Die Analyse auf Ebene einzelner Kraftwerksblöcke zeigt, dass eine der grössten Herausforderungen für Europa der Kohleausstieg im Stromsektor bis 2030 sein wird. ©Bild: Climate Analytics

EU-Studie zum Kohleausstieg: Alle Kohlekraftwerke bis 2030 abschalten

(PM) Die EU muss die CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken innerhalb der nächsten 15 Jahre auf praktisch null zurückfahren, wenn sie das Temperaturziel des Pariser Abkommen s einhalten will, sagt ein neuer Bericht des Klimaforschungsinstitutes Climate Analytics, der im Februar in Brüssel veröffentlicht wurde.


Der Bericht „A stress test for coal in Europe under the Paris Agreement” ist die erste wissenschaftsbasierte Analyse, die feststellt, wann welches der mehr als 300 Kohlekraftwerke in der EU abgeschaltet werden müsste.

Überschreitung des Emissionsbudgets
Laut Berechnungen von Climate Analytics beträgt das verbleibende CO2-Budget für Kohleverstromung in der EU ungefähr 6.5 GT CO2, wenn das langfristige Ziel des Pariser Abkommens, den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C zu beschränken und Anstrengungen zu unternehmen, diesen au f 1.5°C zu begrenzen, eingehalten werden soll. Die EU wird das Emissionsbudget, das mit dem Pariser Abkommen kompatibel ist um 85% überschreiten, wenn die bereits existierenden Kohlekraftwerke über ihre volle Lebensdauer betrieben werden.

„Bereits die existierenden Kohlekraftwerke würden das Emissionsbudget der EU für Kohlekraftwerke überschreiten. Kämen noch die elf geplanten und angekündigten Kraftwerke hinzu, lägen die Emissionen aus Kohlekraftwerken um beinahe das Zweifache über dem Niveau, welches für die Einhaltung des langfristigen Temperaturziels des Paris er Abkommen s notwendig ist,“ sagt Michiel Schaeffer, der Wissenschaftsdirektor von Climate Analytics während der Präsentation des Berichts in Brüssel.

Rascher Verzicht am kostengünstigsten
Der Bericht stellt fest, dass die Emissionen aus Kohleverstromung in der EU in 2030 beinahe Null sein müssen (-95% bis 2030, -100% in 2031), wobei ein Viertel der laufenden Kraftwerke vor 2020 und weitere 47% bis 2025 abgeschaltet sein müssen. „Der kostengünstigste Weg für die EU, um die unter dem Pariser Abkommen notwendigen Emissionsreduktionen durchzuführen, ist der rasche Verzicht auf Kohle im Stromsektor und ihr Ersatz durch erneuerbare Energien und Energieeffizienzmassnahmen,“ sagt Paola Yanguas Parra, eine der Hauptautorinnen des Berichts.

Zwei Szenarien
„Deutschland und Polen stehen vor den grössten Herausforderungen beim Kohleausstieg: Zusammen sind sie für 51% der installierten Kohlekapazität und 54% der Emissionen aus Kohlekraftwerken in der EU verantwortlich. „Der Bericht entwirft zwei mögliche Szenarien, wie die EU einen vollständigen Kohleausstieg erzielen könnte und schlägt jeweils ein Jahr der Abschaltung für jedes der 315 Kraftwerke (mit insgesamt 738 Kraftwerksblöcken) vor (1). Ein Szenario basiert auf einer Marktperspektive, wobei der wirtschaftliche Wert eines Kraftwerks wichtiger ist als seine Emissionsintensität; das andere basiert auf einer Regulierungsperspektive, bei dem Kraftwerke mit der höchsten Emissionsintensität zuerst stillgelegt werden. Beide führen zu einem Kohleausstieg um 2030, jedoch unterscheiden sich die Zeitpunkte, zu dem einzelne Kraftwerksblöcke abgeschaltet werden, deutlich zwischen den beiden Szenarien. Dies führt zu unterschiedlichen Auswirkungen auf regionaler Ebene innerhalb von Mitgliedsstaaten.

Um diesen ambitionierten Kohleausstieg zu erreichen, muss die EU die richtigen politischen Rahmenbedingungen durch sich ergänzende Massnahmen schaffen:

  • Ein effektiveres EU Emissionshandelssystem
  • Einen stabilen und vorhersagbaren Investitionsrahmen
  • Einen höheren Anteil erneuerbarer Energien – entscheidend für einen erfolgreichen Kohleausstieg
  • Strategien und Politikmassnahmen auf nationaler und regionaler Ebene, um einen weichen Übergang zu ermöglichen und soziale und wirtschaftliche Chancen eines raschen Kohleausstiegs bestmöglich zu nutzen.

Führungsrolle bei Umsetzung einnehmen
Bedeutende institutionelle und finanzielle Mittel sind nötig, um die Realisierung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Vorteile dieser wichtigen Umwandlung des Energiesektors zu ermöglichen. „Es ist bemerkenswert, dass die Europäische Union in den vergangenen 20 Jahren in der Klimapolitik global wegweisend war, sei es in Sachen Emissionsvermeidung oder Anpassung an den Klimawandel, den rechtlichen Strukturen internationaler Abkommen oder der Finanzierung von konkreten Massnahmen in Entwicklungsländern. Die nächste grosse Herausforderung ist die Führungsrolle auf dem Weg zur Erreichung des 1.5°C Ziels, wobei die Erwärmung zuvor auf deutlich unter 2°C beschränkt werden sollte, wie in Paris vereinbart,“ sagt Bill Hare, CEO von Climate A nalytics.

Herausforderung: Kohleausstieg im Stromsektor
„Diese neuartige und innovative Analyse auf Ebene einzelner Kraftwerksblöcke zeigt, dass eine der grössten Herausforderungen für Europa der Kohleausstieg im Stromsektor bis 2030 sein wird. Dies wäre eine Herausforderung für jedes Land in jedem Teil der Welt, sowohl ökonomisch als auch politisch. Die EU hat jedoch bereits viele der entscheidenden politischen Instrumente eingeführt, inklusive solcher für faire und gerechte Übergangsstrategien. Die Herausforderung für Europa besteht nun darin, Nutzen aus seinen massive n Investitionen in die Klimapolitik zu ziehen , die Chance des Kohleausstiegs zu ergreifen und seine Institutionen zu nutzen, damit alle europäischen Regionen davon profitieren“, fährt Bill Hare fort.

Deutschland
„Deutschland ist Europas grösster Kohleverbraucher . Eine Reihe grosser Kohlekraftwerke wurde in den vergangenen 15 Jahren gebaut und ein weiteres Grosskraftwerk könnte 2018 in Betrieb gehen. Unsere Analyse legt dar, dass diese Kraftwerke lange vor dem Ende ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer geschlossen werden müssen, um das Temperaturziel des Paris Abkommens einzuhalten,“ sagt Niklas Roming, einer der Autoren des Berichts. „Dies ist auch bereits im Klimaschutzplan 2050 angedeutet, dessen Umsetzung sich auch auf unseren Bericht stützen sollte.“

Polen
„Die polnische Elektrizitätsversorgung basiert zu 85% auf Kohle. Obwohl diese mit steigenden Förderkosten, rasch sinkenden Reserven und zunehmender Konkurrenz durch erneuerbare Energien zu kämpfen hat, setzt die polnische Regierung auch in Zukunft auf Kohle als den Hauptpfeiler der Stromversorgung. Die Umsetzung des Pariser Abkommens bedeutet jedoch, dass Polen die Pläne für neue Kohlekraftwerke nicht umsetzen kann und stattdessen den Kohleausstieg planen muss“, sagt Andrzej Ancygier. Politikmassnahmen auf Ebene der EU und der Nationalstaaten für das EU-ETS und erneuerbare Energien müssen ergänzt werden mit langfristiger Planung für einen nachhaltigen Wandel, vor allem in den Regionen die am meisten betroffen sind.“

Obwohl der Wandel eine grosse Herausforderung ist, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Kohle zu ersetzen, vor allem angesichts des deutlichen Rückgangs in den Kosten für Wind- und Sonnenenergie und dem polnischen Potenzial für Biomasse . Alle diese Möglichkeiten stehen Polen zur Verfügung um seinen Stromsektor sauberer und auf verschiedene Energieträger aufbauend zu machen. „Der notwendige Schritt weg von der Kohle bringt wirtschaftliche und soziale Möglichkeiten mit sich. Die Alternativen aus dem Gebiet der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz werden bedeutende soziale und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen welche belastbar und langandauernd sein werden. Die Politik der EU sollte dabei helfen, Alternativen zu entwickeln und negative sozioökonomische Auswirkungen für einige Regionen z u vermeiden und nachhaltige Beschäftigungsalternativen zu entwickeln.“

Mehr Beschäftigung durch Kohleausstieg
„Neben der Schaffung von Beschäftigung wird der Kohleausstieg und der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien den polnischen Stromsektor widerstandsfähiger machen gegen Stromausfälle a ufgrund von höherer Häufigkeit von extremer Trockenheit und dem verbundenen Mangel an Kühlwasser für Kohlekraftwerke.“

(1) Vollständige Liste mit dem Jahr der Abschaltung nach Kraftwerksblock >>
Anmerkung: In einigen Fällen befinden sich mehrere Kraftwerke am selben Ort oder gehören zum selben Komplex. Zum Teil werden diese als unterschiedliche Kraftwerke betrachtet – teilweise mit unterschiedlichen Eigentümern – und zum Teil werden sie jedoch als zum gleichen K raftwerk zugehörend betrachtet. Eigentümerschaft kann sich wandeln, wodurch sich dann auch die Zahl der Kraftwerke ändern kann. Unter Beachtung dieser Umstände kommen wir auf eine Zahl von 315 einzelnen Kraftwerke. Jedoch wird unsere Analyse auf Basis von individuellen Kraftwerksblöcken durchgeführt.

Vollständiger Bericht >>

Text: ClimateAnalytics

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