Bene Müller (Singen D) plädiert dafür, dass ausschliesslich mit Energien gearbeitet wird, die in der betreffenden Region verfügbar sind. Bild: Toni Rütti

Deutschland: Energiewende am Beispiel Bodenseeregion

(©TR) Deutschlands Energiepolitik gilt als zukunftsträchtig und erfolgversprechend. So jedenfalls lautete der Tenoranlässlich eines Vortragsabend der «Agenda21 Wohlen» in Hinterkappelen: BeneMüller aus Singen/Deutschland referierte zur Thematik «Regionale Energiewende konkret und erfolgreich».


Wenn das nicht ein ehrgeizig Ziel Deutschlands ist: Im Zuge der regionale Energiewende sollten sich bis 2030 so genannte Bioenergiedörfer vollständig mit eigenem Strom und eigener Wärme versorgen, und zwar vollumfänglich aus erneuerbarer Energie. Das im Jahre 2000 in Kraft getretene «Erneuerbare Energien Gesetz» (EEG) hat in Deutschland zweifellos die Energiewende hin zu 100 Prozent erneuerbare Energie angeschoben. Es sollen dadurch bislang 380‘000 neue Arbeitsplätze entstanden sein. Das EEG soll bereits einen enormen Zuwachs an erneuerbarer Energie – Sonne, Wind, Wasser, Biomasse – ausgelöst haben und es ist offenbar derart wirksam, dass auch die grossen Energiekonzerne reagiert und bei der Bundesregierung intervenierten. Über 50 Länder hätten das EEG im Prinzip oder zumindest ansatzweise übernommen, darunter auch die Schweiz. Mit solchen Fakts stimmte Fritz Wassmann von der «Agenda21 Wohlen» aufs Hauptreferat eines Informationsabends ein. Da fehlte auch sein Hinweis nicht, dass hierzulande über 15‘000 KEV-Projekte auf der Warteliste stünden und es zu befürchten sei, dass sich diese Situation von heute auf morgen kaum grundlegend verändern werde.

Über Energiefragen schlecht informiert…
Für die Organisatoren des Anlasses im bernischen Hinterkappelen steht zudem fest, dass die Medien kaum jemals über die positiven Errungenschaften unseres nördlichen Nachbarn berichteten. Oder allenfalls werde nur Negatives verbreitet. Generell würden wir in der Schweiz bezüglich Energiefragen schlecht und vielfach nur einseitig informiert. Um etwas Gegensteuer zu geben, habe die «Agenda21 Wohlen» zusammen mit der Energiestadt Wohlen, der Reformierten Kirchgemeinde und einer ganzen Anzahl weiterer Körperschaften den deutschen Referenten Bene Müller eingeladen. Der Mitbegründer und CEO der Bürgerfirma solarcomplex AG (Singen am Hohentwiel) stellte sodann die deutsche Energiewende aus eigener, vor allem regionaler Sicht und Erfahrung dar.


Bodenseeregion wird zur Bioenergie-Region
Zu den Siegern des Wettbewerbs «Bioenergie-Regionen» des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) gehört auch die Bodenseeregion. Die Firma solarcomplex AG will bis 2030 den Umbau der Energieversorgung in der Bodenseeregion weitgehend auf erneuerbare Energien organisieren. Dieses Ziel ist laut Vorstandsmitglied Bene Müller «ehrgeizig, aber machbar». Dazu müssen alle regenerativen Energie-Potentiale der Region genutzt werden. Es müsse gelingen, den Strom- und Wärmebedarf jeweils etwa auf die Hälfte zu reduzieren.

Vorteile für Umwelt und Wirtschaft

"Energien, ist eine unausweichliche Aufgabe, welche die moderne Zivilisation leisten muss oder an der sie scheitern wird." Eine Energiezukunft ohne höhere Anteile erneuerbarer Energien ist für Bene Müller und sein regional agierendes Unternehmen nicht vorstellbar. Das Ziel von solarcomplex ist erklärtermassen, die regionale Energiewende in der Bodenseeregion. Das Investitionsvolumen aller solarcomplex-Projekte in der Bodenseeregion beläuft sich seit 2000 bisher auf über 90 Millionen Euro (Stand Ende 2011). Die Firma solarcomplex AG plant, baut und betreibt Anlagen zur Strom- und Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien und bieten die Kapitalbeteiligung an diesen Anlagen als ökologische Geldanlage an. Angestrebt wird die Energiebereitstellung in einem regionalen Kreislauf. Dies bietet laut Bene Müller handfeste Vorteile für Umwelt und regionale Wirtschaft:

  • Im Gegensatz zu fossilen Energien bleiben die Energiekosten in der Region.
  • Durch den Bau zahlreicher Anlagen entstehen Umsatz und Arbeitsplätze in der Region.
  • Als Mitbesitzer des regionalen Energiesystems sind die Menschen und Firmen an der Wertschöpfung aus Energie beteiligt.

Einkommensalternativen aufbauen
Von einer Energiewende sollen regional alle profitieren: Die Energiekosten bleiben als Kaufkraft vor Ort, weil heimische erneuerbare Energien aus der Region kommen und weil viele zu Energielieferanten oder Eigentümer von Energieerzeugungsanlagen werden. Gewinner ist vor allem das regionale Handwerk, für das die mit der Energiewende verbundenen Investitionen ein gewaltiges Wirtschaftsförderprogramm darstellen. Gewinner sind laut solarcomplex AG auch die Land- und Forstwirte, welche gespeicherte Solarenergie in Form von Biomasse bereit stellen und damit neue Einkommensalternativen aufbauen. Selbstverständlich gehen auch die Aktionäre eines so genannten Bürgerunternehmen nicht leer aus, weil sie Minhaber der zukünftigen regenerativen Energiestruktur sind. «Von einer Eindämmung der Gefahren des Klimawandels profitieren letztlich alle Menschen weltweit, auch die in der Bodenseeregion und in der Schweiz», zitieren wir Bene Müller. Vor dem Hintergrund der bereits einsetzenden Klimaveränderungen, der absehbaren Erschöpfung der fossilen Brennstoffe und der nicht akzeptablen Gefahren der Atomenergie werde sich in einer konsequenten Betrachtung jede Region mittelfristig ausschliesslich aus erneuerbaren Energien versorgen müssen.

E
ntsprechende Rahmenbedingungen
Das Prinzip der Verantwortung besagt laut solarcomplex AG, dass Aufgaben, die alle angehen, auch von allen gemeinsam bearbeitet werden sollen. Da alle Menschen – wenn gleich in unterschiedlichem Masse – Energie benötigten und nutzten, richte sich die Frage einer umwelt- und ressourcenschonenden Energiebereitstellung an jeden – auch an die Politik, die entsprechende Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen müsse. Die Strategie zum Ausbau erneuerbarer Energien könne und müsse begleitet werden von einer deutlichen Verbesserung der Energieeffizienz und einer Energieeinsparung etwa um die Hälfte. Nicht zu vergessen, Massnahmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung, um dem Umdenken Nachdruck zu verleihen, wo dies nicht schon geschehen ist: Wurde anfänglich alternative Energielösungen ausschliesslich mit ökologisch vorteilhaften Eigenschaften angepriesen, so sind es heute die wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus erneuerbarer Energie ergeben.

Die Formel «
eE = rW2»
Unter «Regionalversorger für erneuerbare Energien» versteht die solarcomplex AG jedes Unternehmen, das sich im breiten Streubesitz von Menschen und Firmen befindet. Dies allein soll schon fast automatisch gewährleisten, dass die Energie-Kosten als Energie-Einnahmen in der Region bleiben und damit regionale Wertschöpfung entsteht. Die Formel dazu: «eE = rW2», also: «erneuerbare Energien bedeuten im Endeffekt regionale Wertschöpfung im Quadrat.» Da erneuerbare Energien in einem regional unterschiedlichen Mix an jedem Ort der Erde verfügbar sind, liegt die Zukunft laut solarcomplex-Vorstand Müller «im Aufbau dezentraler Versorgungsstrukturen». Vorhandene Netze sollen dabei, wo möglich und sinnvoll, genutzt werden. Neue Netze, insbesondere Nahwärmenetze, müssten zum effizienten Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung neu aufgebaut werden. Als regenerativer Regionalversorger organisiert die solarcomplex AG lokal und regional die Strom- und Wärmebereitstellung durch heimische erneuerbare Energien.

Infos zur solarcomplex AG >>

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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