Prozessdarstellung Kompensationsprojekte, Grafik: BAFU

Einige der von der EFK geprüften Dossiers ergeben kein positives Bild: So wurden cemsuisse Bescheinigungen im Wert von rund 50 Mio. ausgestellt, ohne dass die von der cemsuisse geltend gemachten Reduktionen geprüft wurden.

Eidgenössische Finanzkontrolle: System zur Kompensation von CO2-Emissionen ist anfällig auf Betrug

(EFK) Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat die Governance der CO2-Kompensation sowie die Effektivität und Effizienz der Kernprozesse geprüft. Für die EFK ist das Instrument insgesamt noch zu komplex. Ausserdem sind diverse Ineffizienzen auszumachen, die Projektgenehmigung und -kontrolle zeigt wesentliche Lücken und die gesetzlichen Vorgaben sind stark durch Lobbyismus geprägt. Das Risiko von betrügerischen Handlungen ist erheblich. So werden zum Beispiel Projekte finanziert, die bereits Gelder vom Klimarappen erhalten haben.


Mit dem 2013 in Kraft getretenen, revidierten Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-Gesetz) müssen Importeure von Treibstoffen Teile der verursachten CO2-Emissionen kompensieren. Nach Einschätzung der Branche belaufen sich die Kosten dafür auf ca. 1 Milliarde Franken, die sie bis 2020 in Projekte und Programme investieren muss, um diese Emissionen zu reduzieren. Diese Projekte werden durch derzeit zehn private Prüfstellen auditiert und vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Energie (BFE) genehmigt. Für nachgewiesene CO2-Reduktionen erhalten die Projekte Bescheinigungen. Wichtigster Abnehmer dafür sind die Kompensationspflichtigen, die solche Bescheinigungen dem BAFU als Nachweis über die geleistete Kompensation einzureichen haben.

Hohe Komplexität und fehlende Verbindlichkeit
Es besteht bei allen Anspruchsgruppen Einigkeit darüber, dass es sich bei der CO2-Kompensation um ein sehr komplexes Instrument handelt. Entsprechend gestaltet sich die Validierung und Verifizierung der Projekte und Programme schwierig und ist mit Unsicherheiten behaftet. Der Interpretationsspielraum ist hoch, der Aufwand für die Prüfungen ebenfalls. Die regulatorischen Bestimmungen sind nicht immer klar, wenngleich die Geschäftsstelle Kompensation durch zusätzliche Hilfsmittel und Tools zur Verbesserung beigetragen hat. Die fehlende Verbindlichkeit der Vorgaben führt jedoch zu unterschiedlichen Methodenanwendungen, höherem Aufwand in der Prüfung und letztlich auch zu einem Risiko von Ungleichbehandlung der Projekte. Die EFK empfiehlt daher die verbindliche Anwendung der Vorgaben. Unsicherheit herrscht ebenso in Bezug auf die Fortführung des Instrumentes nach 2020.

Geforderte Qualität der Prüfstellen unzureichend
Aufgrund der teilweise mangelhaften Qualität der Prüfungen der Prüfstellen sieht sich das BAFU gezwungen, einen Grossteil der Dossiers selber – und damit erneut – zu prüfen. Dadurch sind die Funktionen Aufsicht und Vollzug nicht adäquat getrennt. Entsprechend empfiehlt die EFK, dass sich das BAFU durch eine verstärkte Aufsicht über die Prüfstellen aus dem Vollzug zurückzieht. Ausserdem soll das BAFU den Antragstellern den ausserordentlichen Aufwand (z. B. wegen mangelhafter Projektunterlagen) verursachergerecht verrechnen und nicht wie heute pauschal 1400 Franken. Erhöhter Aufwand entsteht insbesondere dann, wenn Prüfstellen zu Tiefstpreisen arbeiten und qualitativ ungenügend sind. Die Unabhängigkeit und Qualität der Prüfstellen muss insgesamt stark verbessert werden. Ebenso müssen Sanktionsmöglichkeiten sowohl hinsichtlich der mangelnden Qualität der Prüfstellen als auch in Bezug auf falsche Angaben der Projekteigner vorgesehen werden.

Zusätzliche 200 Millionen Franken für bereits realisierte Projekte
Im Hinblick auf die Kompensationspflichtigen kann festgestellt werden, dass sich faktisch eine einzige Organisation und damit eine erhebliche Marktmacht gebildet hat. Das Gesetz sieht jedoch die Bildung von Kompensationsgemeinschaften explizit vor. Die Preise, welche die Kompensationsgemeinschaft den Projekten offeriert, werden zwischen diesen vertraglich geregelt. Dem BAFU sind die Details nicht bekannt. Selbst der Verbraucher von Treibstoffen, der das Instrument finanziert, kennt die Abgabe und deren Höhe nicht. Bei einigen sogenannten selbst durchgeführten Projekten, die aus dem Regime des Klimarappens übernommen wurden, bezahlt der Konsument bis 2020 zusätzlich ca. 200 Millionen Franken, obschon diese Projekte bereits durch den Klimarappen finanziert wurden. Dieses Vorgehen ist gemäss Rechtsgutachten zulässig, gleichwohl aber zu hinterfragen.

Die Geschäftsstelle Kompensation hat selber Schwachstellen im Hinblick auf die Kommunikation, die internen Prozesse und nicht ausreichende Ressourcen erkannt. Massnahmen sind eingeleitet und greifen teilweise schon. Damit kann die Verbesserung der internen Prozesse und des Kontrollumfeldes angegangen werden. Mit der aktuellen, verbesserten Ressourcensituation kann womöglich das Kräfteverhältnis gegenüber den anderen Anspruchsgruppen etwas mehr angeglichen werden.

Hohe Umverteilungen zu erfolgreichen Interessenvertretern
Einige der von der EFK stichprobenweise geprüften Dossiers ergeben kein positives Bild: So wurden dem Verband der Schweizerischen Zementindustrie cemsuisse Bescheinigungen im Wert von rund 50 Millionen ausgestellt, ohne dass die von der cemsuisse geltend gemachten Reduktionen geprüft wurden. Auch die Holzbranche fordert Bescheinigungen mit einem potenziellen Gegenwert von etwa 160 Millionen Franken, wobei die finanzrelevanten, statistischen Modelle durch deren eigene Vertreter erstellt wurden. Ferner fielen beim Vorgehen in der Validierung offene Punkte auf, diverse Ausnahmen wurden gewährt.

Betrug vorbeugen
Im Rahmen weiterer Dossierprüfungen hat die EFK festgestellt, dass die Qualität der eingereichten Unterlagen sehr unterschiedlich ist. Fehlende Unterlagen und Informationen müssen dem BAFU nachgereicht werden. Dabei stand wiederholt der Vorwurf unverhältnismässig hoher Bürokratie im Raum. Die EFK teilt diese Einschätzung nur bedingt. Angesichts der beträchtlichen umzuverteilenden finanziellen Mittel, des grossen Interpretationsspielraumes und der Unsicherheiten ist eine gründliche Prüfung angebracht. Dabei handelt es sich heute meist nur um Plausibilisierungen und Stichproben. Einige Angaben beruhen auf Selbstdeklaration und können gar nicht geprüft werden. Die EFK empfiehlt hier präventive Massnahmen, um Betrug vorzubeugen.

EFK Bericht CO2-Kompensation in der Schweiz - Bundesamt für Umwelt - PA 15374 >>

Text: Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK)

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