Jacques Bonvin: „Direkt für Solstis wird sich vor allem ändern, dass unsere Kundinnen und Kunden sich jetzt nicht mehr die Frage stellen werden, ob Photovoltaik auch in 10 Jahren noch ein Thema sein wird. Jetzt ist der Kurs vorgegeben.“ Bild: Solstis

Jacques Bonvin: «Zum Glück haben die Schweizer den Fake News der Gegner des Energiegesetzes nicht geglaubt !»

(©AN) «Vor sechs Monaten war für mich die Abstimmung über das neue Energiegesetz eine reine Formalität. Doch aufgrund der falschen Informationen, die die Gegner verbreiteten, machte ich mir zunehmend Sorgen! », erklärt Jacques Bonvin, Co-Geschäftsführer von Solstis. Ein Gespräch über das Ja zur Energiestrategie 2050 und die Konsequenzen für Solstis.


Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich hier um eine leicht gekürzte Version. Zum Originalinterview in französischer Sprache >>

Anita Niederhäusern: Das neue Energiegesetz wurde am Sonntag, den 21. Mai, deutlich angenommen. Inwiefern war die hohe Zustimmung eine Überraschung?
Jacques Bonvin: Ehrlich gesagt ging ich vor sechs Monaten noch davon aus, dass diese Abstimmung eine reine Formalität wäre. Das Parlament hat drei Jahre an der Vorlage gefeilt und hat sie dann mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen, zu diesem guten Abstimmungsresultat hatte ja auch die Rechte beigetragen. Für mich gab es also kein Risiko. Zudem hatte die Atomausstiegsinitiative doch immerhin 46 % Ja-Stimmen geholt.

Aber im Verlauf der Kampagne der Gegner, als ich sie ihre Argumente darlegen hörte und vor allem als sie dafür die Angst vor Windenergieanlagen schürten, da wurde ich unsicher. Das war wirklich harte Kost! Auch das sich Philipp Roch, der ehemalige Direktor des BAFU, gegen die Energiestrategie wandte, das machte mich nachdenklich. Mir wurde auf einmal klar, dass man es mit einer Kampagne, die auf Lügen basiert und in die man sehr viel Geld steckt, weit bringen kann. Ich bin zwar kein Politologe, aber mir scheint, dass es das erste Mal in der Schweiz war, dass eine Kampagne objektiv dermassen verlogen war.

Natürlich hatten wir schon die Plakate mit den Schafen oder mit den Minaretten. Das lag noch knapp im Bereich der Karikatur. Aber dieses Mal haben die Gegner wirklich mit falschen Zahlen gearbeitet. In der Sendung Infrarouge (Anmerkung der Redaktion: Vergleichbar mit der Sendung Arena) standen die Bundesrätin Doris Leuthard und zwei Nationalräte und zwei Windgegner einander gegenüber. Die Argumente der Gegner waren zum Teil offensichtlich falsch. Für mich stellte sich die Frage, ob es demokratisch ist, mit Fake News die Diskussion zu beeinflussen. Es gab ja den Rekurs von Gallus Cadonau gegen das Referendum. Er sagte, dass die Argumente der Gegner offensichtlich falsch seien. Doch er kam damit nicht durch.

Ich war also überhaupt nicht sicher. Dazu kam, dass laut Umfragen die Ja-Stimmen dann bis auf 52 % gesunken sind. Ich war folglich mehr als erleichtert, als ich hörte, dass die Abstimmung mit 58 % angenommen wurde.

Also ein echtes Aufatmen?
Genau! Jetzt haben wir endlich schwarz auf weiss den Ausstieg aus der Atomenergie und den Fokus auf den Erneuerbaren. Vielleicht hat die Kampagne schlussendlich auch etwas Heilsames.

Gibt es für Solstis direkte Auswirkungen des Ja’s an der Urne, wird sich etwas verändern?
Wir hatten in den letzten 20 Jahren unseres Bestehens ja zig Abstimmungen, den Klimarappen, den Solarrappen usw. Alle diese Abstimmungen waren darauf ausgerichtet, den Ausbau der erneuerbaren Energien anzuschieben. Und wir haben alle Abstimmungen verloren. Nun hatten wir zum ersten Mal eine Abstimmung darüber, ob wir mit unserer gegenwärtigen Energieversorgung weiter machen wollen, oder aber sie auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz ausrichten. Für uns wäre ein Nein desaströs gewesen. Jetzt wird unser Business mit der KEV und der Einmalvergütung weiter laufen, wenn auch zeitlich begrenzt. Nicht nur das Parlament und der Bundesrat haben entschieden, sondern das Volk hat dem Kurs weg von der Atomkraft hin zu mehr Erneuerbaren zugestimmt. Das ist sehr wichtig, für die ganze Energiebranche, aber auch für die Solarbranche.

Direkt für Solstis wird sich vor allem ändern, dass unsere Kundinnen und Kunden sich jetzt nicht mehr die Frage stellen werden, ob Photovoltaik auch in 10 Jahren noch ein Thema sein wird. Nein, jetzt ist der Kurs vorgegeben. Wir sind auf dem Weg und gehen weiter, ohne Zweifel, klar. Wir müssen nicht mehr befürchten, dass nun plötzlich das energiepolitische Steuer wieder herumgerissen wird. Doch der Wechsel ist nicht radikal, sondern wir werden unsere Arbeit vielleicht etwas intensiver mit den existierenden Instrumenten weiter fortführen.

Welche Märkte bearbeiten Sie?
Den grössten Anteil hat das Wohnsegment mit allen Hilfsmitteln, um den Eigenverbrauch zu erhöhen mit Batterien und Wärmepumpenboilern. Wir sind bis jetzt in allen Märkten tätig gewesen, in der Industrie, in der Landwirtschaft, die Privaten haben wir aber schon immer gemacht, seit 20 Jahren. Jetzt wird dies jedoch das Hauptsegment. Wir müssen viele kleine Projekte flexibler und schneller bewirtschaften, das gibt mehr Aufwand als ein paar grosse Projekte.

Wird es eher das Einfamilienhaus sein oder eher Mehrfamilienhäuser?
Es sind beide Segmente, die Mehrfamilienhäuser vor allem mit dem Eigenverbrauch. Hier sehe ich eine Verbesserung insbesondere in den neuen Gebäuden, wo dieser von Anfang in die Elektroplanung eingeplant werden kann. In den bestehenden Gebäuden ist das zwar auch möglich, aber wenn alle Zähler ausgewechselt werden müssen, ist das immer sehr aufwändig und somit teuer. Wir haben auch schon Eigenverbrauchslösungen im Bereich Stockwerkeigentum gemacht. Hier ist es jedoch auch schwierig, dass alle am selben Strick ziehen.

Und die Unternehmen, die viel Strom verbrauchen? Öffnet sich hier ein neues Segment?
Solche Unternehmen können bereits seit 2014 Eigenstromanlagen realisieren. Doch mit der Annahme des neuen Energiegesetzes basieren ihre Entscheide nun auf einem national anerkannten Konzept. Das Problem ist eher, dass in der Industrie der Entscheid für eine Investition in eine Photovoltaikanlage, die sich über 25 Jahre rechnet, eher schwierig ist. Denn dort sind die Zeithorizonte sehr viel kürzer.

Sie denken wohl höchstens für die nächsten fünf Jahre…
Das ist schon viel. Denn Unternehmen, die viel Energie konsumieren, sind vielleicht schon geschwächt, weil sie der internationalen Konkurrenz die Stirn bieten müssen und auch mit der Frankenstärke zu kämpfen haben. Wir realisieren solche Projekte, indem wir ein Contracting anbieten und das Risiko selber übernehmen. Das Risiko, dass das Industrieunternehmen weniger verbraucht, zum Beispiel. Es gibt jedoch auch Industrieunternehmen, die uversichtlich sind und selber in eine Anlage investieren. .

Die Verordnung zum Energiegesetz befindet sich noch in der Vernehmlassung – gibt es Schwachpunkte, die noch bereinigt werden müssen?
Die Hauptdiskussion dreht sich um die Vorgehensweise für Projekte, die sich auf der KEV-Warteliste befinden. Die bevorzugte Variante ist nun folgende: Alle, die ohne die definitive Zustimmung von Swissgrid gebaut haben, erhalten die KEV, solange Geld vorhanden ist. Ich denke, dass diese Variante politisch am einfachsten umsetzbar ist, weil die Meckerer, die bereits gebaut haben, dann nicht aufbegehren. Doch damit gibt man ein Signal, dass die, die darauf spekuliert haben, die KEV zu erhalten, die Gewinner von heute sind. Damit ist aber auch das Geld weg, mit dem man neue Projekte hätte bauen können.

Wir haben unseren Kunden immer klar kommuniziert, dass der Platz auf der Warteliste nicht einer definitiven Zusage gleichkommt. Die Leute, die 2013 und 2014 ohne definitive Zusage gebaut haben, wussten, dass die KEV nicht garantiert war. Die Anbieter, die den Kunden keinen reinen Wein eingeschenkt hatten, die werden mit dieser Variante gewinnen. Das finde ich nicht ganz korrekt.

Die Regierung wird wohl nicht das Risiko eingehen, dass zum Beispiel die Landwirte mit ihren bereits gebauten Grossprojekten aufbegehren. Dabei ist ja nicht die Regierung verantwortlich, die hat immer ganz klar kommuniziert, dass ein Platz auf der Warteliste nicht eine definitive Zusage sei. Einige Projektierer haben einfach Lügen erzählt: „Nur keine Angst, das kommt schon gut! Schau her, was die Kalkulationen zeigen, in zwei Jahren bis du Millionär!“ Die Behörden haben jedoch glasklar gesagt, was Sache ist.

Doch das ist Realpolitik! Dem müssen wir uns beugen, ob wir wollen oder nicht!

Was sagen Sie zur neuen Studie von Meteotest, die aussagt, dass die Solarenergie in der Schweiz 50 % des Strombedarfs liefern kann? (siehe ee-news.ch vom 24.4.17 >>)
Natürlich ist es gut, wenn man solche Zahlen kommuniziert. Das Potenzial ist da, das ist doch klar, die Sonne geht jeden Morgen auf und legt sich am Abend wieder zur Ruh und liefert rund 15000-mal mehr Energie, als wir brauchen! Da muss man doch keine Milchbüchleinrechnung machen! Die Sonne ist da, das ist doch klar!

Der Strompreis an den Börsen liegt wieder um die 30 Euro die Megawattstunde, nachdem er letzten Winter auf über 80 Euro die Megawattstunde gestiegen war, weil die Atomkraftwerke in Frankreich und zwei auch in der Schweiz ausser Betrieb waren. Inwieweit beeinflussen diese Preise den Photovoltaikmarkt?
Ich sehe keine direkten Konsequenzen, denn heute bezahlt jeder fixe Preise, wir haben alle Jahrespreise, ausser vielleicht die ganz grossen Verbraucher. Wenn ich also mit einer Photovoltaikanlage im Sommer selber produziere und verbrauche, spare ich gleich viel wie im Winter. Also sowohl für den Installateur wie auch für den Konsumenten ändern die Börsenpreise nichts. Dasselbe gilt für die Energieversorger: Sie machen im Sommer mehr Profit als im Winter. Also solange wir Jahrestarife haben, ändern diese Preisschwankungen nichts.

Die Preise der Module sind in den letzten 10 Jahren um rund den Faktor 10 gesunken. Wie sieht das bei den Arbeitskosten für die Montage aus?
Dieser Anteil hat sich sicher nicht um einen Faktor 10 verringert. Aber wir sind sicher viel effizienter geworden. Auf allen Ebenen, von der Administration, über den Verkauf, den Einkauf bis hin zu den Baustellen, überall haben wir die Prozesse vereinfacht.

Und wie hoch ist der Anteil der Arbeitskosten an einer 30 kW-Anlage?
Er beträgt durchschnittlich 40%.

Können diese Kosten noch gesenkt werden?
Ich denke, dass es noch Optimierungsmöglichkeiten gibt. Schon die Masse macht viel aus. Mehrere Projekte in einer Region können zum Beispiel zusammengefasst werden, zum Beispiel auch für den Transport. Wie weit diese Effizienz noch gesteigert werden kann, kann ich heute nicht sagen. Aber Arbeitseffizienz ist ein ständiger Prozess, in dem wir uns befinden. Wir haben nie aufgehört, die Kosten zu senken und der Prozess ist sicher nicht abgeschlossen. Es gibt aber auch Kosten, die stark steigen, zum Beispiel die Anschlussgebühren: Bei einigen Energieversorgern sind diese explodiert: von 200 auf 1000 Franken. Also die 800 Franken Differenz sind einige Arbeitsstunden, die wir dort zum Teil wieder einsparen müssen. Aber auch die Sicherheitsanforderungen steigen stetig. Um nur einige zu nennen!

2015 hat Solstis 30 MW gebaut und rund 50 Mitarbeitende beschäftigt. Wie viele waren es 2016?
Wir beschäftigen immer noch 50 Mitarbeitende, doch wir haben weniger Megawatt gebaut, weil die Projekte kleiner waren. 2016 waren es rund 22 Megawatt. 2016 haben wir noch ein paar 2-Megwattprojekte gemacht.

Werden die gebauten Megawatt wieder zunehmen? Neu wird es ja die Einspeisevergütung bis 100 Kilowatt geben n
Unser Ziel ist es sicher, das Volumen zu erhöhen, denn es gibt Arbeit!

Und sehr viel Sonne…!

©Interview: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

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