Solarkrise: Maschinenbauer erobern den Speichermarkt

(©SR) Die Equipmentanbieter umschiffen die Solarkrise, indem sie auch Fertigungsanlagen für die Batteriehersteller anbieten. Das Akkugeschäft könnte sehr lukrativ werden: Die Industrie baut für die Elektromobiltät sowie für die Energiewende in Deutschland derzeit grosse Produktionskapazitäten für Batterien auf.


Die süddeutsche Firma Manz zählt zu Deutschlands grössten und erfolgreichsten Photovoltaikzulieferern. Ihre Systeme kommen bei nahezu allen grossen Herstellern weltweit in der Zellenproduktion zum Einsatz. Jetzt will Manz auch bei den Energiespeichern durchstarten.

„Für uns wird das Thema immer wichtiger. Wir forschen daher intensiv an Lithium-Ionen-Batterien“, sagt Firmensprecher Axel Bartmann. Dass die Schwaben neben der Photovoltaik nun auch auf Hochleistungsspeicher setzen, hat einen guten Grund: Experten zufolge wird der Bedarf an Speichern schon in naher Zukunft stark steigen. Sie sind nötig für Fahrzeuge mit Hybrid- und vollelektrischem Antrieb. Und sie sorgen dafür, dass schwankender Sonnen- und Windstrom kalkulierbar bleibt und damit wettbewerbsfähig wird. Ohne dieses Lastmanagement liesse sich eine Versorgung auf Basis erneuerbarer Energien nur schwer realisieren.


„Wir glauben, dass wir mit unserem Know-How aus anderen Bereichen wie der Photovoltaik auch im Zukunftsfeld der Hochleistungsspeicher punkten können“, sagt Bartmann. Andere Zulieferer wollen Manz' Beispiel folgen. Führende Unternehmen aus der Automatisierungsindustrie wie ABB, Bosch Rexroth, Kuka oder Reis Robotics positionieren sich ebenfalls in diesem Segment. „Batterien liegen klar im Trend“, erklärt Eric Maiser, Geschäftsführer der Plattform Photovoltaik-Produktionsmittel und Leiter des Industriekreises Batterieproduktion im Maschinenbauverband VDMA.

Studie „Zukunftsfeld Elektromobilität“

Das grosse Wachstumspotenzial des Speichermarkts bestätigt auch die Studie „Zukunftsfeld Elektromobilität – Chancen und Herausforderungen für den Maschinenbau“ von VDMA und der Beratungsfirma Roland Berger. Danach werden im Jahr 2020 rund 40 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge einen elektrischen Antrieb haben. Durch neue Fabriken für Batterien soll ein stattliches neues Geschäftspotential für neue Maschinen entstehen – die Verfasser der Studie stellen für das Jahr 2020 ein Volumen von 4,8 Millionen Euro in Aussicht.

Mehr Automation gefragt

„Jenseits der Elektromobilität gibt es sicher nochmals einen ähnlich hohen Maschinenbedarf für die Fertigung stationärer Speicher bei erneuerbaren Energien“, schätzt Maiser. Bei der Produktion von Consumer-Batterien hätten die Amerikaner und Asiaten eine Vormachtstellung, bei den Hochleistungsakkus hingegen böte sich Neueinsteigern ein nahezu unbestelltes Feld, so Maiser.

Leclanché

Dieses Feld wollen die ersten Europäer nun bestellen. Die Schweizer Firma Leclanché zum Beispiel startet diesen Juli im badischen Willstätt die Massenproduktion für Lithium-Titanat-Akkus zur Zwischenspeicherung von Solar- und Windenergie. In dem neuen, 20 Millionen Euro teuren Werk sollen pro Jahr eine Million Zellen mit einer Gesamtkapazität 76 Megawattstunden hergestellt werden. Das entspricht etwa 18000 Solarspeichern für Eigenheime oder 150 industriellen Grossspeichern für Windstrom. Auch andere Batteriespezialisten wie Hoppecke, Saft und Varta wollen ihre Kapazitäten für die Regenerativenergien zügig ausbauen.

„Die Nachfrage nach Lösungen zur Zwischenspeicherung für Solar- und Windstrom bis zur Netzstabilisierung und der Pufferung von Spitzenlaststrom steigt rasant“, sagt Leclanché-Chef Ulrich Ehmes. „Dieser Markt wird für uns hochinteressant.“ Thilo Brodtmann, Geschäftsführer des VDMA-Fachbereichs Robotik + Automation, sieht aber grosse technische Herausforderungen auf die Batteriehersteller zukommen. „Besonders bei der Automatisierung gibt es noch viel Nachholbedarf für Batteriefabriken weltweit. Wir brauchen jetzt Innovation in der Produktion, um die Kosten zu senken.“

Viel Manufaktur

Bisher werden für tragbare Elektronik wie Handys oder Laptops nur kleine Akkus gefertigt, doch sind für Hochleistungsanwendungen wie die Energiespeicherung Grossbatterien nötig. Dafür müssen die einzelnen Prozessschritte, vom Walzen der Metallfolien über das Mischen und Beschichten der Chemie bis hin zur Formierung der Zellen, erst noch modifiziert werden. Zudem fehlt es bei den Prozessen noch an Schnelligkeit. „Wir sehen noch viel Manufaktur. Ziel muss auch bei den Grossbatterien eine Fertigung im Rolle-zu-Rolle-Verfahren sein“, sagt Maiser. Das ist die Chance für Automatisierungsspezialisten.

Schliesslich bietet auch das Qualitätsmanagement noch Luft für Innovationen. Moderne Messtechnik kann Fehler und Schäden schon während der Herstellung erkennen, doch ist sie bisher kein Standard. Dabei bieten Firmen wie die hessische Isra Vision bereits optische Verfahren an, die jeden einzelnen Fertigungprozess genau abbilden. Kameras erkennen, wenn Beschichtungen Defekte und Unebenheiten aufweisen oder winzige Löcher, sogenannte Pinholes, die Separatoren der Batterien beschädigen. „Mit unserer Technik lassen sich in der Produktion Nullfehlertoleranzen erreichen“, verspricht Isra-Manager Martin Lehmköster.

Doch nicht nur die Batterieindustrie könnte dem Maschinenbau in den kommenden Jahren Aufträge bescheren, sondern auch Hersteller alternativer Speicherlösungen wie Power-to-Gas-Anlagen. Herzstücke dieser Anlagen sind Elektrolyseure und Methanisierungsreaktoren, die bei steigendem Speicherbedarf von der Test- in die Serieproduktion überführt werden müssen – auch hierbei wären Automatisierungsspezialisten gefragt.

Power-to-Gas schreitet voran

In Stuttgart wird derzeit die weltweit erste Anlage gebaut, in der mit Strom im grossen Massstab speicherbares Methangas erzeugt wird. Realisiert wird das Projekt von der Firma Solarfuel und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Mit 250 Kilowatt Leistung soll die Anlage ab diesem Sommer 300 Kubimeter Methan pro Tag produzieren. Das Gas soll in das vorhandene Erdgasnetz eingespeist werden, das Heizungen, Kraftwerke und Tankstellen versorgt.

Power-to-Gas-Anlagen könnten zu einem wichtigen Eckpfeiler der künftigen Energieversorgung werden. Immer dann, wenn zum Beispiel Solarparks zu viel Elektrizität produzieren, wird diese in Elektrolyseure umgeleitet. Dort spaltet der Strom Wasser in Sauerstoff- und Wasserstoffgas. In einem zweiten Schritt wird der Wasserstoff in speziellen Reaktoren mit Kohlendioxid zusammengeführt, sodass daraus Methan entsteht, der Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas. Geplant sei, so Solarfuel-Ingenieur Stefan Rieke, die Anlagen in zwei bis drei Jahren als kleine Einheiten mit zehn bis 20 Megawatt (MW) Leistung auf den Markt zu bringen. „So können sie dezentral direkt an Solar- und Windstandorten eingesetzt werden“, sagt Rieke.

Allerdings wird sich die Technik erst mit steigenden Stückzahlen in einigen Jahren wirtschaftlich betreiben lassen. Augenscheinlich ist ausserdem das Problem mit der Effizienz, denn über die Schritte des Power-to-Gas-Verfahrens addieren sich die Einbussen. Wenn der Ökostrom über das Gas gespeichert und rückverstromt wird, gehen insgesamt zwei Drittel der Energie verloren.

Forscher und Ingenieure treiben die Entwicklung der Power-to-Gas-Technik daher mit grossem Einsatz voran. Schon im kommenden Jahr wollen Solarfuel und ZSW für Autobauer Audi eine Anlage mit sechs MW Leistung bauen. Sie soll so konstruiert werden, dass sie an einer Biogasanlage betrieben werden kann. Diese liefert den Strom sowie das zur Methanisierung nötige Kohlendioxid.

©Text: Sascha Rentzing

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Partner

  • Agentur Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ist Ihr Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Energieeffizienz tätig? Dann senden sie ein e-Mail an info@ee-news.ch mit Name, Adresse, Tätigkeitsfeld und Mail, dann nehmen wir Sie gerne ins Firmenverzeichnis auf.

Top

Gelesen
|
Kommentiert