Charmaine White Face kämpft für die Anerkennung ihrer Stammesrechte gegenüber den USA sowie gegen den Uranabbau. Sie fordert eine umfassende Renaturierung der Minen sowie Entschädigungen. ©Bild: T. Rütti

Jacqueline Arpan von der Lakota-Umweltorganisation «Defender oft he Black Hills» begleitete Charmaine White Face auf der Europareise: «Der Uranabbau, der erste Schritt der nuklearen Produktionskette.» ©Bild: T. Rütti

Helena Nyberg von Incomindios: «Indigenen Völkern soll es ermöglicht werden, sich gegen Übergriffe von aussen zu schützen und ein Leben nach eigenen Werten zu gestalten.» ©Bild: T. Rütti

Kaspar Schuler von der Allianz Stromausstieg: «Wir arbeiten darauf hin, dass neben der Bestätigung des Bauverbots neuer AKW auch die bestehenden AKW rasch ausser Betrieb genommen werden.» ©Bild: T. Rütti

Jürg Joss vom Verein «Mühleberg-Ver-fahren» kennt das juristische Hickhack zur Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg. Auch er steht ein für einen politischen und gewaltfreien Kampf. ©Bild: T. Rütti

Uranabbau in den USA: Das lange Leiden der Lakota

(©TR) Das indigene Volk der Lakota – die Oglala Tituwan Oceti Sakowin oder die Great Sioux Nation – leidet unter den gesundheitlichen Folgen radioaktiver Strahlung aus 3272 Altlasten des Uranbergbaus auf ihrem Stammesterritorium. Seit Jahren kämpft Charmaine White Face für die Anerkennung ihrer Stammesrechte gegenüber den USA sowie gegen den Uranabbau.


Die unermüdliche Kämpferin fordert eine umfassende Renaturierung der Minen sowie Entschädigungen. Ihre Erfahrungen, Anliegen und Ängste konnte sie am 15. September 2015 in Bern darlegen, begleitet von Jacqueline Arpan. Die Lakota, bei uns besser bekannt als Sioux (Englisch: Great Sioux Nation), gehören aufgrund ihres zähen Widerstands gegen die Besetzung und Vertreibung durch die amerikanische Regierung zu den politisch aktivsten Indianerstämmen überhaupt; in ihrer eigenen Sprache nennen sie sich Oglala Tituwan Oceti Sakowin. Bis heute kämpfen sie um die völkerrechtliche Anerkennung ihrer durch die amerikanische Regierung ausführlich verbrieften Landrechte, so auch vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf, vor dem Charmaine White Face und Jacqueline Arpan als Vertreterinnen der Lakota-Umweltorganisation «Defender oft he Black Hills» derzeit als militante Kämpferinnen auftreten.

Betroffene sind jeglicher Willkür schutzlos ausgesetzt
Aber auch, dass jetzt sogar eine benachbarte Uranmine wieder in Betrieb genommen werden soll.» Die Europareise der beiden Frauen der Great Sioux Charmaine White Face: «Der UNO-Menschenrechtsrat erfährt von uns, wie hochgradig die Verseuchung von Grundwasser, Flüssen und Seen ist. Er muss wissen, dass zehn Millionen Menschen davon betroffen sind und ihre Gesundheit auf dem Spiel steht angesichts der radioaktiven Strahlung aus den Altlasten des Uranbergbaus. Und dass die Betroffenen jeglicher Willkür schutzlos ausgesetzt sind. Aber auch, dass jetzt sogar eine benachbarte Uranmine wieder in Betrieb genommen werden soll.» Die Europareise der beiden Frauen der Great Sioux Nation fällt zudem mit der Ständeratsdebatte über den Atomausstieg zusammen, der sie unbedingt beiwohnen wollten.

3272 Uranerzgruben auf dem Gebiet der Great Sioux Nation
Am gut besuchten Vortragsabend im Hotel Bern war in etwa Folgendes zu erfahren: In Europa und in der Schweiz, ja sogar in den USA selber, weiss man wenig über die Great Sioux Nation und ihre durch den Weissen Mann verursachten Probleme. Kaum bekannt ist die fortschreitende, seit Jahrzehnten bestehende schleichende Verseuchung des indianischen Stammesgebietes durch Uranminen im Tagebau. Auf dem Stammesgebiet gibt es 3272 stillgelegte Uranerzgruben, auf dem Gebiet des Staates South Dakota sind es noch viel mehr. Man geht von über 10‘000 Standorten aus. Charmaine White Face: «Ebenso wenig wurden bislang die Gefährdungen durch die Abraumhalden erhoben, welche Wind und Regen ausgesetzt sind. Die weggeblasenen und weggeschwemmten radioaktiven Partikel verseuchen das Wasser und die Luft.» Gewässer und Böden enthalten Rückstände von Arsen, Quecksilber und Schwefelsäure. Viele indianische Uranminen-Arbeiter erkrankten bereits an Leukämie und Lungenkrebs. Zudem wurde ihnen oft als Lohn Baumaterial aus Uranminen zum Bau von Häusern zur Verfügung gestellt. Damit atmeten ganze Familien jahrelang radioaktive Luft aus den Wohnräumen ein.

Eine Neuauflage all dieser Leiden?
Charmaine White Face und Jacqueline Arpan sind mit ihren Problemen im Namen der Lakota-Umweltorganisation «Defender oft he Black Hills» längst an die Öffentlichkeit getreten. Mit ihrer Europareisen sorgen sie dafür, dass die geforderte Renaturierung der Minengebiete und die Anerkennung ihrer Rechte auch bei uns zum Thema werden. «Die Welt soll erfahren, dass die Gefährdung unseres Trinkwassers eines der drängendsten Folgeprobleme des Uranabbaus ist. Kommt hinzu, dass die geplante Wiederinbetriebnahme einer Uranmine in unserer Umgebung die Neuauflage all dieser Leiden bedeuten würde», so Charmaine White Face. Ein weiteres Problem: Geld fehlt an allen Ecken, selbst zur Finanzierung von Radioaktivitätsmessungen von Wasserproben.

«Viele Rechte von Indigenen Völkern werden ihnen vorenthalten»
Helena Nyberg von Incomindios, dem Internationalen Komitee für die Indigenen Amerikas, hielt in der abgegebenen Dokumentation Folgendes fest: «Viele Rechte von Indigenen Völkern sind nicht bindenden festgehalten und werden ihnen dadurch vorenthalten… Indigenen Völkern soll es ermöglicht werden, sich gegen Übergriffe von aussen zu schützen und ein Leben nach eigenen Werten zu gestalten. Über drei Viertel der weltweiten Biodiversität liegt auf indigenem Land, das durch vielfältige wirtschaftliche Interessen bedroht ist. Der Uranabbau, die Abholzung der Urwälder, die Erdöl- und Teersandausbeutung sowie die Übernutzung der Wasservorräte zerstören weltweit Böden und Gewässer. Dadurch wird die Gesundheit indigener und nicht-indigener Menschen gefährdet. Wir unterstützen Indigene Völker in ihrem Widerstand gegen die Ausbeutung ihrer Ressourcen und die Zerstörung ihrer Lebensräume.» Helena Nyberg wirkte am Vortragsabend auch als Simultanübersetzerin Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch.


Schweizer Atombetreiber
über kanadische Partnerfirmen verbandelt
Viele Jahre lang wehrten sich die Indianer vor den Gerichten gegen den geplanten Uranabbau der zum damaligen Konzern Energy Fuels Nuclear (EFN) gehörenden Canyon Mine. Leider vergeblich. Die Argumente der EFN, an der damals auch Schweizer Steuerzahlende über die KKW Gösgen AG und die NOK AG (heute AXPO) beteiligt waren, wogen offenbar mehr. Obwohl sich die Schweizer Atombetreiber fast gänzlich aus dem US-Urangeschäft zurückgezogen haben, sind sie doch noch über kanadische Partnerfirmen (Cameco, AREVA) mit der heutigen Eignerin der Canyon Mine, Energy Fuels Resources Inc., verbandelt – und tragen somit eine Mitverantwortung. Kaspar Schuler von der Allianz Stromausstieg steuerte in der abgegebenen Dokumentation ein Statement bei, das einen Bogen zur Schweiz spannt: «Mit der veränderten politischen Ausgangslage seit der nuklearen Katastrophe von Fukushima arbeitet die Allianz Atomausstieg darauf hin, dass neben der Bestätigung des Bauverbots neuer AKW auch die bestehenden AKW rasch ausser Betrieb genommen werden. Unsere 39 Mitgliederorganisationen agieren selbständig und bewirtschaften ihre Themen rund um die Risiken und Gefahren der Atomkraft. Die Allianz Atomausstieg nimmt die Rolle einer Austausch-, Koordinations- und Strategieplattform wahr.»

Solidarität und der erwartete Hinzugewinn an neuen Erkenntnissen
Woher rührt das Interesse von Schweizer Organisationen an den extrem dramatischen Voraussetzungen und Geschehnissen in Amerika? Es ist vorab die Solidarität, aber auch der erwartete Hinzugewinn an bisher kaum bekannten Tatsachen. Nehmen wir den von Jürg Joss präsidierten Verein «Mühleberg-Ver-fahren», der das juristische Hickhack zur Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg auch kennengelernt hat. Gegen aussen vertritt der Verein die Verfahren mit allen ihm zur Verfügung stehenden politischen und gewaltfreien sowie materiellen und rechtlichen Mitteln. Wir zitieren nochmals Charmaine White Face: «Es ist mir ein zentrales Anliegen, dass die Schweiz schnell und ganz aus der Atomenergie aussteigt, denn: Der Uranabbau ist der erste Schritt der nuklearen Produktionskette. Er hat nicht nur lokale, sondern auch globale Folgen.» Unter dem Vortragstitel «Das lange Leiden der Lakota» rief die Sprecherin Great Sioux Nation dezidiert dazu auf, die Kerngedanken ihres Vortrags soweit als möglich in unsere eigene politische Arbeit einzubringen und ebenfalls Lobbyarbeit zu betreiben in den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gremien. Die Wissenschaftlerin und Botschafterin des Anti-Uranabbaus legte den zahlreich ins Hotel Bern gekommenen Zuhörern aber auch ans Herz, unermüdlich weiterzukämpfen so wie sie es selber bis ans Lebensende zu tun gedenke. Zum Vortragsabend eingeladen wurde ee-news.ch von der Schweizerischen Energie-Stiftung SES.

Mehr Infos:

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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