Wirtschaftswachstum und Klimaschutz sind nicht zwingend Gegensätze – im Gegenteil: Diese Meinung jedenfalls vertrat der ehemalige Präsident Mexikos, Felipe Calderón. In seinen Betrachtungen über die internationale Klimapolitik und die Rolle der Wirtschaft sprach er unter anderem von der «wirtschaftlichen Dringlichkeit des Klimaschutzes». «Investitionen in erneuerbare Energien schaffen erwiesenermassen ein Vielfaches an Arbeitsplätzen im Vergleich zu Investitionen in fossile Brennstoffe.» Felipe Calderón ist Vorsitzender der Global Commission on the Economy and Climate und sagte: «Unternehmen wir nichts gegen den Klimawandel, werden dessen Folgen verheerend sein – auch für die Wirtschaft.» So würden beispielsweise die unzähligen Naturkatastrophen und die dadurch verursachten immensen Schäden ein weiteres Funktionieren des Versicherungswesens verunmöglichen, so Calderón. Sein optimistisches Fazit stiess bei der Zuhörerschaft auf offene Ohren: «Massnahmen zugunsten des Klimaschutzes können uns aus der Rezession bringen. Ist es nicht bezeichnend, dass es gerade jenen Ländern wirtschaftlich am besten geht, die auch die grössten Fortschritte in der Reduzierung der Treibhausgase verzeichnen konnten!?» Felipe Calderón hatte sich schon während seiner Präsidentschaft intensiv mit Klimafragen auseinandergesetzt. Wir erinnern uns: Die Uno-Klimakonferenz 2010 von Cancún war unter seiner Obhut. Seither seien grosse Fortschritte erzielt worden: Namentlich die grossen Emittenten von Treibhausgasen und die Mitverursacher der Klimaerwärmung – China und die USA – hätten sich nun auch für die Reduktionsziele ausgesprochen.
Konkurrenzfähige Energiepreise, hohe Versorgungssicherheit
«Die Klimafrage lässt sich nur global lösen und ich wünsche mir manchmal mehr Engagement der ‹big elephants› unter den Staaten», sagte der ehemalige Verwaltungsratspräsident der Ammann Group und heutige Bundespräsident Johann Schneider-Ammann. «Die Energiewende ist nur mit innovativen und markttauglichen Produkten und Dienstleistungen zu realisieren. Nur auf diesem Weg lassen sich die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sowie unser Wohlstand aufrechterhalten und gleichzeitig das Klima schützen», so der Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Hierfür brauche unser Land kreative Köpfe und mutige Unternehmer, denen von der Politik möglichst grosse Freiheiten gewährt werden. Die Politik müsse begreifen lernen, was den Unternehmen an Regulierung zugemutet werden könne. Er sei sich des ständigen Ringens zwischen wirtschaftlich sinnvollem und klimapolitisch erwünschtem Verhalten sehr wohl bewusst – auch aus eigener Erfahrung. Der ehemalige Swissmem-Präsident sprach sich dezidiert für international konkurrenzfähige Energiepreise, eine hohe Versorgungssicherheit und eine möglichst unabhängige Energieversorgung aus. Wörtlich sagte Bundespräsident Schneider-Ammann: «Das Zusammenführen von Wissenschaft und Wirtschaft sowie Investitionen in die Bildung bilden bei der Suche nach einem gesunden Gleichgewicht die besten Voraussetzungen.»
Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen: Innovationen
Remo Lütolf, Vorsitzender der Geschäftsleitung ABB Schweiz, hatte quasi ein Heimspiel und die Zuhörer voll auf seiner Seite mit seiner Aussage: «Der Wandel zu einer nachhaltigen Energielandschaft ist im vollen Gange. Innovationen sind der Schlüssel zur Bewältigung der vielseitigen Herausforderungen.» Als Paradebeispiel für ein innovatives Projekt aus der Energieverteilung erörterte der ABB-Schweiz-Chef «die klimafreundliche gasisolierte Schaltanlage im ewz Unterwerk Oerlikon, die ein Wegweiser für eine nachhaltige städtische Stromversorgung sowie ein Durchbruch in der Schaltanlagentechnik ist.» Für Remo Lütolf müssen, um eine nachhaltige und zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten zu können, Innovationen entlang der gesamten Energiekette vorangetrieben werden. Zentral seien dezentrale Energiespeicherungslösungen, eine effizientere Verteilung des Stroms mittels Smartgrid sowie die verbesserte Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Der promovierte Elektroingenieur stellte verschiedene Projekte vor, die entscheidend zu einer nachhaltigen Stromversorgung beitragen können, wie zum Beispiel eine im Meer schwimmende Kraftturbine, welche aus den Gezeiten Energie gewinnt.
Ressourceneffizienz als entscheidender Wettbewerbsvorteil
Unter der Leitung von Moderator Urs Gredig diskutierten Regula Rytz, Christian Wasserfallen, Mathias Binswanger und Anton Gunzinger über Ressourceneffizienz in der Schweiz. Nationalrätin Rytz vertrat die Meinung, dass ökologisch innovative Unternehmer durch die politischen Rahmenbedingungen belohnt werden müssen. FDP-Politiker Wasserfallen hingegen warnte vor zu vielen Lenkungsmassnahmen, da diese falsche Anreize schaffen, wie Beispiele aus Deutschland belegten. Der Ökonom Binswanger wies darauf hin, dass Effizienzsteigerungen zu Kostensenkungen führen. Allerdings werden die Einsparungen sofort wieder anderweitig eingesetzt. Gunzinger, Gründer der Super Computing Systems AG, zeigte sich überzeugt, dass wir bald zu drastischer Ressourceneffizienz gezwungen werden, weil Ressourcen knapp und dadurch extrem teuer werden.
Innovative Technologien bieten Lösungen
Im Rahmen der Showcases präsentierten am SwissECS drei Unternehmer ihre innovativen Produkte und Verfahren. Frank Verschraegen, Projektleiter bei der belgischen DEME Group, will mit dem Projekt E-Island eine effektive Möglichkeit zur Energiespeicherung bieten. Im Meer angelegte Inseln sollen als Pumpspeicherkraftwerke dienen. Um das Fahrrad als Fortbewegungsmittel noch bequemer und attraktiver zu machen, entwickelte Assaf Biderman von Superpedestrian das Copenhagen Wheel. Der hochkomprimierte Computer mit Motor und Akku lässt sich in das Rad eines jeden konventionellen Fahrrads einpassen und macht es innerhalb weniger Minuten zu einem EBike. Die Copenhagen Wheels werden seit 2015 produziert, kosten ab 1'200 Dollar pro Stück und werden bald in grossem Stil auch auf den europäischen Markt kommen. Christian von Olshausen produziert als Co-Gründer der Sunfire GmbH künstliches Erdöl. Denn der deutsche Wirtschaftsingenieur ist überzeugt, dass die unzähligen Wertschöpfungsketten, die auf Erdölprodukten basieren, nicht ohne grossen volkswirtschaftlichen Schaden ersetzt werden können. Es gehe deshalb darum, diese Ressourcen synthetisch und sauber herzustellen und die Kosten verursachergerecht zu verteilen.
«100 Prozent klimaneutrales Bauen ist schon heute möglich»
Gemäss Eric Olsen, CEO des weltweit grössten Baustoffherstellers LafargeHolcim, braucht es das Wissen, das Engagement und die Zusammenarbeit aller an Bauprozessen beteiligten Akteuren, um die ressourceneffizientesten und für das Klima besten Lösungen zu finden. «Es ist bereits heute möglich, absolut klimaneutral zu bauen», so der amerikanisch-französische Doppelbürger, der eine Einführung einer globalen CO2-Steuer begrüssen würde. 100 Millionen Dollar monatlich für nachhaltige Energie: «100 percent clean energy is the most important goal in the world», zeigte sich Mosaic- Gründer Billy Parish überzeugt. «Jeden Monat vermitteln wir Kredite in der Höhe von 100 Million Dollar an Eigenheimbesitzer für den Bau von Solaranlagen». Die Investoren waren anfangs vorwiegend Privatleute, heute gehören auch viele grössere Kreditgeber dazu. Das Investieren in nachhaltige Energien sei nicht nur ein globaler Trend, sondern lohne sich auch wirtschaftlich. Ein nachhaltiges Portfolio wird bald Pflicht: «Investoren fordern zunehmend, dass ihr Geld nachhaltig angelegt wird», so Caroline Anstey, Global Head von UBS and Society. Im Kampf um die Kunden werde um das Image alsnachhaltigste Bank schon bald ein regelrechter Wettbewerb entfacht. Weiter müssten sich die Banken wieder mehr auf ihre Schlüsselfunktion als Vermittler zwischen Menschen mit guten Ideen und Menschen mit Geld konzentrieren, sagte Anstey. So könne der Finanzsektor denn auch einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten.
Meeresspiegel wird um mindestens einen Meter ansteigen
Kein Leben ohne Ozeane: Sylvia Earles Liebe und Leidenschaft für die Ozeane war in jedem Satz ihres Referats zu spüren. Die 81-jährige Amerikanerin war nach Bern gereist, um auf die Dringlichkeit eines wirksamen Schutzes der Meere aufmerksam zu machen. «Die Ozeane sind die Lebensgrundlage unseres gesamten Ökosystems», erklärte die renommierte Ozeanografin. «Durch unseren Lebensstil haben wir die Weltmeere in den vergangenen 100 Jahren rücksichtslos ausgebeutet», so Earle, die fast ein Jahr ihres Lebens unter Wasser verbrachte. Noch hätten wir jedoch die Möglichkeit, das Ruder herumzureissen: «Wir können jetzt wählen, was für eine Zukunft wir wollen.» Konrad Steffen, Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, zeigte in seinem Referat auf, welche Folgen die Erderwärmung für die Menschen haben wird. Allein das in Grönland geschmolzene Eis habe seit 1992 zu einem Anstieg des Meeresspiegels um rund einen Zentimeter geführt, erklärte der Klimaforscher und Grönland-Experte. Bei einer Klimaerwärmung von zwei Grad werde der Meeresspiegel um einen weiteren Meter ansteigen. «Bis 2100 werden deshalb 150 bis 250 Millionen Menschen umgesiedelt werden müssen.» Eine «Carbon Bubble» als Kehrseite der Energiewende? Wenn die in Paris vereinbarten Klimaziele erreicht werden sollen, dürfen 80 Prozent der fossilen Energiereserven nicht mehr verbrannt werden. Energieunternehmen haben sich das Recht an deren Förderung jedoch bereits vor Jahren erworben und die Reserven sind in die Bewertung der Firmen eingeflossen. Was, wenn Investoren ihr Geld im Zuge der Energiewende jetzt aus den Mineralölfirmen zurückziehen? Droht eine «Carbon Bubble», welche den globalen Finanzmarkt und die Weltwirtschaft gefährdet?
Clevere Architektur kombiniert mit zahlreichen neuen Technologien
Über die Gefahr einer «Carbon Bubble» und die Chancen von Investments in erneuerbare Energien diskutierte Urs Gredig am zweiten Tag des Swiss Energy and Climate Summit mit Urs Meister, Leiter Strategisches Regulierungsmanagement bei der BKW, Antoinette Hunziker-Ebneter, CEO der Forma Futura Invest AG, Michael Schmidt, Vorsitzender des Vorstandes von BP Europe SE und Hanspeter Konrad, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbandes. Klimaschutz gepaart mit Lebensqualität in der «Sustainable City»: Karim El-Jisr, Direktor des Diamond Innovation Center, stellte am SwissECS die «Sustainable City Dubai» vor. Trotz des heissen Klimas in Dubai hat der hochinnovative und nachhaltige Stadtteil eine positive Energiebilanz. Dies ist vor allem auf eine clevere Architektur kombiniert mit zahlreichen neuen Technologien zurückzuführen. Die «Sustainable City» schont aber nicht nur das Klima, sie bietet auch hervorragende Lebensqualität und viel Komfort.
«Nachhaltige Lösungen müssen auch gesellschaftliche Vorteile bieten»
«Die Transformation der Städte in Europa zu nachhaltigen Systemen des Zusammenlebens stellt uns vor besondere Herausforderungen», sagte Alanus von Radecki, Head of Competence Team Urban Governance Innovation am Fraunhofer-Institut. Die Technologien und Möglichkeiten, Städte ökologischer zu gestalten, sind bereits vorhanden. Allerdings können diese Ansätze nicht top-down implementiert werden, ohne die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Nachhaltige Stadtplanung könne nur gelingen, wenn Politik, Industrie und Kommunen zusammenarbeiten. Saubere Kohle für eine nachhaltige Energieversorgung Indiens: Im Expertengespräch zur Energiepolitik Indiens legten der ehemalige indische Umweltminister Jairam Ramesh und der Social Entrepreneur Harish Hande dar, wie ihr Land gleichzeitig mehr Menschen mit Energie versorgen und klimafreundlicher werden kann. Auf dem Gebiet der Solarenergie werde in Indien schon sehr viel gemacht, sagte Rahmesh am SwissECS. Hande betonte, dass erneuerbare Energie durchaus auch für arme Menschen erschwinglich sei. Man müsse ihnen aber auf sie zugeschnittene Angebote bereitstellen und sie mit gezielten Krediten unterstützen.
Mehr Freiheit dank energieautarkem Mikrohaus
«Um den Klimawandel einzuschränken, müssen wir alle Technologien nutzen, die uns zur Verfügung stehen», sagte Julio Friedmann. Und: «If you accept climate science please accept climate math.» Der Senior Advisor am Lawrence Livermore National Laboratory und langjährige Mitarbeiter der amerikanischen Regierung machte sich in seinem Referat für CCS stark. Dem Verfahren, CO2 aus der Luft abzuscheiden und unterirdisch zu speichern, werde immer noch mit Vorurteilen begegnet, obwohl es sicher, hocheffektiv und günstig sei.Zum Abschluss des 10. SwissECS präsentierte der slowakische Architekt Tomas Zacek die von ihm entwickelte «Ecocapsule» erstmals in der Schweiz. Das mit Küche und Bad ausgerüstete Minihaus für zwei Personen versorgt sich dank Solar- und Windkraftanlage selbst mit Energie und produziert durch das Sammeln und Filtern von Regenwasser auch Trinkwasser. In einem ersten Schritt sollen 50 Exemplare zu knapp 80'000 Euro pro Stück verkauft werden. Dann soll die Massenproduktion zu einem günstigeren Preis beginnen.
Partner des SwissECS
Der SwissECS wird von den Premium-Partnern Gebäudeversicherung Bern (GVB), UBS, BKW AG und ABB unterstützt. Main-Partner des Anlasses sind Swisscom, das Bundesamt für Energie BFE sowie das Bundesamt für Umwelt BAFU.
©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch, Quelle: Beni Meier/SwissECS
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