Die WSL hat untersucht, wie viel Energie in Holz (untere Reihe) und anderen Formen von Biomasse (obere Reihe) steckt. Die dunkelorangen Flächen zeigen das zusätzliche, bisher also nicht genutzte Potenzial. Grafik: WSL/SCCER BIOSWEET

Die ZHAW Wädenswil untersucht ein Hydrolyse-Verfahren zur Vorbehandlung von Rindergülle. Die Grafik illustriert den erwarteten Mehrertrag (orange) für verschiedene Substrate. Grafik: ZHAW/WSL/BIOSWEET – erste Ergebnisse

Die Fachhochschule Südschweiz hat die zweiphasige anaerobe Vergärung von biologischen Industrieabfällen für die Herstellung von Biogas untersucht. Ein Inkubator (Bild) hält die Reaktoren auf einer konstanten Temperatur von 36 °C. Foto: SUPSI

Mit dieser Aufbereitungsanlage in der ARA Reinach (AG) wird das Klärgas gereinigt, bevor es als Biomethan ins regionale 5 bar-Erdgasnetz eingespeist wird. Grafik: IBAarau Wärme AG

Mit dieser Anlage am Standort der Kompostier- und Vergäranlage Allmig bei Baar (ZG) wollen Forscher der ZHAW in Wädenswil faserreiche Biomasse vorbehandeln, um den Biogas-Ertrag zu steigern. Foto: ZHAW Wädenswil

Eine Boxenvergärungsanlage des deutschen Anbieters Bekon GmbH. Foto: Bekon

Anlieferung kommunaler Bioabfälle in der Kompogas Wauwil AG. Foto: Axpo Kompogas AG

Bioenergieforschung: Ungenutzte Gülle- und Holzpotenziale

(©BV) Die grössten Energiepotenziale aus Biomasse liegen bei Hofdünger und Waldholz. Das zeigt eine neue Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf. Es wird intensiv geforscht, um die Ausbeute aus biogenen Energieträgern weiter zu verbessern. Das Optimierungspotenzial ist beträchtlich.


Die Wasserkraft ist in der Schweiz noch mit Abstand die wichtigste erneuerbare Energiequelle, weit bedeutender als die Nutzung von Solar- und Windenergie oder von Umweltwärme. Immerhin knapp 30% der erneuerbaren Energie in der Schweiz – bezogen auf den Endenergieverbrauch – kommt aus der Biomasse. Das ist vergleichsweise wenig, wenn man es vor dem Hintergrund der weltweiten Energiestatistik betrachtet. Im globalen Massstab stammt die erneuerbare Energie nämlich zu rund drei Viertel aus Biomasse. Wasserkraft, Sonnenenergie und Windkraft sind im weltweiten Massstab eher Randphänomene, auch wenn sie stark am Wachsen sind. Holz ist global gesehen noch immer ein dominierender Energieträger, besonders natürlich in Weltregionen, in denen am Holzherd gekocht und mit Scheiten der Ofen warm gehalten wird.

Ungenutzte Energie aus Hofdünger
In einer hochentwickelten Zivilisation hat Holz nicht mehr diesen hohen Stellenwert. Trotzdem steckt in Holz und anderen biogenen Energieträgern wie Kehricht, Grüngut, organischen Abfällen, Klärschlamm und Hofdünger (Gülle, Mist) eine erhebliche Energiereserve. Wie gross dieses Potenzial ist, hat die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in einer neuen Studie abgeschätzt (WSL-Berichte, Heft 57, 2017). Die Untersuchung war im Rahmen des Forschungsverbunds 'Biomass for Swiss Energy Future' (Biosweet) erarbeitet worden. BIOSWEET ist eines von acht Schweizer Kompetenzzentren für Energieforschung (Sccer).

Gemäss Studie stecken in Schweizer Biomasse 97 PJ (Petajoule) Primärenergie, die nachhaltig genutzt werden könnten; 53 PJ werden bisher schon genutzt, das zusätzlich nutzbare Potenzial beträgt 44 PJ. Zum Vergleich: der Primärenergieverbrauch der Schweiz liegt bei rund 1100 PJ. Das grösste Potenzial weisen Hofdünger und Waldholz auf (vgl. Grafik 01). Während Waldholz bereits heute zu einem erheblichen Teil energetisch genutzt wird, ist die entsprechende Verwertung von Hofdünger bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Bestehende Substrate besser nutzen
Soll die Biomasse in der Schweiz energetisch verstärkt genutzt werden, wie es die im Mai von den Stimmbürgern angenommene Energiestrategie 2050 verlangt, sind verschiedene Akteure gefragt, unter ihnen auch die Wissenschaftler. Denn innovative Technologien können in Zukunft dabei helfen, das, was an Energie in Gülle, Holz und weiteren biogenen Energieträgern steckt, in nutzbare Energie umzuformen. Dieser Fragestellung widmete sich im Mai 2017 in Ittigen die Tagung 'Bioenergieforschung in der Schweiz', organisiert von der Sektion Energieforschung des Bundesamts für Energie (BFE). Gut ein Dutzend Referentinnen und Referenten erörterten, wie sich brach liegende Potenziale erschliessen und wegweisende Innovationen umsetzen lassen. Ein grosser Teil der Projekte wurde bzw. wird vom BFE unterstützt.

Bessere Verwertung insbesondere von Rindergülle
Eine Reihe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern berichtete über Forschungsprojekte, deren Zielsetzung in einer besseren Verwertung der bisher schon genutzten Substrate besteht. Im Vordergrund stand Rindergülle. Sie enthält viel Energie, diese kann aber heute nicht mit den bestehenden Verwertungspfaden genutzt werden, da die Bestandteile der Lignocellulose nicht aufgeschlossen werden können. Zusätzliche mikrobiologische Behandlungen neben der eigentlichen Vergärung sind ein Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Ein Team um Prof. Michael Studer (Berner Fachhochschule) will dafür direkt im anaeroben Fermenter aerobe Mikroorganismen, welche im Biofilm auf einer Membran wachsen, nutzen, um die polymeren Substanzen in kleinere, wasserlösliche Moleküle zu spalten. Die Forscher um Prof. Urs Baier (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil) setzen dagegen bei der Vorbehandlung von Rindergülle und insbesondere bei faserhaltigen Substraten wie Rindermist und kommunalem Grüngut auf ein Hydrolyse-Verfahren. Beide Verfahren bestehen aus zwei Prozessschritten, wobei der erste mit Sauerstoffzugabe (aerob), und der zweite ohne Sauerstoffzugabe (anaerob) arbeitet. „Wir hoffen, mit unserem Verfahren den Ertrag an Biomethan bei der Vergärung von Rindergülle um mehr als 20% steigern zu können“, sagt Baier. Eine entsprechende Container-Pilotanlage am Standort Kompostier- und Vergäranlage Allmig bei Baar (ZG) soll Mitte 2017 in Betrieb gehen.

Neue Substrate erschliessen
Während Hofdünger für die Herstellung von Biogas heute schon routinemässig genutzt wird, gilt das bei biologischen Industrieabfällen erst teilweise. „Im Tessin werden industrielle Abwässer noch oft als Abfall betrachtet, dabei sind sie wertvolle Energieträger“, sagt Roger König von der Fachhochschule Südschweiz (Supsi). König untersucht in einem Projekt, ob Molke (Nebenprodukt der Käseherstellung), Fermentationsabwässer (Nebenprodukt der Antibiotika-Herstellung) sowie Nebenprodukte aus der Fischölherstellung für die Biogas-Produktion genutzt werden können. Sein Forschungsteam setzt dabei ebenfalls auf ein mikrobiologisches, zweistufiges Gärverfahren. Dieses arbeitet aber im Gegensatz zu den oben erwähnten Verfahren in beiden Prozessstufen anaerob, also ohne Zufuhr von Sauerstoff. Nach Aussage von Roger König lautet die Zielsetzung, die Methan-Ausbeute gegenüber dem konventionellen einstufigen Prozess um mehr als 30% zu steigern.

Neues Verfahren
Biogas lässt sich auf sehr verschiedene Arten aus Biomasse gewinnen. Ein Weg sind Kompogas-Anlagen. Aus biologischen Abfällen entstehen in einem Gärreaktor (Fermenter) Biogas und Kompost. Einen anderen Weg wollen Hans Engeli (engeli engineering) und Dr. Werner Edelmann (arbi Bioenergie GmbH) beschreiten. Sie haben in der Schweiz 64 Platzkompostierungen identifiziert. Diese könnten mit einem zusätzlichen Verfahrensschritt ergänzt werden, bei dem der Bioabfall in geschlossenen, beheizten Boxen (Fermentern) unter Beigabe von Wasser vergärt (Perkolationsverfahren) und dabei Biogas gewonnen wird. Auf dem Weg dieser sogenannten Boxenvergärung liessen sich pro Jahr 30 Mio m3 Biogas produzieren, was – umgewandelt in Strom – dem Jahresbedarf von gut 20'000 Vier-Personen-Haushalten entspricht. „Das Potenzial ist nicht berauschend gross, aber man muss es nutzen!“, ist Werner Edelmann überzeugt. Da heute Boxenvergärungsanlagen zu einem relativ günstigen Preis erhältlich sind, sei ein wirtschaftlicher Betrieb möglich, ergänzt Hans Engeli. Diese Vorschläge rufen auch Kritiker auf den Plan: Sie verweisen unter anderem auf den eventuell erforderlichen zusätzlichen Platzbedarf.

Aus Abwasser wird eine Ressource
Es fehlt nicht an Ideen, um den Stellenwert der Bioenergie in der Schweizer Energieversorgung zu erhöhen. An der Tagung zur Bioenergieforschung in Ittigen wurde ein bunter Strauss von technischen Verfahren vorgestellt. So lässt sich das flüssige Gärgut (Presswasser) aus Kompogas-Anlagen durch ein Schwingsieb mechanisch von Sand und anderen Feststoffen reinigen. Das so gereinigte Presswasser lässt sich nicht nur wie bisher in der Landwirtschaft verwerten, sondern neu beispielsweise auch für die Düngung von Park- und Sportrasen nutzen. Ein neuer Ansatz ist auch die mikrobielle Brennstoffzelle: Sie gewinnt elektrischen Strom aus Abwasser, nicht aus Wasserstoff wie die chemische Brennstoffzelle. Die mikrobielle Brennstoffzelle könnte in Zukunft in Kläranlagen gleichzeitig die organischen Schadstoffe mindern und Strom bereitstellen. In Versuchen der Fachhochschule Sitten (HES-SO Valais Wallis) hat sich für diese Anwendung Urin als geeignetes Substrat erwiesen. Ebenfalls eine energetische Optimierung von Kläranlagen verspricht der Einsatz von granulierter Biomasse in der biologischen Reinigungsstufe von Kläranlagen (anstelle von Belebtschlamm wie bisher üblich). Auf diesem Weg lassen sich bis zu 30% des beträchtlichen Energieaufwands für die Belüftung der Klärbecken sparen, wie neueste Forschungsergebnisse belegen (vgl. dazu auch den Artikel 'Energieeffizienter Klärschlamm', abrufbar unter: www.bfe.admin.ch/CT/biomasse).


Biogas statt Strom

Kläranlagen und Energie – das ist schon lange eine ergiebige Paarung. Zahlreiche Abwasserreinigungsanlagen (ARA) produzieren in Faultürmen aus Klärschlamm Klärgas, das anschliessend in Blockheizkraftwerken (BHKW) in Strom und Wärme umgewandelt wird. Genau so wurde es über Jahre auch in der ARA Reinach (AG) gemacht. Allerdings produzierte die Anlage mehr Wärme, als in den Sommermonaten gebraucht wurde. Deshalb beschritten der zuständige Abwasserverband und der regionale Energieversorger (IBAarau Wärme AG) einen neuen Weg: Seit jüngster Zeit wird das Klärgas (40 Nm3/h) in einer Membran-Aufbereitungsanlage der Firma Apex AG (Däniken/SO) gereinigt und anschliessend als Biomethan ins regionale 5 bar-Erdgasnetz eingespeist. Die Produktion von ca. 2 GWh Biomethan pro Jahr reicht für die Wärmeversorgung von ca. 100 Einfamilien-Häusern.

„Dank der Anlage können wir das Erdgas ein Stück weit ökologisieren“, sagte Christian Müller von der IBAarau Wärme AG anlässlich der Bioenergie-Forschungstagung in Ittigen. Seit dem 1. Januar 2017 mischt die IBAarau standardmässig 10% Biogas dem Erdgas bei. Ein Teil davon stammt unter anderem aus der neuen Anlage. Die Anlage, die vom BFE als Demonstrationsprojekt gefördert wurde, wies in der bisherigen Betriebszeit eine hohe Verfügbarkeit aus. Der Methanverlust lag bei unter 1%.

Noch einen Schritt weiter geht ein aktuelles Forschungsprojekt in der Zürcher Kläranlage Werdhölzli. Dort wird untersucht, wie sich aus Klärgas durch Zuführung von Wasserstoff eine maximale Menge Biomethan gewinnen lässt (vgl dazu auch den Artikel 'Alles nutzen, was im Klärgas steckt', abrufbar unter: www.bfe.admin.ch/CT/biomasse).


  • Auskünfte erteilt Dr. Sandra Hermle (sandra.hermle[at]bfe.admin.ch), Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Bioenergie.

©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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