Windpark auf dem Griespass: Wird Windkraft nur gemäss nationalen Strategien geplant statt auf wetterbasierten gesamteuropäischen Überlegungen, verstärken sich die Produktionsschwankungen. ©Bild: A. Niederhäusern

ETHZ: Europaweit koordinierte Planung von Windenergie erhöht Versorgungssicherheit

(©PR/ETHZ) Arbeiten die Länder Europas bei der Windenergie besser zusammenarbeiten, schwankt die Windstromproduktion weniger stark. Das fanden Energie- und Klimaforscher der ETH Zürich und des Imperial College London heraus, die für Europa erstmals Grosswetterlagen mit Stromproduktionszahlen kombiniert untersuchten.


Der Ausbau erneuerbarer Energien steht wegen der wetterabhängigen Stromproduktion massiv in der Kritik. Eine neue Studie zeigt, dass das weniger am Wetter als an mangelnder Berücksichtigung der gesamteuropäischen Wetterverhältnisse in der Planung liegt. Denn etliche Länder Europas folgen für den Ausbau der Windenergiekapazitäten einseitig ihren nationalen Strategien, ohne über ihren eigenen Gartenzaun zu schauen.

Besser wäre es aber, die Länder würden zusammenarbeiten und auch den Ausbau der Kapazitäten in anderen Regionen Europas fördern, wo Windkraft derzeit kaum genutzt wird. Denn nur so liessen sich die extremen Schwankungen, die heute aufgrund der wechselnden Wetterverhältnisse in der Windstromproduktion auftreten, auf einem vergleichsweise tiefen Niveau halten. Zu diesem Schluss kommt eine Gruppe von Klima- und Energieforschern der ETH Zürich und des Imperial College London in ihrer neusten Studie, die soeben in der Fachzeitschrift «Nature Climate Change» erschienen ist.

Premiere für kombinierte Analyse
Für ihre Studie kombinierten die Forscher erstmals für ganz Europa Daten über grossräumige Wetterverhältnisse der vergangenen 30 Jahre mit Wind- und Solarstromproduktionsdaten. Dabei verwendeten sie die an der ETH Zürich entwickelte Plattform Renewables.ninja, um die Wind- und Solarstromproduktion in Europa realistisch zu simulieren.

Mit Hilfe dieser Daten modellierten sie unter anderem, wie sich die Windstromproduktion in Bezug auf sieben in Europa vorherrschende Wetterregime verhält und mit dem weiteren Ausbau der Windenergiekapazität zukünftig ändern wird. Solche Wetterregime erklären, weshalb Schwankungen über mehrere Tage in der europäischen Windstromproduktion auftreten.

Einige Regime sind von Tiefdruckgebieten über dem Atlantik geprägt, welche starken Wind in Westeuropa verursachen, gleichzeitig aber mit ruhigeren Verhältnissen weiter östlich einhergehen. Während anderer Regime ist das Wetter über dem Atlantik und in Westeuropa ruhiger, zur gleichen Zeit herrscht jedoch stärkerer Wind in Südeuropa und Nordskandinavien. «Es gibt kaum eine Wettersituation, in der auf dem ganzen Kontinent gar kein Wind weht und damit ganz Europa gar kein Potential für Windenergie hätte» erklärt Erstautor Christian Grams vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich.

Die Windparks sind jedoch schon heute einseitig über Europa verteilt, vor allem in Ländern um die Nordsee. Das lässt die Windstromproduktion schwanken, weil die meiste Kapazität in Nachbarländern mit ähnlichen Wetterbedingungen installiert ist. Herrscht also über der Nordsee während einiger Tage oder gar Wochen wegen eines stabilen Hochdruckgebiets Flaute, wie im Winter 2016/17, sackt die gesamteuropäische Windenergieproduktion drastisch ab.

Kooperation würde Schwankungen ausgleichen
Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass die Länder meist ihren eigenen Strategien für den weiteren Ausbau der Windkraft folgen. Dadurch werden noch mehr Kapazitäten im Nordseeraum konzentriert. Das wird künftig noch extremere Schwankungen zur Folge haben: Die Differenz zwischen hoher Produktion bei günstigen Windverhältnissen und tiefer Produktion bei Flaute wäre bei besonders ungünstigen Verhältnissen bis zu 100 Gigawatt. Dies entspricht in etwa der Kapazität von 100 Atomkraftwerken, die innerhalb weniger Tage zusätzlich bereitgestellt respektive gedrosselt werden müssten.

Würden europäische Länder hingegen kooperieren und künftige Standorte von Windparks anhand der Wetterregime festgelegen, liessen sich die Schwankungen auf dem heutigen Niveau von rund 20 Gigawatt stabilisieren. In Frage kommen etwa der Balkan, Griechenland, der westliche Mittelmeerraum und Nordskandinavien.

An diesen Standorten weht der Wind nämlich dann genügend stark, wenn im Nordseeraum ein Hochdruckgebiet für Windstille sorgt. Umgekehrt kann ein stabiles Hochdruckgebiet über dem Mittelmeer die Windstromproduktion dort zum Erliegen bringen, dafür produzieren dann die Windparks im Nordseeraum genügend Strom.

«Deshalb könnte Windstromkapazität in Ländern wie Griechenland oder Bulgarien als wertvoller Ausgleich im gegenwärtigen europäischen Windpark dienen. Das erfordert allerdings einen Paradigmenwechsel in den Planungsstrategien der Länder, in denen Windkraft Potenzial hat», betont Mitautor Iain Staffell vom Imperial College London.

Stromspeicherung nicht machbar
Den Strom für mehrere Tage zu speichern, um die mehrtägigen Schwankungen abzufedern, etwa mit Batterien oder Pumpspeicherseen in den Alpen, ist laut Autoren schwierig, da eine solche gigantische Speicherkapazität auch in absehbarer Zeit nicht verfügbar sein wird. Bislang verfügbare Speichertechnologien eignen sich vor allem zum Ausgleich kürzerer Schwankungen innerhalb weniger Stunden bis Tage.

Vielmehr erfordert eine grössere räumliche Verteilung von Windparks auch den Ausbau des Übertragungsnetzes. Solch ein gesamteuropäisch erneuerbares Energiesystem könnte der Schweiz dennoch die Chance bieten ihre Wasserkraftkapazitäten wieder wirtschaftlicher zu nutzen, um kurzfristige Schwankungen auszugleichen.

Politischer Wille und Netzausbau nötig
Auch mit Solarenergie lässt sich eine allfällige Lücke über mehrere Tage höchstens regional füllen. Um die Schwankungen europaweit ausgleichen zu können, müsste gemäss den Forschern die Solarenergiekapazität verzehnfacht werden. «Oft scheint zwar die Sonne, wenn es windstill ist», erklärt Mitautor Stefan Pfenninger vom Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich. «Aber im Winter reicht die Sonneneinstrahlung in Mittel- und Nordeuropa oft nicht aus, um mit Solarpanels genügend Strom zu gewinnen.» Es sei daher wenig sinnvoll, mit einem massiven Ausbau der Solarkapazität die Schwankungen bei der Windenergie ausgleichen zu wollen.

Die Forscher hoffen nun, dass Energieproduzenten und Netzbetreiber, aber auch Regierungen und Politiker, von diesen neuen Erkenntnissen Wind bekommen und die Planung und den Netzausbau europaweit besser koordinieren.


Literaturhinweis

Grams, C.M., R. Beerli, S. Pfenninger, I. Staffell, and H. Wernli, 2017:  Balancing Europe’s wind power output through spatial deployment informed by weather regimes. Nature Climate Change, Advanced Online Publication 17th July 2017, doi: 10.1038/nclimate3338



©Text: Peter Rüegg, ETH Zürich,Erschtveröffentlichung im ETH Zukunftsblog

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