aber es wird gleichzeitig auch immer schwieriger, die Effizienz noch weiter zu steigern.
  • Der vierte Faktor ist die CO2-Intensität, also die ausgestossene Menge CO2 pro produzierte Energieeinheit. Sie sollte mit der angestrebten Abkehr von fossilen Brennstoffen (Dekarbonisierung) abnehmen.


Die ersten beiden Faktoren treiben die CO2-Emissionen nach oben, die letzten beiden lassen sie sinken. Dass die Emissionen immer noch ansteigen, ist vor allem auf das enorme Wirtschaftswachstum (zweiter Faktor) in den Schwellenländern zurückzuführen sowie darauf, dass die CO2-Intensität (vierter Faktor) derzeit kaum mehr abnimmt und in einigen Ländern sogar steigt. Grund dafür sind neue Kohle- und Gasreserven, welche der fossilen Stromproduktion Auftrieb verleihen. Kurz: Effizienzsteigerungen und Dekarbonisierung können das globale Wachstum derzeit nicht kompensieren.

Steiniger Spurt zum Zwei-Grad-Ziel
Die neusten Zahlen sind einmal mehr besorgniserregend. Für das Zwei-Grad-Klimaziel ist die totale Menge CO2, die wir ausstossen können, stark begrenzt. Rund zwei Drittel dieses «Budgets >>» haben wir seit Beginn der Industrialisierung schon verbraucht. Mit heutigen Emissionen reicht der Rest gerade noch etwa dreissig Jahre. Zwar sagen ökonomische Modelle, dass das Zwei-Grad-Ziel noch möglich ist. Wir zeigen aber in der neuen Studie auch, dass sich die Welt heute effektiv im Bereich der pessimistischsten Referenzszenarien ohne Klimaschutz bewegt. Die in den Modellen angenommenen Verbesserungen in der Energieeffizienz und CO2-Intensität haben sich in den vergangenen Jahren nicht in diesem Mass bewahrheitet. Man kommt alle Jahre wieder zum gleichen Schluss: Die Bemühungen für das Zwei-Grad-Ziel >> sind bei weitem nicht ausreichend, und das Zeitfenster schliesst sich schnell.

Climate Summit 2014 als Katalysator?
Die neuen Zahlen zum CO2-Ausstoss kamen nicht zufällig vor dem UN-Klimagipfel in New York, an dem über 120 Staatspräsidenten teilgenommen haben [5]. Der Gipfel war nicht Teil der offiziellen Klimaverhandlungen, sondern vielmehr ein Versuch, die Diskussion zu vorwärtszubringen, damit 2015 in Paris das nächste Klimaabkommen zustande kommt. An diesem sollen sich – im Gegensatz zum Kyoto Protokoll – auch alle Schwellen- und Entwicklungsländer beteiligen.

Gordischer Knoten lösen
Alle Staaten sind sich zwar einig, dass die CO2-Emissionen global reduziert werden müssen, aber die Frage ist, wer wie viel dazu beitragen >>. Seit dem UNO-Rahmenvertrag über den Klimawandel (UNFCCC) 1992 ist es nicht gelungen, ein Abkommen zu finden, das alle als fair akzeptieren können. Es ist symptomatisch, dass die obersten Vertreter der zwei wichtigsten Schwellenländer, China und Indien, in New York gefehlt haben. Auch die Regierungschefs von Kanada, das aus dem Kyoto Protokoll ausgestiegen ist, und von Australien, das kürzlich seine CO2-Steuer gekippt hat, sind dem Gipfel fern geblieben. Die Aussicht auf ein griffiges Abkommen in 2015 mit verbindlichen Zielen zur CO2-Emissionsreduktion scheint damit weiterhin verschwindend klein.

Weiterführende Informationen:
[1] WMO: Pressemitteilung (englisch) >>
[2] WMO: Greenhouse Gas Bulletin (englisch) >>
[3] Global Carbon Project (englisch) >>
[4] Friedlingstein et al., Nature Geoscience, 2014, DOI: 10.1038/ngeo2248 (englisch)>>
[5] UN-Klimagipfel in New York (englisch) >>

Text: ©Text: ETH Zukunftsblog, Reto Knutti (Professor für Klimaphysik, ETH Zürich)

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