Die Software Polysun unterstützt Planer bei der Konstruktion von Heizungs- und Stromversorgungsanlagen. Foto: Vela Solaris

Die Illustration macht deutlich, dass zur Steuerung einer Heiz- und Energieanlage immer auch eine zentrale Steuerung benötigt wird, deren Auslegung ebenfalls dank Polysun geplant werden kann. Foto: Vela Solaris

Simulation von Stromproduktion und -verbrauch eines Hauses (mit PV-Anlage und Batteriespeicher) durch die Polysun-Software: Die Grafik zeigt für vier aufeinander folgende Tage die Erträge der PV-Anlage (schwarz). Grafik: Vela Solaris

Eine Heizanlage: Eine PV-Anlage (oben links) bzw. das Stromnetz (symbolisiert durch den Masten) liefern den Strom, mit dem unter anderem eine Wärmepumpe (unten Mitte) betrieben wird, die Heizwärme und Warmwasser liefert. Illustration: Vela Solaris

Der ETH-Elektrotechniker Dr. Andreas Witzig hat Vela Solaris 2007 als Spin-Off der Hochschule Rapperswil gegründet. Foto: B. Vogel

Vela Solaris: Die richtige Batterie für Selbstversorger

(©BV) Mindestens einmal im Jahr bringt die Firma Vela Solaris (Winterthur) ein Update der Simulations- und Planungssoftware Polysun auf den Markt. Mit der Software lassen sich Heizungs- und Energieversorgungsanlagen unter Einbezug erneuerbarer Energien optimal planen. Im Zentrum der jüngsten Updates steht der Batteriespeicher, mit dem Betreiber von Photovoltaik-Anlagen ihren Eigenverbrauch optimieren können.


Das neue Software-Tool ging aus einer Zusammenarbeit mit der ETH Zürich hervor.Für viele Planer und Entwickler im Bereich der erneuerbaren Energien ist sie unentbehrlich: die Software Polysun. Mit der Software lassen sich Energiesysteme mit Solarthermie, Wärmepumpen und Photovoltaik (PV)-Anlagen planen, bei Bedarf auch im Verbund mit fossil betriebenen Kleinkraftwerken wie z.B. Blockheizkraftwerken. Die Anfänge der Software reichen ins Jahr 1992 zurück. Unterdessen ist Version 7 auf dem Markt. Die Software ist in zwei Qualitätsversionen und 13 Sprachen erhältlich. Der Preis liegt je nach Paket zwischen 1200 und 4700 Fr.

Lastmanagement
Wie jede Software muss auch Polysun ständig den Bedürfnissen der Nutzer angepasst werden. Dafür sorgen regelmässige Updates. Version 6 stellt den Nutzern seit Mitte 2013 das Werkzeug zur Verfügung, um Batteriespeicher richtig zu dimensionieren, dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Tiefentladungen die Lebensdauer einer Batterie verkürzen. Version 7 enthält neu ein Werkzeug, mit dem Forscher und Entwickler intelligente Steuerungseinheiten für die Regelung von Verbrauchsgeräten (Lasten), Produktionsanlagen und Speicher in einem Haushalt entwickeln können. Solche Steuerungseinheiten werden beispielsweise gebraucht, soll der Eigenverbrauch von selbstproduziertem Photovoltaik-Strom optimiert werden. Das nächste Update (Version 8) ist schon aufgegleist: Hier wird es nicht mehr um den Eigenverbrauch eines Haushalts wie bei Version 7 gehen, sondern um den Eigenverbrauch eines ganzen Quartiers im Nahwärmeverbund.

Software mit Marktpotenzial
Hinter Polysun steht Dr. Andreas Witzig mit seiner in Winterthur domizilierten und zehn Mitarbeiter starken Firma Vela Solaris. Witzig hatte an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule (ETH) Zürich Elektrotechnik studiert und im Bereich Optoelektronik promoviert. Anschliessend arbeitete er bei einer Softwarefirma, einem Spin-Off der ETH. „Da bekam ich Lust, selbst etwas auf die Beine zu stellen“, erzählt Andreas Witzig. Die Möglichkeit bot sich 2005 an der Fachhochschule in Rapperswil (HSR). Dort kam Witzig mit Polysun in Berührung, die am Institut für Solartechnik der HSR rund um Prof. Ueli Frei mit viel wissenschaftlichem Fleiss und massgeblicher Unterstützung des Bundesamts für Energie entwickelt worden war.

Start als Spin-Off
Andreas Witzig erkannte mit zwei weiteren Mitarbeitern des Instituts für Solartechnik das Marktpotenzial der Software. Sie entschieden sich zum Aufbau eines Spin-Offs, das die Resultate der akademischen Forschung kommerzialisiert. Das war die Geburtsstunde von Vela Solaris. Für das Gründerteam war es ein Sprung ins kalte Wasser, denn anders als bei der ETH üblich, bietet die HSR Unternehmensgründern nicht die Möglichkeit, mit einem Teilzeitpensum beschäftigt zu bleiben. „Das hat uns gezwungen, richtig anzufangen, nicht mit einem 20 %-Pensum 'Firma zu spielen'“, sagt Witzig im Rückblick. Die Gründer standen trotzdem nicht ganz alleine. Sie profitierten von externer Hilfe, insbesondere der von Thomas Schmidheini präsidierten Stiftung Futur zur Förderung von Jungunternehmen im Umfeld der HSR.

Der grosse Schritt zur Anwenderfreundlichkeit
Als Andreas Witzig noch unter dem Dach der HSR arbeitete, erweiterte er ab 2005 die Polysun-Software. Die Benutzeroberfläche wurde neu gestaltet. Jetzt konnten die User die Komponenten der Energiesysteme auf einer Zeichnungsfläche wie ein Steckspiel mit Rohrleitungen zu einem Heizsystem verbinden. Die zu den Komponenten gehörenden Daten werden dabei in einer Datenbank hinterlegt. Sobald ein Energiesystem in der Software aufgebaut ist, wird aus diesen Daten die Performance des Gesamtsystems berechnet.

Im Januar 2007 wurde Vela Solaris als Spin-Off der HSR gegründet. Polysun wurde nun so erweitert, dass sie neben Solarthermie auch Photovoltaik und Wärmepumpen umfasste. 2011 dann brachten Witzig und seine Kollegen Version 5 der Software auf den Markt. Jetzt war Polysun so benutzerfreundlich gestaltet, dass die Software „bereit für den Markt und grosse Kunden“ war, wie Witzig sagt. Damit dieser Schritt gelingen konnte, war die Zahl der Software-Entwickler vorübergehend auf acht Personen erhöht worden. Die nötigen Mittel konnten durch eine Kapitalerhöhung mit privaten und institutionellen Investoren gefunden werden.

Ein Platz im globalen Markt
In den letzten Jahren hat Vela Solaris die Software mit zusätzlichen Funktionen angereichert. Seit der Version 5 findet man bei Polysun ein „All-in-one-Tool“, also die Möglichkeit, verschiedenste Verknüpfungen von Solarthermie-Anlagen, Wärmepumpen und PV-Modulen in einer einzigen Berechnung durchzuführen. Seit 2007 entstanden spezielle Firmenversionen, anfangs für die wichtigen Schweizer Solarspezialisten Soltop, Schweizer Metallbau und Helvetic Energy. Weiter konnten Heizungsanbieter wie Hoval, Walter Meier und CTA beliefert werden, sowie international tätige Firmen wie Sonnenkraft, Tisun, Bosch und Vaillant. Vela Solaris baute parallel dazu ein weltweites Netzwerk von Vertriebspartnern auf und etablierte das Onlinemarketing. Wichtig waren und sind die Abkommen mit Testinstituten, welche die Daten der Komponenten zur Verfügung stellen, aufbauend auf dem europäischen Teststandard Solar Keymark bzw. den analogen Standards in den USA und China. Heute hat die Software 18 000 Nutzer weltweit, Online-Nutzer eingeschlossen.

Seit 2013 ist Vela Solaris rentabel. Andreas Witzig macht kein Geheimnis daraus, dass er in einem Markt agiert, in dem einem nichts geschenkt wird. Im Bereich Photovoltaik ist wegen der Vielzahl von Gratistools kaum Geld zu verdienen, im Bereich Wärme muss er sich gegen zwei deutsche Konkurrenten (Valentin/Berlin, Hottgenroth/Köln) behaupten. Jeweils die Hälfte des Umsatzes erzielt Vela Solaris mit Lizenzen für Kleinkunden sowie mit Firmenversionen.

Knowhow von der ETH
In dieser Situation ist ständige Weiterentwicklung Pflicht. „Wir sind eine innovative Firma, daher brauchen wir Hightech-Forschungsprojekte. Das zeichnet uns gegenüber der Konkurrenz aus“, betont Andreas Witzig. Freie Mittel werden in neue Innovationsprojekte investiert. Bereits früher kooperierte die Firma mit dem Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik von ETH-Prof. Lino Guzzella. Im Jahr 2011 suchte Witzig die Kooperation mit Prof. Göran Andersson, Leiter des ETH-Instituts für Energieübertragung, das über Kompetenzen und ein gutes Netzwerk z.B. zu den Energieversorgern verfügt. So entstand ein vom Bundesamt für Energie unterstütztes Forschungsprojekt, das von 2011 bis 2015 dauert und eine zentrale Grundlagen lieferte für die bereits realisierten bzw. noch geplanten Polysun-Updates.

Ausgangspunkt dieses Projekts war eine unter Betreibern dezentraler PV-Anlagen verbreitete Frage: Wie gelingt es mir, einen möglichst hohen Anteil meines PV-Stroms selber zu verbrauchen? Polysun 7 zeigt dem Heizungs- und Energieplaner, wie das Gesamtsystem aus PV-Anlage, Verbrauchsgeräten (Wärmepumpe und weitere Lasten) sowie Batteriespeicher ausgelegt werden muss, damit ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad erreicht werden kann (vgl. Textbox). „Schon neun Monate nach Projektstart konnten wir die ersten Resultate im Polysun-Release mitgeben“, sagt Witzig. Das war Mitte 2013. Das zweite Update sowie eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem Wechselrichterhersteller SMA folgte Mitte 2014. Ein weiteres Update Mitte 2015 wird die PV-Eigenverbrauchsoptimierung perfektionieren.

Aus dem Labor an den Markt
„Vela Solaris ist ein Beispiel für gelungenen Wissenstransfer“, sagt Dr. Michael Moser, Bereichsleiter Elektrizität in der Sektion Energieforschung des Bundesamts für Energie, das die Entwicklung von Polysun in verschiedenen, aufeinander aufbauenden Projekten kontinuierlich gefördert hat. Die Software ist nicht nur für Planer und Entwickler von Energiesystemen von Bedeutung. Auch Forscher, Regulierungsbehörden und Energieversorgungsunternehmen brauchen die Software, um das Energieversorgungssystem planen zu können, das durch den Ausbau der dezentralen Versorgung immer komplexer wird.


ETH-Forscher beschreibt Lebenszyklus von Batterien
Betreiber von Photovoltaik-Anlagen setzen heute in zunehmendem Mass Batteriespeicher ein, um den Eigenverbrauch des selbst produzierten PV-Stroms zu erhöhen. Um diesem Markttrend gerecht zu werden, suchte Vela Solaris 2011 die Zusammenarbeit mit der ETH Zürich. Ziel der Kooperation: Die Software Polysun so weiterentwickeln, dass Anlagen mit Batterie-Zwischenspeicher mit Blick auf eine Eigenverbrauchsoptimierung optimal geplant werden können.

Um eine Batterie mit der Software wirklichkeitsnah modellieren zu können, müssen zahlreiche Parameter einfliessen: dies sind neben Ladekapazität, Lade-/Entladeleistung, Lebenszeit/Degradation auch Parameter im Zusammenhang mit der chemischen Zusammensetzung der Batterie. ETH-Doktorand Evangelos Vrettos hat unter Einbezug dieser Parameter einen Algorithmus für Bleibatterien entwickelt. Auf dieser Grundlage etablierte Vela Solaris dann das Modell für die Batteriekomponente, wie sie in den neusten Versionen der Polysun-Software enthalten ist. „Dank unseres Algorithmus können Planer jetzt für beliebige Gebäudetypen und PV-Flächen berechnen, welches die ideale Grösse des Batterie-Zwischenspeichers ist und welcher Selbstversorgungsgrad sich mit PV-Strom erreichen lässt“, sagt Vrettos.

Um es an einem Beispiel zu illustrieren: Konnte ein mit einer PV-Anlage und einer Wärmepumpe ausgestattetes Einfamilienhaus bisher knapp 20 % des PV-Stroms selber nutzen, steigt der Selbstversorgungsgrad bei Einsatz einer Batterie (6 kWh Kapazität) und einer optimalen Steuerung der Wärmepumpe auf 36 %. Zwar könnte der Selbstversorgungsgrad durch Einsatz einer grösseren Batterie weiter gesteigert werden. Dies wäre aufgrund der höheren Beschaffungskosten der Batterie unter dem Strich aber weniger lukrativ (bezogen auf die aktuellen Batteriekosten und Einspeisetarife für PV-Strom).

„Unsere grösste Herausforderung war, die einschlägigen Parameter zu bestimmen und in einer Formel zu verknüpfen, um mit einem Algorithmus den Lebenszyklus der Batterien korrekt zu beschreiben“, sagt ETH-Forscher Vrettos im Rückblick. Dieser Algorithmus ist nicht nur für Polysun interessant, er könnte auch in die aktuellen Bemühungen der Heizungsbranche zur Festlegung von Batteriestandards einfliessen.

Nicht nur die verfügbaren Standards rund um Batteriespeicher lassen heute zu wünschen übrig, sondern auch die Verfügbarkeit der Daten: Für die auf dem Markt erhältlichen Batterien sind nicht immer alle zur Modellierung notwendigen Daten greifbar. Weil die Hersteller teilweise die notwendigen Daten nicht zur Verfügung stellen, ist der mit Polysun 7 erfasste Batteriekatalog zur Zeit noch beschränkt.


©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

 





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