Dünn, leicht und biegsam: Durch ihre Produkteigenschaften kann die Solarfolie von Heliatek nahezu unbegrenzt eingesetzt werden. ©Bild: Heliatek/ Tim Deussen, Berlin

Testtracker für CPV-Systeme auf dem Dach eines Fraunhofer ISE Gebäudes. Ein vergleichbares System wird bei Netra in Indien installiert werden. ©Fraunhofer ISE

3-D-Illustration von FDT-Molekülen auf einer Oberfläche aus Perowskit-Kristallen. ©Bild: EPFL, Sven M. Hein

Fraunhofer ISE erzielt im Herbst 2015 einen neuen Weltrekord für beidseitig kontaktierte Siliciumsolarzellen: TOPCon-Technologie ermöglicht 25.1 Prozent Wirkungsgrad. ©Bild: Fraunhofer ISE

Photovoltaik: Effizienz rauf, Kosten runter

(©SR) Nach überstandener Krise gewinnen Forschung und Entwicklung in der Solarbranche wieder an Stellenwert. In allen Technikbereichen der Photovoltaik sorgen verbesserte Zellen für höhere Wirkungsgrade. Das Ende der Solar-Lernkurve ist längst nicht erreicht. Nach einer Studie des Forschungsinstituts Fraunhofer-ISE werden die Erzeugungskosten bis 2025 auf vier bis sechs Cent sinken.


Welche erneuerbare Energie setzt sich durch? Als vor zehn Jahren selbst Solarstrom aus grossen Freilandanlagen noch mehr als 40 Cent kostete, hatte keiner die Photovoltaik auf der Rechnung. Das hat sich geändert: In Deutschland kostet Sonnenstrom aus grossen Solarkraftwerken nur noch knapp sieben Cent pro Kilowattstunde. Damit ist Solarenergie kaum noch teurer als die günstigste erneuerbare Energie, die Windenergie, die an guten Standorten für fünf bis sechs Cent erzeugt wird.

Rennen um Wirkungsgrade zieht wieder an
Der wesentliche Grund für die optimistische Prognose ist, dass die Experten bei Solarzellen und Modulen noch viel Luft für Effizienzsteigerungen sehen. Der Wirkungsgrad ist für die Wirtschaftlichkeit einer Solaranlage das entscheidende Kriterium. Laut Branchenformel sinken mit jedem Prozentpunkt mehr Effizienz die Kosten um fünf Prozent, weil dadurch der Materialbedarf sinkt. Nach überstandener Absatzkrise zieht das Rennen um Wirkungsgrade nun wieder an. Denn durch den aktuellen Boom in Asien und den USA verdienen die Unternehmen wieder mehr Geld, das sie in die Weiterentwicklung ihrer Produkte stecken können.

Rückseitensammler
Vor allem in der Silizium-Photovoltaik steigt wieder die Zahl der F&E-Projekte. Kristalline Standardzellen erreichen derzeit einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 20 Prozent, ihr praktisches Limit wird bei 26 Prozent gesehen – diesem Wert wollen sich die Entwickler mit neuen Zellenstrukturen nun konsequent nähern. Zwar kommen sogenannten Heterojunction-Zellen sowie Rückseitensammler den angestrebten 26 Prozent bereits recht nahe, doch der Aufbau der Zellen ist komplex und erfordert zusätzliche Fertigungsschritte. So basiert etwa das Konzept des Rückseitensammlers, bei dem die US-Firma Sunpower Vorreiter ist, auf einer völlig verschattungsfreien Front – Sonnenlicht soll ungehindert in den Halbleiter vordringen können. Hierzu müssen allerdings sämtliche Stromkontakte auf den Zellenrücken verlegt und dieser mit besonderen Strukturen versehen werden, was mit viel Aufwand zu zusätzlichen Kosten verbunden ist. Ziel sind daher Hocheffizienzzellen, die ohne teure Prozesse auskommen.

Topcon-Zellen
Einen Weg bieten neuartige „Topcon“-Zellen des Fraunhofer-ISE, die einen Wirkungsgrad von 25.1 Prozent ermöglichen (siehe ee-news.ch vom 17.9.15 >>). „Bisher wurden zur Steigerung des Wirkungsgrads von Solarzellen immer komplexe Solarzellenstrukturen verwendet. Der grosse Vorteil an unserem Konzept ist, dass wir durch die Entwicklung einer neuartigen Rückseitenstruktur den Kontakt ganzflächig und strukturierungsfrei aufbringen können“, sagt ISE-Wissenschaftler Martin Hermle. Dadurch vereinfache sich die Herstellung im Vergleich zu den momentan verwendeten hocheffizienten Zellenstrukturen und erhöhe sich dennoch die Effizienz. Denn die neue Rückkontaktschicht (Tunnel Oxide Passivated Contact) bewirke, dass der Strom mit geringeren Verlusten aus der Zelle abgeleitet werden könne. Hermle schätzt, dass Topcon-Zellen in zwei bis drei Jahren mit handelsüblichen Ausmassen produziert werden könnten. Für die Massenproduktion geeignete Verfahren werden nach seiner Einschätzung aber noch fünf bis zehn Jahre Entwicklungszeit benötigen.

Mehrfachsolarzellen
Noch effizienter als Siliziumzellen sind Mehrfachsolarzellen, die aus mehreren Schichten verschiedener Halbleiter wie Gallium, Germanium oder Indium bestehen. Die Materialien sprechen auf verschiedene Spektralbereiche des Sonnenlichts an, entsprechend hoch ist der Wirkungsgrad der Zelle: Der aktuelle Effizienzrekord, gehalten vom Fraunhofer-ISE, liegt bereits bei 46 Prozent. Die Technik hat jedoch einen Haken. Da die Materialien schwer verfügbar und sehr teuer sind, können die Zellen nur in der Grösse eines Fingernagels konzipiert werden. Das Modul beinhaltet daher eine zusätzliche Linse, die das Licht in hoher Konzentration auf die Zelle bündelt. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Module mithilfe sogenannter Tracker exakt der Sonne nachgeführt werden müssen, da die Hightech-Zellen ihre Stärken sonst nicht richtig ausspielen können. Noch steht der Durchbruch der im Vergleich zur Silizium-Photovoltaik aufgrund ihres komplexen Aufbaus recht teuren Systeme aus. Doch ISE-Wissenschaftler glauben, dass sich die Konzentrator-Technik bei den inzwischen möglichen Wirkungsgraden in Ländern mit viel direkter Sonnenstrahlung lohnt, etwa in Indien. Im Frühjahr startete das Institut daher eine Kooperation mit der indischen Forschungseinrichtung Netra. „Wir wollen in erster Linie einen Wissenstransfer speziell im Bereich CPV erreichen“, sagt ISE-Spezialist Gerald Siefer.

CIGS-Technik
Auch die Anbieter von Dünnschichttechnik ringen um grössere Marktanteile. Obwohl Dünnschichtmodule aufgrund ihres relativ geringen Materialverbrauchs immer wieder als Nachfolgerin der Siliziumtechnik ins Spiel gebracht wurden, haben es bisher nur Cadmiumtellurid-Paneele der US-Firma First Solar zu grösserer Marktrelevanz geschafft. Ihr durchschnittlicher Wirkungsgrad liegt mittlerweile bei knapp 17 Prozent, Spitzenmodule erreichen sogar bereits 18.6 Prozent. Damit stösst First Solar in Regionen vor, die bisher Siliziummodulen vorbehalten waren, und das offenbar zu geringeren Fertigungskosten. Nach Brancheninformationen produziere First Solar Module teilweise nur noch für 0.40 US-Dollar pro Watt, günstiger als die China-Produzenten. Als nächstes könnten nun auch Dünnschichtmodule aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen, die sogenannte CIGS-Technik, vor einem entscheidenden Schritt stehen, denn nach Angaben von Michael Powalla vom Stuttgarter Institut ZSW erreichten diese inzwischen das gleiche Kostenniveau wie Cadmiumtellurid-Module. „Die Produktionskosten der CIGS-Technologie betragen selbst bei kleinen Fabriken lediglich 40 US-Cent pro Watt.“ Nach einem Ausbau der Produktionskapazitäten seien sogar deutlich bessere Werte möglich, so Powalla.

Hoffnung für Cigs
Auch beim Wirkungsgrad hat CIGS in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugelegt. Das ZSW erreichte im Februar mit diesen Dünnschichtzellen dank optimierter Fertigungsprozesse 22 Prozent Effizienz, die japanische Firma Solar Frontier kommt im Labor sogar schon auf 22.3 Prozent. Mit derartigen Zellen sei es möglich, den Wirkungsgrad der Module von derzeit durchschnittlich 14 auf 18 Prozent zu erhöhen, sagt Powalla. Die ostdeutsche Firma Avancis arbeitet bereits mit hocheffizienten CIGS-Absorbern. Ein 30 mal 30 Zentimeter grosses Modul, das auf einem seriengefertigten CIGS-Absorber gefertigt werde, bringe es auf 17.9 Prozent Wirkungsgrad, verkündete die Firma im Mai. „Damit kommen unsere Produkte zunehmend auch für flächenbeschränkte Installationen in Frage, die bisher von herkömmlichen Siliziummodulen dominiert wurden“, sagt Avancis-Technikchef Jörg Palm. Von dem Potenzial der CIGS-Technik sind offenbar auch Investoren überzeugt. Baukonzern und Avancis-Mutter CNBM aus China etwa errichtet in China derzeit eine Solarfabrik mit einer Jahreskapazität von 1.5 Gigawatt, in der ab 2017 Module auf Basis der Avancis-Technik gefertigt werden sollen.

Organischen Solarzellen
Nicht nur in der Silizium-, Dünnschicht- und Konzentrator-Photovoltaik geht es voran, auch am unteren Ende der Wirkungsgradskala, bei den organischen Solarzellen, gibt es Fortschritte. Sie werden produziert, indem winzige photoaktive Moleküle auf Glas oder Folie abgeschieden werden. Das ist weniger aufwendig als die Produktion von kristallinen Siliziumzellen, die nach und nach aus einem massiven Siliziumblock entstehen. Ausserdem sind Solarfolien relativ leicht und gut handhabbar, sodass sie als stromerzeugende Fenster für Gebäudefassaden eingesetzt werden könnten. Bisher scheiterte der kommerzielle Einsatz der Technik jedoch an dem vergleichsweise geringen Wirkungsgrad und der niedrigen Lebensdauer – die photoaktiven Moleküle bauen sich bereits nach kurzer Zeit ab. Die Dresdner Firma Heliatek, die Solarfolien im effizienten Rolle-zu-Rolle-Verfahren herstellt, gilt aber als Hoffnungsträger. Sie steigerte den Wirkungsgrad organischer Zellen in den vergangenen zehn Jahren von drei auf mehr als 13 Prozent. Nun geht es nach Firmenangaben darum, die Effizienz auf 15 Prozent zu erhöhen und die Serienproduktion auszubauen. Ziel sei es, die flexiblen Zellen in naher Zukunft in grossen Volumina herzustellen.

Perowskit Tandemzellen
Die Ideen der Wissenschaftler gehen aber noch über die bereits bekannten Zellengattungen hinaus. Um den Wirkungsgrad weiter in die Höhe zu treiben, kombinieren sie einzelne Techniken miteinander. Ein neues, viel versprechendes Duo könnten Siliziumzellen und Zellen auf Basis von Perowskit bilden. Dabei handelt es sich um ein Mineral, das besonders gegenüber grünem und blauem Licht empfindlich ist. Silizium wandelt dagegen vor allem rotes und infrarotes Licht in elektrische Energie um. Durch Kombination beider Halbleiter wird ein Grossteil des Sonnenspektrums genutzt, und der Wirkungsgrad kann theoretisch auf mehr als 25 Prozent steigen. Wissenschaftlern aus Berlin und Lausanne ist es bereits gelungen, eine Tandemzelle aus beiden Materialien mit einer Effizienz von 18 Prozent herzustellen (siehe ee-news.ch vom 21.1.16 >>). Bevor Perowskite jedoch im grösseren Stil eingesetzt werden können, müssen die Forscher zwei wesentliche Probleme lösen. Zum einen sind sie sehr empfindlich gegenüber Feuchtigkeit, sodass sie besonders verkapselt werden müssen, zum anderen enthalten sie Blei. Wenn es gelingt, die Zellen haltbarer und Perowskit-Kristalle ohne das Schwermetall herzustellen, stünde der Photovoltaik ein neuer Hightech-Halbleiter zur Verfügung.

©Text: Sascha Rentzing

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