So könnte eine Solarstromstrasse gemäss den Firmengründern einmal aussehen. ©Bild: Solar Roadways, ©Grafik: Sam Cornett

Der Prototyp eines Parkplatzes von Solar Roadways. ©Bild: Solar Roadways

Solar Roadways: Strassen als Stromspender

(©SR) Ein US-Start-up will Highways und Parkplätze mit Solarzellen pflastern. Investoren sind begeistert. Die erste mit den blau-grün schimmernden Hexagonen gepflasterte Fläche existiert bereits. In den etwa zehn Zentimeter dicken Modulen sind neben den Solarzellen auch LED-Leuchten, Heizelemente, Sensoren und Mikroprozessoren untergebracht. Wissenschaftler sind jedoch eher skeptisch.


Für Scott Brusaw könnte ein Kindheitstraum in Erfüllung gehen. Als kleiner Junge liebte er Carrera-Autos, die mit Strom aus der Fahrbahn um die Wette flitzen. „Ich dachte schon damals daran, einmal richtige elektrische Strassen zu bauen“, sagt Brusaw. Heute ist er seinem Ziel näher als je zuvor: Der Ingenieur aus Sandpoint im US-Bundesstaat Idaho will die Highways der Vereinigten Staaten mit selbst entwickelten Solarmodulen pflastern und so in ein gigantisches Solarkraftwerk verwandeln.

2.2 Millionen Dollar über Crowdfunding
„Solar Roadways“ heisst das Konzept, das in den USA derzeit für Furore sorgt. Um Geld für die kommerzielle Produktion des Hightech-Strassenbelags zu sammeln, startete Brusaw im April einen Aufruf auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo. Innerhalb von nur zwei Monaten konnte er von mehr als 40‘000 Privatinvestoren 2.2 Millionen Dollar einsammeln. Das ist doppelt so viel wie ursprünglich angestrebt. Solar Roadways ist damit die bisher erfolgreichste Kampagne auf Indiegogo.

Auch die Politik ist von dem Konzept überzeugt. Das US-Verkehrsministerium finanzierte die Entwicklung der etwa einen halben Meter grossen Modulprototypen mit insgesamt fast einer Millionen Dollar. „Wir können alle von dieser öffentlich-privaten Partnerschaft profitieren, denn sie schafft Arbeitsplätze und verringert unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen“, sagt US-Senator Mike Crapo aus Idaho.

Prototyp
Die erste mit den blau-grün schimmernden Hexagonen gepflasterte Fläche existiert bereits. Zur Demonstration hat Brusaw damit einen kleinen Parkplatz neben seiner Manufaktur in Idaho belegt. Ein Video auf der Internetseite von Solar Roadways zeigt, dass der Glasbelag selbst einen 1.3 Tonnen schweren Radlader trägt. „Wir nutzen eine Art Panzerglas, das alle Belastungstests mit Bravour bestanden hat“, versichert der Ingenieur.

Dreifacher Strombedarf der USA
Die eigentliche Hochtechnologie befindet sich jedoch unter dem Glaspanzer: In den etwa zehn Zentimeter dicken Modulen sind neben den Solarzellen auch LED-Leuchten, Heizelemente, Sensoren und Mikroprozessoren untergebracht. Ihr Zusammenspiel verspricht einen beispiellosen Fortschritt in der langen Geschichte des Strassenbaus: Würde man alle Strassen und Parkplätze in den USA mit den Hexagonen ausstatten, könnten die Zellen den dreifachen Strombedarf des Landes decken, rechnet Brusaw vor. Ampeln und Laternen würden ihren Strom aus der Fahrbahn ziehen, jede Parkbucht wäre eine potenzielle Tankstelle, Fahrzeuge liessen sich künftig sogar während der Fahrt per Induktion mit Strom versorgen. „Kein Fahrzeug müsste mehr Schadstoffe ausstossen.“

LEDs für Verkehrssicherheit
Die eingebauten LEDs hätten wiederum die Aufgabe, den Verkehr sicherer zu machen. Sie sollen zusätzlich die Strassen beleuchten und quasi per Befehl aus der Verkehrsleitstelle Warnhinweise oder Tempolimits auf der Fahrbahn einblenden. Das könnte etwa notwendig werden, wenn die berührungssensitive Glasoberfläche Hindernisse wie entwurzelte Bäume oder Gesteinsbrocken registriert oder Tiere die Strasse überqueren. Ihre Position würde in Echtzeit an die Leitstelle übermittelt, die Autofahrer sofort mit entsprechenden Hinweisen warnen könnte. „Es gäbe deutlich weniger Unfälle“, so Brusaw.

Keine Überlandleitungen mehr
Um Kabelwirrwarr zu vermeiden, sollen sämtliche Strom- und Kommunikationsleitungen in begehbaren Schächten neben den Solar Roadways geführt werden. Da sie sich nur abschnittsweise durch verriegelbare Bodenklappen betreten liessen, seien die Leitungssysteme vor willkürlicher Zerstörung und Sabotage geschützt. „Die hässlichen Überlandleitungen, die heute vielerorts das Landschaftsbild prägen, bräuchte dann keiner mehr“, verspricht der Entwickler. Im Winter soll die Glasoberfläche zudem mit beheizbaren Elementen auf frostfreie Temperatur erwärmt werden – Eis- und Schneefahrbahnen, die vor allem im Norden der USA vorkommen, wären damit passé.

Module mit Noppen
Damit Fahrzeuge beim Bremsen auf nasser Fahrbahn nicht ins Rutschen gerieten, weise die Oberfläche der Module noppenartige Erhebungen auf. „Durch diese Strukturen gewährleistet unsere Glasoberfläche den gleichen Grip wie Asphalt“, erklärt Brusaw. Gleichzeitig könne so Regenwasser besser abfliessen und die Gefahr von Aquaplaning sinke. Um hartnäckigen Schmutz von der Fahrbahn zu entfernen, sehen die Pläne den Einsatz von Kehrmaschinen vor, die regelmässig über die Highways patrouillieren. Diese Trupps könnten auch Wartungsarbeiten wie den Austausch defekter Hexagone übernehmen. „Stattdessen könnte komplett auf Winterräumdienste verzichtet werden“, so Brusaw.

20 Billionen Dolar alleine für gehärtetes Glas
So vielversprechend das Konzept auch klingt, so schwierig dürfte es jedoch auch umzusetzen sein. Das grösste Problem sind die hohen Kosten. Brusaw selbst hat noch keine Kalkulation vorgelegt, Kritiker rechnen jedoch mit einem immensen Investitionsbedarf. Allein die Glaspreise würden den Rahmen sprengen, argumentieren sie im Internet. Ihre Rechnung: Ein Quadratmeter gehärtetes Glas, wie es Solar Roadways verwendet, kostet derzeit rund 300 Dollar. Das Strassennetz der USA umfasst insgesamt 75 Millionen Quadratmeter. Würde es komplett mit Hexagonen gepflastert, würde das Temperglas also mit rund 20 Billionen Dollar zu Buche schlagen, dem Zehnfachen des diesjährigen US-amerikanischen Bundesetats.

Harte Belastung für Module
Zudem drohen technische Probleme: Tonnenschwere Trucks donnern bei hohen Geschwindigkeiten über die Highways und Unwetter zehren an den Hightech-Modulen. Könnten Solarstrassen diesen Belastungen dauerhaft standhalten? Ihre modulare Struktur stellt eine Schwachstelle dar: Halten ihre Fugen nicht dicht, könnte eindringendes Wasser Kurzschlüsse und Stromausfälle verursachen. Offen ist ebenfalls, wie die Infrastruktur elektrisch versorgt werden soll, wenn Reifenabrieb und verschmutzte Strassen die Stromproduktion behindern oder die Sonne nicht scheint. Wenn Solar Roadways als energieautarkes System angelegt werden soll, wären Speicher nötig, die überschüssigen Solarstrom aufnehmen und bei Bedarf bereitstellen. Sie tauchen in Brusaws Überlegungen aber bisher nicht auf.

Einfacher nutzbare Flächen verfügbar
Martin Niklas, Geschäftsführer des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien, hat deshalb Zweifel, dass das Konzept wie geplant umgesetzt wird. „Den gewaltigen Belastungen und entsprechenden Anforderungen an Photovoltaik-Materialien als Strassenbelag stehen insbesondere in den USA grosse verfügbare Flächen für herkömmliche Photovoltaik-Nutzungen gegenüber, sodass eine wirtschaftliche Nutzung in den nächsten 20 Jahren sehr unwahrscheinlich scheint.“

Unterstützung der Behörden
US-Tüftler Brusaw sieht sein Solar Roadways-Projekt schon weiter. Die grosse Unterstützung der Behörden und der Crowd lassen ihn fest an den baldigen Durchbruch seiner Hexagone glauben. Schon Ende dieses Jahres soll die Technik marktreif sein. Und auch das erste kommerzielle Projekt sei schon fix: In seinem Heimatort in Idaho werde er einen Besucherparkplatz mit dem neuen Strassenbelag pflastern.

©Text: Sascha Rentzing

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1 Kommentare

Luk

Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage der Ökologie. Ist es tatsächlich sinnvoll quasi unzerstöhrbari Solarmodule zu bauen, mit eigener Elektronik, usw., die gleichzetig als Strasse fungieren. Oder wäre es besser Strassen zu bauen und dazu Solarzellen aufzustellen. Der Erntefaktor sollte, um es ökologisch nennen zu dürfen, besser sein als bei der herkömmlichen Technik....

Ausserdem ist es nicht gerade clever Strom zum Heizen von Strasse zu verwenden, ausgerechnet im Winter wenn die Sonne sowieso schon am schwächsten ist. Gar nicht davon zu reden das die Ausrichtung der Solarzellen ungeeignet ist für ein ausgeglichenes Angebot...

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