Gerhard Zweifel, Präsident des nationalen Forschungsnetzwerkes für Gebäudetechnik und erneuerbare Energien (brenet) und Professor an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur in Horw. ©Bild: brenet

brenet: Forschen für den Bau im Kontext von Energie und Umwelt

(PM) Im Mittelpunkt des von brenet organisierten Status-Seminars, das am 4./5. September 2014 an der ETH Zürich stattfindet, steht Suffizienz im Gebäudebereich. Gerhard Zweifel, brenet-Präsident, erläutert die Themen Effizienz, Konsistenz und Suffizienz und deren Bedeutung sowohl für Forschung und Entwicklung als auch bei der Realisierung und dem Betrieb von Bauten.


Das brenet Status-Seminar vom 4./5. September 2014 an der ETH Zürich stellt die bedeutendste Schweizer Tagung für den Bau im Kontext von Energie und Umwelt dar. Dieses Jahr steht Suffizienz im Mittelpunkt der Konferenz. An den beiden Seminar-Tagen präsentieren Referierende aus Wissenschaft und Praxis rund 80 aktuelle Forschungsprojekte in Form von Vorträgen und Postern, zudem wird die Möglichkeit für Diskussionen und fachlichen Austausch geboten.

Gerhard Zweifel, Präsident des nationalen Forschungsnetzwerkes für Gebäudetechnik und erneuerbare Energien (brenet) und Professor an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur in Horw, erläutert im folgenden Interview die Themen Effizienz, Konsistenz und Suffizienz in Gebäudebereich:

brenet: Bei der geplanten Energiewende soll der Gebäudebereich einen wesentlichen Beitrag leisten. Welche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten aus den vergangenen Jahren können bereits heute zielführende Beiträge leisten?
Gerhard Zweifel: Viele Projekte der vergangenen Jahre zielten direkt auf die Rolle des Gebäudes in der Energiewende ab. Beispiel dafür sind die vielfältigen Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs oder gar zu dessen Umkehr, so dass ein Haus zum Kraftwerk wird. Zentrale Bedeutung haben auch Projekte, die durch Erneuerungsmassnahmen den bestehenden Gebäudepark nachhaltig gestalten. Erste Arbeiten im Bereich des Lastmanagements zeigen die Rolle auf, welche die Gebäude künftig in den Energienetzen spielen werden. Es darf aber nicht vergessen werden, dass auch Forschungsarbeiten in Detailbereichen der Gebäudetechnik, die zu Effizienzsteigerungen führen, einen wichtigen Beitrag leisten. Über das Einzelgebäude hinaus zielten konzeptionelle Arbeiten auf die nachhaltige Versorgung ganzer Quartiere und Städte ab.

Wie schätzen Sie die neuesten Forschungsarbeiten und deren Umsetzung aufgrund der Präsentationen am letzten Status-Seminar im Jahr 2012 ein?
Die Forschung im Energie- und Umweltbereich rund ums Gebäude ist traditionell sehr anwendungsorientiert und mündet regelmässig in praktische Umsetzungsprojekte. Die Präsentationen 2012 zeigten konkrete Wege auf in der breiten Palette von Solararchitektur und Gebäudehülle über die Haustechnik bis zu „Smart Buildings“ und dem „Kraftwerk Haus“. Lösungen für Sanierungen und Neubauten wurden präsentiert. Neue Methoden und Werkzeuge in der Planung unterstützen diese neuen Lösungsansätze. Dabei ist auch eine umfassendere Beurteilung der Objekte bezüglich Umwelteinwirkungen und Ressourceneffizienz aber auch Aspekte der Mobilität feststellbar.

Das diesjährige Status-Seminar stellt die drei Begriffe „Effizienz, Konsistenz und Suffizienz“ in den Mittelpunkt. Welches Ziel wird damit verfolgt?
Die Vergangenheit zeigte, dass Effizienzverbesserungen durch zusätzliche Konsumansprüche kompensiert werden. Beispiele dafür sind Kommunikationsgeräte oder zunehmende Pendlerdistanzen. Diese Reboundeffekte führen nicht zur geforderten Senkung des Ressourcenbedarfs. Technik allein kann den Forderungen nach einer nachhaltigen Gesellschaft nicht nachkommen. Es braucht da auch den Menschen mit seiner Haltung zum Konsum. Mit dem Kernsatz des diesjährigen Status-Seminars „ça suffit – es ist genug!“ soll die Diskussion zur Entwicklung unserer Wertehaltung, die letztes Jahr mit einer Tagung des SIA angestossen wurde, aktiv gehalten und in die Forschungsszene weiter getragen werden.

Zahlreiche Entwicklungen haben sich in den vergangenen Jahren auf die Effizienzsteigerung im Gebäude konzentriert. Was soll in den Bereichen Konsistenz und Suffizienz geforscht werden?
Den technischen Entwicklungen muss die Frage nach ihrer Wirkung auf das menschliche Befinden an die Seite gestellt werden. Technik muss Werkzeug in der Hand des Menschen bleiben. Zukünftig sollen in den Forschungsprojekten Antworten auf diese Wirkung dargestellt werden. Die Ressourcenfrage – z.B. von Seltenen Erden in neuen Technologien – werfen Fragen bezüglich deren Materialisierbarkeit bei einer breiten Anwendung auf. Forschungsprojekte müssen sich diesen Fragen stellen. Es gilt, den Zusammenhang zwischen Lebensqualität und Ressourcenverbrauch aufzubrechen. Das erfordert den Vorstoss in neue Disziplinen, welche in den Kontext der Gebäudeforschung einzubeziehen sind.

Wie wird am Status-Seminar die Fülle an Inputs, Forschungsbeiträgen und Präsentationen strukturiert?
Die thematische Gliederung erfolgt entlang den Themen Planungsprozesse – Transformation – Planungsinstrumente in der Praxis – Ressourcen – Gebäudehülle – Gebäudeautomation – Gebäudetechnik – Energiebereitstellung – erneuerbare Energien sowie gebaute Beispiele von Gebäuden und Quartieren. Die endgültige Struktur ergibt sich aufgrund der eingegangenen und akzeptierten Beiträge. Thematisch gesetzt sind die geladenen Keynote-Referenten, welche die Schwerpunktthemen des Status-Seminars beleuchten sollen.

Während des Status-Seminars sollen auch künftige Forschungsthemen identifiziert werden. Wie wird dieser Prozess durchgeführt?
Die im Status-Seminar 2012 neu eingeführte Struktur eröffnet mehr Raum für Gespräche zwischen Forschenden und Teilnehmenden. Dazu tragen die Postersession im Plenum mit Kurzvorträgen und die in den Vortragssessionen eingeplante Zeit für Diskussionen bei, künftigen Forschungsbedarf zu identifizieren. Zudem zeigt eine ehrliche und wissenschaftlich-neutrale Berichterstattung zu den Projekten meist auch die Grenzen des Erreichten und damit der Bedarf an weiterführenden Arbeiten auf.

Welche Akteure machen heute Gebäudeforschung, und in welcher Richtung soll dieser Kreis erweitert werden?
Es ist erfreulich, dass zu den Akteuren nebst den Hochschulen und Forschungsinstitutionen immer mehr auch die Industrie zählt. Dies ist für den Praxisbezug und die Umsetzung unabdingbar. Die forschungsbezogenen Anstrengungen im Zusammenhang mit der Energiewende zielen auf eine massive Stärkung im Hochschulbereich ab. Es ist wichtig, dass dabei der Einbezug der Industrie und dadurch der Praxisbezug weiterhin bestehen und betont wird. Ein wichtiges Bindeglied bilden hier die Fachhochschulen, die in den letzten Jahren einen zunehmenden Anteil der Beiträge zum Status-Seminar leisten. Das Status-Seminar wird beim neu gebildeten „Schweizer Kompetenzzentrum für Effiziente Gebäude und Quartiere (SCCER FEEB&D)“ die Rolle der Wissens- und Technologieplattform übernehmen. Die SCCER sollen die konkrete Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes angehen. Wichtig ist dabei der Zugang des Industrie- und Dienstleistungssektors zu den erzielten Forschungsergebnissen. Das Status-Seminar unterstützt diesen Prozess.

Die aktuellen Fragestellungen richten sich über das Gebäude hinaus auf Areale, Quartiere und Städte, dies sowohl im Neubau als auch bei Sanierungen. Wie wird diese Perspektive aufgenommen?
Die ersten Arbeiten in dieser Richtung wurden bereits am Status-Seminar 2012 präsentiert. Es ist zu erwarten, dass sich diese Thematik verstärkt. Im Bereich der Vernetzung und der über das Gebäude hinausgehenden Betrachtungen ist für die Energiewende noch viel zu leisten. Das ist anerkannt und wird sich in einer entsprechenden Ausweitung der Forschung in diesem Bereich manifestieren.

In welcher Form wird am Status-Seminar 2014 der Blick bei Forschung, Entwicklung und Umsetzung aufs Ausland ausgeweitet?
Mit geladenen Keynote-Referenten richten wir den Blick gezielt über die Grenzen. Beiträge aus dem nahen Ausland sind sehr willkommen. Eine weiterführende Ausweitung ist derzeit nicht vorgesehen, da die internationale Forschung am CISBAT-Kongress als Schwester-Veranstaltung des Status-Seminars an der ETH Lausanne vorgestellt wird. Wir möchten aber auch die Praktiker aus den Planungsbüros und Industriebetrieben vermehrt zur Teilnahme bewegen und damit die Verbreitung und Umsetzung der Ergebnisse verstärken. Dem würde eine allzu starke Internationalisierung entgegen wirken.

Text: brenet

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