Rainer Zah (Empa) und Peter de Haan (Ernst Basler und Partner): Die hauptverantwortlichen Autoren der neuen Studie «Chancen und Risiken der Elektromobilität für die Schweiz».

Susanne Wegmann, Geschäftsleiterin des Verbands e’mobile: «Elektromobilität wird sich auch ohne Technologieförderung früher oder später durchsetzen.» Bilder: T. Rütti

Studie Elektromobilität: Chancen und Risiken für die Schweiz

(©TR) Elektroautos gelten als Hoffnungsträger für eine weniger umweltbelastende Mobilität. Werden Elektrofahrzeuge als lokale Energiespeicher verwendet, können sie gar den geplanten massiven Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen. Zu diesem Schluss jedenfalls kommt eine neue Studie, die unlängst in Bern vom Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-SWISS) präsentiert wurde.


Als Kompetenzzentrum der Akademien Schweiz A+ befasst sich das Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung TA-SWISS mit der technischen Vorausschau und erarbeitet wissensbasierte Entscheidungshilfen für das Parlament, wie der Geschäftsführer Sergio Bellucci neulich in Bern erörterte. Titel der Presseorientierung: Zukunft unter Strom. Mit der Analyse zur Elektromobilität habe TA-SWISS ein Projektteam unter der Leitung von Peter de Haan (Ernst Basler und Partner EBP) und Rainer Zah (Eidgenössische Materialforschungs- und -prüfanstalt Empa) beauftragt. Eine Quintessenz der nun vorliegenden Studie «Chancen und Risiken der Elektromobilität für die Schweiz» lautet: Ein grosser Nutzen der Elektromobilität liegt zweifellos darin, dass sie die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verringert und den Schadstoffausstoss des Verkehrs senkt – sofern die Batterien mit Strom aus erneuerbaren bzw. CO2-armen Quellen geladen werden. Der Schweizer Energiemix mit seinem hohen Anteil an Wasserkraft bietet mithin günstige Voraussetzungen für einen nachhaltigen Betrieb von Stromautos. Werden Elektrofahrzeuge als lokale Energiespeicher verwendet, können sie gar den geplanten massiven Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen.

Individualverkehr mit ö
ffentlichen Transportmitteln verknüpfen
Insbesondere für kleine und leichte Elektrofahrzeuge könnte die Informationstechnik eine entscheidende Rolle bei der Sicherheit spielen. Die offensive Nutzung neuer Informationstechnologien könnte zudem genutzt werden, um den Individualverkehr mit öffentlichen Transportmitteln zu verknüpfen. Damit würde die Elektromobilität als Treiber für innovative Modelle des kombinierten Verkehrs dienen. Die Vorteile der Elektromobilität fallen laut Studie indes vor allem längerfristig ins Gewicht: im Jahr 2025 wird durchschnittlich zwar nur jeder zehnte Neuwagen in der Schweiz ein Elektroauto sein. Erst 2035 ist damit zu rechnen, dass jedes zweite neue Vehikel mit Strom angetrieben wird. Wenn sich – unabhängig von der Antriebsform – die jeweils effizientesten Fahrzeuge durchsetzen, wird der gesamte motorisierte Verkehr bis zum Jahr 2050 weniger als die Hälfte der heutigen CO2-Menge ausstossen.

Batterien und Elektronik schlagen auch negativ zu Buche
In der Euphorie über die schadstoffarm fahrenden Elektrofahrzeuge geht allerdings gerne vergessen, dass ihre Produktion die Umwelt sehr wohl belastet: Sowohl der Abbau der Rohstoffe als auch die Herstellung von Batterie und Elektronik schlagen in der Umweltbilanz negativ zu Buche. Die Elektromobilität trägt so dazu bei, die negativen Effekte des Schweizer Verkehrs in jene Länder zu verlagern, wo die Fahrzeuge hergestellt werden oder der Abbau der benötigten Rohstoffe stattfindet.

Gelder für die Ver
kehrsinfrastruktur dürften knapp werden
Werden Fahrzeuge mit Strom statt mit Benzin oder Diesel angetrieben, sinken zwangsläufig die staatlichen Einnahmen über die Treibstoffzölle. Dadurch stehen weniger Mittel für den Unterhalt des Strassennetzes zur Verfügung. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als auch die herkömmlichen Verbrennungsmotoren immer sparsamer werden. Mittelfristig dürften damit die Gelder für die Verkehrsinfrastruktur knapp werden. Wenn Autos zur Verfügung stehen, die kostengünstig zirkulieren und die Umwelt wenig belasten, sinkt die Motivation, auf überflüssige Fahrten zu verzichten oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Denn was billig ist und kein schlechtes Gewissen hervorruft, wird erfahrungsgemäss mehr konsumiert.

V
ersiegenden Einnahmen aus den Treibstoffzöllen kompensieren
Die Studie von TA-SWISS empfiehlt, Modelle des Mobility Pricing einzuführen, um die allmählich versiegenden Einnahmen aus den Treibstoffzöllen zu kompensieren. Die fahrleistungsabhängige Abgabe ist dabei so zu gestalten, dass sie effiziente Fahrzeuge und die kombinierte Verwendung öffentlicher und individueller Verkehrsmittel fördert. Auch bei der Zulassung neuer Personenwagen sind effiziente Fahrzeuge bevorzugt zu behandeln. Dabei soll nicht nur der Energieverbrauch in der Betriebsphase beachtet werden, sondern die Umweltbelastung während des ganzen Lebenszyklus der Fahrzeuge. Um negativen Rückkopplungseffekten vorzubeugen, ist die Mobilität gesamthaft zu verteuern, damit die umweltfreundlicheren und günstigeren Fahrzeuge nicht dazu führen, dass der Verkehr gesamthaft weiter zunimmt. Schliesslich sind Vorschriften für Design und Entsorgung zu erlassen, damit die verbauten Materialien rezykliert werden können und die Abhängigkeit von Primärrohstoffen sinkt.

D
ie bisher umfassendste Erhebung
Susanne Wegmann, Geschäftsleiterin des Verbands e’mobile, sieht in der Studie «Chancen und Risiken der Elektromobilität für die Schweiz» die bisher umfassendste Erhebung bezüglich Marktentwicklung der Elektrofahrzeuge und deren Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bereich der motorisierten individuellen Mobilität. Es handle sich hierbei um eine wertvolle Entscheidungsgrundlage für Politik und Wirtschaft, die auch bisher noch kaum diskutierte Aspekte behandle. «Zum Beispiel die Feststellung, dass die geringen Emissionen von Elektrofahrzeugen im Betrieb dazu führen, dass die relative Bedeutung der Umweltbelastung bei der Produktion und Entsorgung des Fahrzeuges zunimmt.»

Weiterer Forschungsbedarf im
Bereich der Ultraleichten
Die Studie halte aber auch fest, dass E-Fahrzeuge zur Verkehrssicherheit beitragen könnten, da sie weniger zum Rasen verführten und sie dank kleinerem Motor und neuen Möglichkeiten bei der Gestaltung der Front weniger gefährlich seien für Fussgänger. Wenig beachtet worden seien ehedem in ähnlichen Studien Aspekte wie die Rolle der Informationssysteme: die E-Mobilität als Treiber für innovative Modelle des kombinierten Verkehrs und künftige Verhalten der Autokäuferschaft unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung. «Die Studie spricht an mehreren Stellen das Thema Leichtbaufahrzeuge an und weist auf die geringe graue Energie dieser Fahrzeuge hin. Leider fliessen diese jedoch in die Szenarien-Berechnungen nicht ein. Im Bereich der ultraleichten Fahrzeuge sehen wir deshalb weiteren Forschungsbedarf.» Diese Fahrzeuge sind laut Susanne Wegmann im Nahverkehr, wo keine grossen Reichweiten verlangt werden, für den Elektroantrieb geradezu prädestiniert. Konsequenterweise sollte das Spektrum sogar bis zu den Elektro-Zweirädern ausgedehnt werden. Damit würden die Vorteile der Elektromobilität in allen Szenarien noch deutlicher sichtbar.

Elektromobilität
wird sich durchsetzen
Susanne Wegmann hielt zudem eines fest: «Die Studie kommt zum Schluss, dass sich die Elektromobilität auch ohne Technologieförderung früher oder später durchsetzen wird. Effizienzvorschriften, mit welchen die Gefahr falscher Förderung reduziert werden kann, werden dies automatisch bewirken.» Dies treffe vorab dann zu, wenn man davon ausgehe, dass sich eine Technologie ausschliesslich aufgrund des ökologischen Nutzens durchsetze. Gerade in der Mobilität seien Kaufentscheide stark emotional beeinflusst. Gegenüber Elektrofahrzeugen bestünden zum Teil noch grosse Unsicherheiten zum Beispiel hinsichtlich Zuverlässigkeit und Sicherheit. «Aus unserer Erfahrung kommt deshalb der unabhängigen, technologieneutralen Information und Beratung eine grosse Bedeutung zu. Dies sehen wir als ergänzende und schnell umsetzbare Fördermassnahme zu den in der Studie erwähnten Massnahmen», sagte die Geschäftsleiterin des Verbands e’mobile.

Elektromobilit
ät hat auch im Carsharing-Betrieb Zukunft 
Dass die Mobility Genossenschaft ihren Kunden längst Möglichkeiten bietet, mit kombinierter Elektromobilität ausgesprochen clever unterwegs zu sein, wurde den Medienvertretern von Geschäftsleitungsmitglied Adamo Bonorva erklärt: «Mobility sieht die Mobilitätszukunft in effizienten, sparsamen Kraftstoff- und Elektro-Fahrzeugen, die im Zusammenspiel mit anderen Transportmitteln wie Zug, Bus oder Velo benutzt werden.» Carsharing bewirke bei den Nutzern eine Verhaltensänderung: Autofahren wird zum bewussten Akt. Man überlegt sich im Vorfeld, wie und für welchen Zeitraum man ein Auto reserviert und bezahlt im Gegenzug nur genau diese eine Fahrt. «Das führt dazu, dass Carsharer die Autos sehr gezielt und unter dem Strich weniger häufig einsetzen.» Elektromobilität habe im Carsharing-Betrieb durchaus Zukunft – wenn sie massentauglich werde, also die Reichweite stimme, die Schnell-Ladeinfrastruktur vorhanden und der Anschaffungspreis attraktiv sei.

Die Studie «Chancen und Risiken der Elektromobilität in der Schweiz» erscheint Ende Januar im vdf Hochschulverlag der ETH Zürich (ISBN 978-3-7281-3487-5). Sie ist auch digital und kostenlos als e-Book verfügbar.

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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