Wie Alexander Gschwind, Korrespondent von Radio DRS, in der Sendung Rendez-vous berichtet, war es für manchen Bürger wie ein Geschenk des Himmels, als die spanische Regierungssprecherin Ende Dezember einen lang ersehnten Entscheid verkündete: Das nationale Zwischenlager für nukleare Abfälle werde in Villar de Canas errichtet.
Lotto-Hauptgewinn
Als einziger von acht möglichen Standorten hatte sich dieses Dorf freiwillig als Atommüll-Zwischenlager gemeldet. Die andern sieben zur Diskussion stehenden Gemeinden hatten von einer Bewerbung nie etwas wissen wollen. Im Gegenteil. Also wurde die Neuigkeit aus Madrid von der Bevölkerung von Villar de Canas wie der Lotto-Hauptgewinn aufgenommen. «Wir haben in erster Linie die Arbeitsplätze und den Fortschritt vor Augen», verkündete der Bürgermeister José María Saiz Lozano. «Es muss jetzt endlich aufwärts gehen mit unserem Dorf», so der Bürgermeister des 470-Seelendorfes (inklusive 250 Rentner).
Qualifizierte Arbeitskräfte
Wie sieht es heute aus? Von der anfänglichen Aufbruchstimmung, ja sogar Euphorie, ist laut Alexander Gschwind so gut wie nichts mehr spürbar; die Dorfmitte mit ihren prächtigen Kastanienbäumen ist trotz Frühlingssonne menschenleer. Die jüngeren Leute ziehen frühmorgens nach irgendwohin zur Arbeit, falls sie denn überhaupt welche haben. Wie kam es zum Stimmungswandel? Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass die in Aussicht stehenden 1‘000 Jobs vorab für Leute sind, die hohe Qualifikationen vorweisen können. Solche Leute sucht man hier allerdings vergeblich. Und die 750‘000 Millionen Euro werden aller Voraussicht nach hauptsächlich in andere Kassen fliessen, jedenfalls wird nur ein geringer Teil davon zum Wohlstand dieses Dorfes beisteuern.
Es herrscht Desinformation
Die vom DRS-Korrespondenten im Dorfladen eingefangenen Stimmen von Frauen verdeutlichen die allgemeine Ernüchterung: Aufkommende Bedenken und eine sich breit machende Verunsicherung herrscht vor. Kritisiert werden vermehrt auch die generelle Desinformation und eine unzulängliche Aufklärung. Zuversichtlicher scheinen momentan noch ein paar Männer zu sein. Gerade ältere Semester haben offenbar den Glauben an einen Aufschwung, an neue Arbeitsplätze für die jungen Leute und eine Zukunft fürs Dorf noch nicht ganz verloren. Im vergangenen Jahr soll es in Villar de Canas gerade mal zwei Geburten sowie 20 Todesfälle gegeben haben. Dass das Atommüll-Zwischenlager dem Dorf neues Leben einzuhauchen vermag, wird von Tag zu Tag stärker verneint – eher das Gegenteil könnte eintreffen, glauben die Pessimisten.
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©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch
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