Laut ENSI ist für die Sicherheit bei der Stilllegung des AKW die detaillierte Planung und entsprechende Ausführung entscheidend. ©Bild: ENSI

ENSI: Beantwortet Fragen zur Stilllegung des AKW Mühleberg

(ENSI) 2019 nimmt die BKW das AKW Mühleberg ausser Betrieb. Dazu haben die Betreiberin BKW und das Bundesamt für Energie BFE im März 2015 drei öffentliche Anlässe durchgeführt. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat an diesen Anlässen über Aspekte der Aufsicht bei der Stilllegung des AKW Mühleberg informiert. Die Bevölkerung hatte die Möglichkeit mündlich und schriftlich Fragen zu stellen. Das ENSI hat die Fragen zur Aufsicht beantwortet.


Welche Aspekte der Stilllegung sind aus Sicht des ENSI eine grosse Herausforderung?
Auch nach der Ausserbetriebnahme steht für das ENSI die Sicherheit an erster Stelle. Mit dem Fortschreiten der Stilllegung und insbesondere mit dem Abtransport der letzten Brennelemente tritt neben dem Schutz der Umwelt verstärkt auch der Schutz der involvierten Mitarbeitenden, welche die Demontage- und Rückbauarbeiten vornehmen, in den Vordergrund. Für alle Tätigkeiten der Stilllegung stehen heute erprobte Technologien zur Verfügung, welche in verschiedenen Projekten etwa in Deutschland erfolgreich angewandt wurden. Entscheidend für die Sicherheit ist die detaillierte Planung und entsprechende Ausführung – das sicherheitsgerichtete Management eines Grossprojektes. Neben den radiologischen Aspekten und technischen Verfahren kommen dabei auch Faktoren etwa im Bereich Mensch und Organisation, Logistik oder konventioneller Arbeitsschutz zum Tragen. Da die BKW auch nach der Ausserbetriebnahme für die Sicherheit des AKW Mühleberg voll verantwortlich ist, muss sie nun ein umfangreiches Stilllegungsprojekt erarbeiten, welches all diese Faktoren berücksichtigt und sich auch auf internationale Erfahrung abstützt. Das ENSI wird dieses Projekt im Detail prüfen und anschliessend auch die Umsetzung vor Ort beaufsichtigen.

Ist das ENSI ausreichend auf die Stilllegung des AKW Mühleberg vorbereitet?
Das ENSI hat 2013 eine Stilllegungsrichtlinie ausgearbeitet und 2014 in Kraft gesetzt. In dieser Richtlinie sind alle wichtigen Sicherheitsstandards und -empfehlungen internationaler Organisationen berücksichtigt. Zudem baut das ENSI sein Wissen bezüglich Stilllegung und Rückbau seit einiger Zeit kontinuierlich aus. So werden Informationen und Erfahrungen aus europäischen Ländern mit Stilllegungsprojekten, insbesondere aus Deutschland, gesammelt und verglichen. Es bestehen auch Kontakte zu verschiedenen europäischen Aufsichtsbehörden, um Erfahrungen und Know-how auszutauschen. Zudem hat das ENSI bei verschiedenen Rückbauprojekten von Forschungsreaktoren in der Schweiz Erfahrungen sammeln können. Dadurch ist das ENSI in der Lage, auch die Stilllegung und den Rückbau des AKW Mühleberg kompetent zu beaufsichtigen.

Ist während der Stilllegung mit zusätzlichen Freisetzungen radioaktiver Stoffe zu rechnen?
Während der Stilllegung dürfen wie schon während des Betriebs nur kontrolliert radioaktive Stoffe an die Umwelt abgegeben werden. Die Grenzwerte für Abgaben werden in der Stilllegungsverfügung festgelegt. Die Erfahrungen mit dem Rückbau von AKW im Ausland zeigen, dass diese Abgaben an die Umwelt sehr klein sind und auch die Summe der Individualdosen aller Personen in der Anlage unterhalb der Summe der Individualdosen aller Personen während des Betriebs zu liegen kommt; der Schutz von Mensch und Umwelt ist somit jederzeit gewährleistet. Das ENSI überwacht die kontrollierten Abgaben durch eigene Messungen und betreibt um die AKW ein eigenes, unabhängiges Messnetz

Warum bevorzugt das ENSI einen sofortigen Rückbau, der dazu führen wird, dass die Arbeiten in einem radiologisch stark belasteten Umfeld durchgeführt werden?
Basierend auf der internationalen Praxis schreibt das ENSI in seiner Richtlinie ENSI-G17 „Stilllegung von Kernanlagen“ vor, dass der sofortige Rückbau als Stilllegungsvariante zu bevorzugen ist. Jede andere Variante als der sofortige Rückbau ist vom Stilllegungspflichtigen besonders zu rechtfertigen. Die Alternative zum sofortigen Rückbau wäre der so genannte „sichere Einschluss“ einer Anlage. Dabei beginnt der Rückbau der Anlage erst nach einigen Jahrzehnten. Dadurch wird der Rückbau der Anlage in eine unbestimmte Zukunft verschoben, was mit sehr vielen Unsicherheiten verbunden ist. Der sofortige Rückbau hat unter anderem den Vorteil, dass das Eigenpersonal, das die Anlage bereits kennt, noch vorhanden ist. Es verfügt somit über wichtige Erfahrung und kann die Rückbauarbeiten unterstützen. Zudem ist auch die Infrastruktur aus dem Betrieb noch in gutem Zustand. Auch die Unsicherheiten bezüglich der Finanzierung sind beim sofortigen Rückbau geringer.

Gibt es in der Schweiz Erfahrungen im Bereich der Stilllegung?
Der Betreiber kann bei Bedarf externe Firmen beiziehen, die auf bestimmte Arbeiten spezialisiert sind und das nötige Know-how aufweisen. Das dabei eingesetzte Personal muss entsprechend qualifiziert sein, unabhängig davon, ob es sich dabei um Schweizer oder ausländische Firmen handelt und unabhängig davon, ob es sich um Fremd- oder Eigenpersonal handelt. Verschiedene Firmen haben sich in der Schweiz nicht nur im Betrieb, sondern auch bei Revisionen und Nachrüstprojekten wertvolles Wissen angeeignet, welches auch bei der Stilllegung zum Tragen kommen kann. Der Betreiber muss den Nachweis erbringen, dass er einen ausreichenden Personalbestand bereitstellen und im Hinblick auf die Stilllegung ausbilden und schulen wird. Weiter sind die Änderungen einer angepassten Organisation zur Gewährleistung eines sicheren und geordneten Projektverlaufs darzustellen. Das ENSI wird diese Punkte im Rahmen seiner Begutachtung bewerten.

Vor dem EU-Stresstest versprach das ENSI, 2015 seien Mängel behoben. Trotzdem lässt sie das AKW bis 2019 am Netz. Ist das ENSI unabhängig? Ist das ENSI eine zuverlässige Aufsichtsbehörde?
Im Länderbericht der Schweiz zum EU-Stresstest wurde als Zieltermin für die Nachrüstung einer von der Aare unabhängigen Kühlwasserversorgung sowie eines erdbebenfesten Brennelementbecken-Kühlsystems im Kernkraftwerk Mühleberg das Jahr 2015 genannt. Das Kernkraftwerk Mühleberg hat diese beiden Nachrüstungen zusammen mit weiteren Massnahmen im Nachrüstprojekt DIWANAS zusammengefasst.
Ende 2012 hatte das ENSI den unbefristeten Langzeitbetrieb des Kernkraftwerks Mühleberg unter Auflagen akzeptiert. Zu diesen Auflagen gehörten unter anderem Massnahmen wie das Nachrüstprojekt DIWANAS. Die BKW hat dann aber im November 2013 entschieden, das AKW Mühleberg frühzeitig bereits 2019 ausser Betrieb zu nehmen. Das ENSI hat der BKW deshalb erlaubt, zu vier Massnahmen, die für den unbefristeten Langzeitbetrieb gefordert wurden, Alternativen einzureichen. Die BKW muss die vom ENSI akzeptierte Lösung für die Verbesserung der Wasserversorgung bis zum Ende der Jahresrevision 2015 umsetzen. Das ENSI ist gesetzlich verpflichtet, sich periodisch im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen der IAEA überprüfen zu lassen. Dies ist letztmals 2011 und 2015 im Rahmen einer IRRS-Mission erfolgt

Wie wird die Endlagerung über die notwendige Zeit sichergestellt? Mit was werden Verfahren und Dokumente über 1000 und mehr Jahre sichergestellt?
Die radioaktiven Abfälle, die beim Rückbau des AKW Mühleberg anfallen, werden gemäss der Planung der BKW im Zentralen Zwischenlager in Würenlingen zwischengelagert, bis ein geologisches Tiefenlager in der Schweiz bereitsteht, in das die Abfälle überführt werden können. In der Schweiz läuft zurzeit die Standortsuche für geologische Tiefenlager, eines für hochaktive Abfälle (Brennelemente) und eines für schwach- und mittelaktive Abfälle (unter anderem Stilllegungsabfälle). Die Tiefenlager müssen die Anforderungen für eine langfristige sichere Entsorgung erfüllen. Es besteht ein weltweiter Konsens darüber, dass die Tiefenlagerung in geeigneten geologischen Formationen die beste Entsorgungsmethode für hochaktive Abfälle darstellt. In der Schweiz ist sie gesetzlich vorgeschrieben. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI beurteilt die Sicherheit der geplanten Tiefenlager. Die Kernenergieverordnung schreibt vor, dass die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers durch gestaffelte, passiv wirkende, technische und natürliche Barrieren (Mehrfachbarrierensystem) zu gewährleisten ist. Der Bundesrat sorgt dafür, dass die Informationen über das Lager, die eingelagerten Abfälle und den Schutzbereich aufbewahrt werden und die Kenntnisse darüber erhalten bleiben. Er kann entsprechende Daten anderen Staaten oder internationalen Organisationen mitteilen.

Was spricht dagegen, aus dem ZWILAG, Würenlingen, ein Endlager zu machen?
Das Zentrale Zwischenlager ZZL ist, wie sein Name sagt, nur ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle. Das heisst, seine Sicherheitssysteme sind nur auf begrenzte Lagerzeiten ausgelegt; sie erfüllen daher das übergeordnete Ziel der Langzeitsicherheit nicht, wie dies beim geologischen Tiefenlager gewährleistet ist. Die schwachaktiven Abfälle aus der Stilllegung dürfen nur konditioniert in endlagerfähigen Behältern im ZZL aufbewahrt werden. Diese Massnahme und weitere Sicherheitssysteme stellen sicher, dass die radioaktiven Abfälle bis zur Inbetriebnahme eines geologischen Tiefenlagers in der Schweiz sicher in Würenlingen aufbewahrt werden.

Besteht ausreichend Lagerkapazität für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle?
Durch den Bau des Zentralen Zwischenlagers ZZL hat sich die Schweiz frühzeitig Kapazitäten für die Entsorgung der radioaktiven Betriebs- und Stilllegungsabfälle geschaffen. Auch die Stilllegungsabfälle aus Mühleberg kommen ins ZZL. Der Lagerraum im ZZL ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand ausreichend bis zur Erschliessung des geologischen Tiefenlagers. Im Stilllegungsprojekt, das die BKW einreichen muss, sind auch die nötigen Entsorgungswege und -kapazitäten zu aktualisieren und präzisieren und an die Entwicklung der Gesetzgebung etwa im Bereich der Strahlenschutzverordnung anzupassen.

Die Nagra ist seit über 40 Jahren auf der Suche nach einem Endlager; bis 2017 sollte dies vorhanden sein. Wer kommt für die Kosten der Ausichtsbehörden auf Bundesebene auf?
Die zuständigen Behörden des Bundes erheben von den Gesuchstellern und den Inhabern von AKW Gebühren und verlangen den Ersatz von Auslagen, insbesondere für:

  • die Erteilung, die Übertragung, die Änderung, die Anpassung und den Entzug von Bewilligungen;
  • die Erstellung von Gutachten;
  • die Ausübung der Aufsicht;
  • vom Bund im Rahmen der Aufsicht für einzelne AKW durchgeführte oder veranlasste Forschungs- und Entwicklungsarbeiten.

Zur Deckung der Kosten für die Aufsichtstätigkeit, die nicht bestimmten AKW zurechenbar sind, erheben die zuständigen Behörden des Bundes von den Inhabern der AKW zudem eine jährliche Aufsichtsabgabe.

Wie bombensicher ist das AKW?
Die Sicherung von AKW und Kernmaterialien soll die Beeinträchtigung der nuklearen Sicherheit durch unbefugte Einwirkungen, die gezielte Freisetzung von radioaktiven Stoffen in die Umwelt und den Diebstahl von Kernmaterialien verhindern. Hierfür gibt es in allen Schweizer AKW ein spezielles Sicherungsdispositiv.

Führen Sie Langzeitmessungen zur Diffusion von radioaktrivem Material aus einem Endlager oder ähnlich durch?
Die geologische Tiefenlagerung darf nur eine geringe zusätzliche Strahlenexposition von Einzelpersonen der Bevölkerung zur Folge haben. Im Hinblick auf die Rahmenbewilligung eines Tiefenlagers muss die Nagra die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers nach dem Verschluss nachweisen. Eine umfassende Szenarien- und Risikoanalyse wird dabei durchgeführt. In der Schweiz werden zwei Felslabors im Kristallingestein (Felslabor Grimsel) und im Tongestein (Felslabor Mont Terri) betrieben, in welchen unter internationaler Beteiligung umfangreiche Forschungsprojekte zur geologischen Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle durchgeführt werden. Ziel der Forschung ist die Charakterisierung und Erfassung der geotechnischen, geochemischen und hydraulischen Eigenschaften der dortigen Gesteinsformationen und die Entwicklung und Überprüfung von Lagerkonzepten für den sicheren Einschluss radioaktiver Abfälle sowie von Techniken zur Erfassung relevanter Daten. Die Resultate der Forschung erlauben es ausserdem, anhand von Demonstrationsversuchen das Verhalten technischer (Bentonit, Zement, Stahlbehälter) und natürlicher Barrieren (Wirtgestein und Rahmengesteine) zu untersuchen und entsprechende Modellrechnungen zu validieren. Diffusionsexperimente mit Radionukliden werden dabei auch durchgeführt.

Text: Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI)

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