Die Photovoltaikbranche ist während der Krise nicht untätig geblieben: Zahlreiche Innovationen werden die Wirkungsgrade steigern und sie damit noch konkurrenzfähiger machen. ©Bild: BSW-Solar/Innovationsallianz

Früchte der Solarkrise: Innovationen für das Hausdach

(©SR) Währende der Solarkrise waren die Firmen keineswegs unproduktiv: Sie entwickelten wirkungsvollere Zellen und Module, die nun nach und nach auf den Markt kommen. Von der zusätzlichen Siliziumnitrid-Schicht auf der Rückseite über Bifazialzellen bis hin zu neuen Materialien wie Perowskit, die Innovationen sind beachtlich.


Der Verfall der Modulpreise hat in den vergangenen Jahren hatte verheerende Folgen: Viele Hersteller mussten Insolvenz anmelden, etliche Arbeitsplätze gingen verloren. Doch die Krise hatte auch eine gute Seite: Um sich für bessere Zeiten zu rüsten, investierten die Firmen in die Modernisierung ihres Produktportfolios: wirkungsvollere Wechselrichter und neue Batteriespeicher, vor allem aber effizientere Zellen und Module. Für Solarkäufer sind das erfreuliche Nachrichten. Denn je leistungsstärker ein Modul ist, desto mehr Sonnenstrom lässt sich pro Quadratmeter Modulfläche ernten und desto mehr Solarenergie kann im Haus genutzt oder gegen eine Vergütung ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden.

Wermutstropfen
Einziger Wermutstropfen: Wer europäische Solartechnik anschaffen möchte, der findet nicht mehr die grösste Auswahl an deutschen Produkten vor. Viele Händler führen mittlerweile Module ausländischer Hersteller, weil die meisten deutschen Produzenten den Preiskampf mit China entweder nicht überlebt oder ihre Solarsparten wegen hoher Verluste vorzeitig geschlossen haben. „Ausser Solarworld ist kein auf dem Weltmarkt relevanter deutscher Hersteller mehr übrig geblieben“, erklärt der Analyst Stefan de Haan vom Marktforschungsunternehmen IHS.

Um Kunden an sich zu binden und somit seine Marktposition in Deutschland zu festigen, hat das Unternehmen technologisch zugelegt: Seit diesem Jahr produziert Solarworld sogenannte PERC-Zellen (Passivated Emitter and Rear Contact) aus monokristallinem Silizium, die nach eigenen Angaben mehr als 20 Prozent des Lichts in Strom umwandeln. Dadurch steige die Modulleistung auf 275 bis 280 Watt. Zum Vergleich: Kristalline Standardmodule von Solarworld erreichen derzeit im Durchschnitt rund 250 Watt.

Zusätzlichen Siliziumnitrid-Schicht
Das Besondere an den PERC-Zellen: Ihre Rückseite ist mit einer zusätzlichen Schicht aus Siliziumnitrid überzogen. Sie reflektiert Lichtstrahlen, die das Silizium durchdringen. „Das Licht wird so besser genutzt, der Wirkungsgrad steigt“, erklärt Kristian Peter vom Konstanzer Solarforschungsinstitut ISC. Grosses Potenzial wird der Technik aber auch deshalb zugesprochen, weil die Hersteller die für PERC-Zellen erforderlichen Prozessschritte relativ leicht in bereits bestehende Produktionslinien integrieren können. „PERC-Zellen könnten sich zum neuen Industriestandard entwickeln“, sagt Peter.

Bifazialzellen
Die Technik ist aber nicht die einzige Option für effizientere Module. Eine andere viel versprechende Variante, die die Hersteller ins Auge gefasst haben, sind Bifazialzellen. Sie können dank einer lichtdurchlässigen Rückseite beidseitig Licht absorbieren – dadurch liefern sie mehr Strom als herkömmliche Siliziumzellen, die Licht nur von vorne sammeln. Am ISC entwickelte monokristalline Bifazialzellen zum Beispiel erreichen nach Peters Angaben ein Stromplus von bis zu 30 Prozent. Die italienische Firma Megacell will deshalb schon 2015 mit der Produktion der ISC-Technik beginnen.

Auch Maschinenbauer Schmid Group aus Freudenstadt bietet bereits spezielle Produktionslinien für Bifazialzellen an. Das Besondere daran: Die Schmid-Anlagen verarbeiten anstelle des monokristallinen erstmals günstigeres multikristallines Silizium. Das ist bei Bifazialzellen schwierig, denn multikristallines Material ist hitzeempfindlicher als monokristallines und kann bei den für Bifazialzellen erforderlichen Prozessschritten leicht beschädigt werden. Dennoch bringt der neue Prozess einen entscheidenden Vorteil mit sich: „Mit dieser neuen Technologie wird der Stromertrag von multikristallinen Zellen auf vergleichbare Werte angehoben wie der von teureren monokristallinen Zellen“, erklärt Schmid-Manager Christian Buchner.

300 Watt-Module
Noch höhere Leistungen von mehr als 300 Watt können Solarkäufer von Hocheffizienzmodulen aus Rückseitenzellen erwarten. Die Zellen tragen sämtliche metallenen Kontaktfinger und Leiterbahnen auf der Rückseite. So bleibt die Front komplett frei und es kann mehr Licht eindringen. Die US-Firma Sunpower, Vorreiter bei dieser Technik, hat den Wirkungsgrad der Zellen konsequent gesteigert und produziert inzwischen Zellen mit 24,2 Prozent Effizienz. Der Nachteil der Rückseitensammler ist jedoch, dass sie relativ schwierig herzustellen und entsprechend teuer sind. Die Zellen machen sich deshalb nur in Regionen mit hoher Einstrahlung bezahlt, wo ihre hohe Effizienz voll zur Geltung kommt.

Heterojunction-Zellen
Eine Hocheffizienzalternative zu Rückseitensammlern sind Heterojunction-Zellen. Bei ihnen ist eine monokristalline Siliziumscheibe von beiden Seiten mit einer zusätzlichen Schutzschicht aus amorphem Silizium versehen. Die Schichten verhindern, dass die in der Zelle erzeugten Ladungsträger an der Oberfläche des Siliziumkristalls für den Solarstrom verloren gehen. Der japanische Konzern Panasonic erreicht durch diese Massnahme im Labor inzwischen 25,6 Prozent Wirkungsgrad und hält damit den Effizienzrekord für Siliziumzellen.

Bisher sind Heterojunction-Zellen ebenso wie die Rückseitensammler noch wenig verbreitet, doch ihr Marktanteil könnte bald steigen: Roth & Rau, die heutige Tochter des schweizerischen Unternehmens Meyer Burger, griff das bis 2010 patentrechtlich geschützte Konzept von Panasonic auf und entwickelte eine Produktionslinie für Heterojunction-Zellen. Mittlerweile können die Hersteller sie kaufen. Nach Angaben von Meyer-Burger-Sprecher Werner Buchholz kann die neue Produktionsstrasse Zellen mit bis zu 24 Prozent Effizienz hervorbringen. „Wir haben deshalb viele Projekte, wo es auch um Heterojunction-Technologie geht“, so Buchholz.

Innovative Dünnschichtmodule
Auch Dünnschichtmodule könnten stärker ins Blickfeld von Solarinvestoren rücken. Sie werden durch Aufdampfen von halbleitenden Schichten aus Cadmium-Tellurid (CdTe) oder Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) auf Glas hergestellt. Der Vorteil: Der aufwendige Prozess des Zerschneidens von Siliziumblöcken entfällt bei diesem Verfahren, was günstigere Produktionskosten verspricht. Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen erfolgten in den vergangenen Jahren jedoch vor allem bei den CIGS-Modulen langsamer als bei den kristallinen Modulen, weshalb die Technik keine nennenswerten Marktanteile auf sich vereinen konnte. Mittlerweile haben die Dünnschichtspezialisten ihr Innovationstempo jedoch erhöht. Sowohl CdTe- als auch CIGS-Module dringen daher in Effizienzbereiche vor, die bisher kristallinen Modulen vorbehalten waren.

CdTe-Module der US-Firma First Solar beispielsweise erreichen mittlerweile 17 Prozent Spitzenwirkungsgrad – vor fünf Jahren standen bei dieser Technik erst zwölf Prozent zu Buche. Und First Solar hat noch viel vor: Bis 2018 will die Firma die 20-Prozent-Marke knacken und die Produktionskosten von 0,63 auf 0,35 Dollar pro Watt senken. Selbst straff organisierte chinesische Hersteller dürften mit ihren kristallinen Modulen hier nur mit Mühe mithalten.

Flexiblen Photovoltaikfolien
Neben den klassischen Glasmodulen ist künftig auch mit flexiblen Photovoltaikfolien zu rechnen. Sie lassen sich als Strom erzeugende Fassaden in Gebäude integrieren und könnten damit etwa Bürokomplexe in umweltgerechte Öko-Bauten verwandeln. In den Zukunftskonzepten von Stadtplanern und Architekten spielen Nullenergiehäuser, für die leichte und flexible Module benötigt werden, eine zentrale Rolle. „Etwa 40 Prozent der Primärenergieressourcen verwenden wir für Beheizung und Kühlung unserer Gebäude. Da ist ein gigantisches Einsparpotenzial vorhanden“, sagt Klaus Sedlbauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik in Stuttgart. Solarhersteller arbeiten daher mit Hochdruck an der Entwicklung fassadentauglicher Solartechniken.

Die Dresdner Firma Heliatek zählt zu den Vorreitern der Folientechnik und will in Kürze die Serienfertigung starten. Sie nutzt kleine Strom erzeugende Moleküle, sogenannte Oligomere, die sie als hauchdünne Schicht im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf eine Plastikfolie aufdampft. Mit zwölf Prozent Wirkungsgrad reicht die Technik zwar nicht an die 20 Prozent Effizienz gängiger Siliziumzellen heran, dafür ist sie günstiger und lässt sich im Gegensatz zu den klobigen Siliziumzellen überall einsetzen.

Günstiger und vielseitiger
Das Ende der Wirkungsgradskala ist damit bei den Solarfolien aber offenbar längst nicht erreicht. Wissenschaftler entdecken immer neue Halbleitermaterialien, die versprechen, gleichzeitig preiswert und effizient zu sein. Zu den neuesten Entdeckungen zählt zum Beispiel der metallorganische Halbleiter Perowskit. Er besteht aus den gut verfügbaren und günstigen Rohstoffen Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Blei, Chlor und Iod und wandelt zudem viel Licht in Strom um: Forscher erreichen damit bereits Wirkungsgrade von rund 20 Prozent. Die Photovoltaik wird günstiger und vielseitiger.

©Text: Sascha Rentzing

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Partner

  • Agentur Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ist Ihr Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Energieeffizienz tätig? Dann senden sie ein e-Mail an info@ee-news.ch mit Name, Adresse, Tätigkeitsfeld und Mail, dann nehmen wir Sie gerne ins Firmenverzeichnis auf.

Top

Gelesen
|
Kommentiert